Kindergarten St. Ursula in Erfurt besteht seit 150 Jahren
„Eine nothwendige Anstalt“
Der Kindergarten St. Ursula in Erfurt besteht seit 150 Jahren. Er wurde am 1. Mai 1868 von den Ursulinen als Kleinkindbewahr-Anstalt gegründet. Gefeiert wird am 5. Mai.
Um das Jahr 1930: Kinder und Schülerinnen der Hauswirtschaft mit Schwester. | Foto: Archiv |
Am 1.Mai 1868 wurde in Erfurt durch die seit 1667 ansässigen Ursulinen eine „Kleinkinderbewahr-Anstalt“ gegründet. Unterstützt durch „wohlachtbare Frauen der Stadt“ konnten die Ursulinen bereits im Oktober desselben Jahres 70 bis 90 Kinder dem Magistrat melden. Im Auftragsschreiben der Bistumsleitung an die Ursulinen heißt es: „Indem wir dem ehrwürdigen Convente die Errichtung dieser eben so nothwendigen als auch segensreichen Anstalt dringend noch einmal ans Herz legen.“ In der Kaiserzeit (nach 1871) hatten der Kindergarten und der Ursulinenkonvent mit den Auswirkungen des bismarckschen Kulturkampfes gegen die Aktivitäten der katholischen Kirche zu kämpfen. So verloren die Schwestern 1879 die Aufsicht über den Kindergarten. Der Betrieb wurde in den bestehen Räumen durch das unterstützende „Damen-Comité“ im heutigen Bildungshaus St. Ursula fortgeführt. Erst 1887 konnten die Schwestern mit der Wiederzulassung des Klosters auch ihre Tätigkeit im Kindergarten wieder aufnehmen. Die Zahl der Kinder stieg auf bis zu 150 Mädchen und Jungen im Jahr 1912.
In der Zwischenzeit war aus der Kleinkinderbewahranstalt eine „Spielschule“ geworden, 1925 wurde die Bezeichnung „Kindergarten“ eingeführt. Neue pädagogische Ansätze fanden früh ihren Niederschlag, so wurden 1930 ein Montessori- und ein Fröbel-Zimmer eingerichtet.
In der Zeit des Nationalsozialismus konnten unter dem Schutz des Konkordats von 1933 die Schwestern sowohl Konvent als auch Kindergarten behaupten. Erst 1941 wurde nach vielen Repressalien und unter massivem Protest der Kirchenleitung der Kindergarten der NS-Volkswohlfahrt unterstellt. Am 7. Mai 1945 konnte wieder geöffnet werden.
Der Leiterin des Kindergartens Mater Innocentia Fiege gelang es mit viel Engagement und überzeugender pädagogischer Arbeit ,das Haus wieder als Ort christlicher Erziehung zu etablieren. Mit der Staatsgründung der DDR 1949 schützte der Bestandsschutz den Kindergarten vor dem staatlichen Verbot. Im Erziehungsauftrag der kommunistischen Diktatur hatten Glaube, Religion und christliches Leben keinen Platz. Der Kindergarten unterstützte die christlichen Eltern in der Diaspora und brachte den Kindern den Glauben, christliche Feste und Traditionen sowie gemeinsames Gebet nahe. 1954 wurde im Ursulinenkloster eine kirchliche Ausbildungsstätte für Erzieherinnen gegründet. Heute noch in Erfurt tätige Ursulinen, wie beispielsweise Schwester Jutta Böhm unterrichteten junge Frauen, die sich für diesen Beruf entschieden hatten, allerdings mit der Gewissheit, niemals in einem staatlichen Kindergarten der DDR arbeiten zu dürfen. Unter den Absolventinnen dieser Ausbildung sind auch Erzieherinnen, die noch immer mit viel Engagement zeigen, dass ihnen die Kinder am Herzen liegen, wie beispielsweise Uta Riese oder Claudia Schnürer. 1967 besuchten 100 Kinder den Kindergarten in vier Gruppen.
Nach Wende und Wiedervereinigung veränderte der Kindergarten seine Gruppenstruktur. Unter der Leitung von Dorothea Weigel wurde die Kinderzahl auf zirka 20 Kinder pro Gruppe reduziert, die gemäß der natürlichen Alterszusammensetzung zwischen zwei und sieben Jahre alt sind. So können Geschwister zusammen bleiben, die Älteren den Jüngeren helfen und die Kleinen von den Großen lernen. 1997 wurde ein Neubau auf dem Klostergelände bezogen, in dem es seit 2010 auch eine Kleinkindgruppe für ein- bis dreijährige Kinder gibt. 2011 gaben die Ursulinen den Kindergarten an die Trägergesellschaft St. Martin ab. Aktuell freuen sich 80 Kinder zwischen einem und sechs Jahren auf den Kindergartentag unter der Obhut von zehn Erzieherinnen.
Das 150-jährige Jubiläum wird am 5. Mai um 11.30 Uhr mit einem Festgottesdienst mit Pfarrer Marcellus Klaus und Domkapitular Bruno Heller in der katholischen Kirche St. Lorenz gefeiert. Zum anschließenden Fest auf dem Gelände des Kindergartens sind die Schwestern des Ursulinenkonvents, die Kindergartenkinder und ihre Familien sowie Ehemalige und Ehrengäste herzlich eingeladen.
Vieles hat sich in den letzten 150 Jahren verändert. „Einiges aber auch nicht:“, wie 1992 Ingo Mlejnek als Vater mehrerer Ursulinenkinder schrieb: „die Freude unserer Kinder an diesem Kindergarten und an ihren Erzieherinnen, die Geborgenheit und die Herzenswärme, die unsere Kinder erleben dürfen.“
Von Martin Habermann