Internierung und Vernichtung der Sinti und Roma

Einfach so weggeholt

Image
Petra Rosenberg sprach im Don-Bosco-Zentrum Berlin über Internierung und Vernichtung der Sinti und Roma einschließlich ihrer eigenen Familie.

Petra Rosenberg im Gespräch mit Interessierten in der Openair-Ausstellung Zwangslager Berlin-Marzahn am Otto-Rosenberg-Platz.    Foto: Thomas Brose

 

„Der ‚Rastplatz‘ Marzahn wurde 1936 für uns zu einem wahren Schicksalsort. Zwei Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele wurden Sinti und Roma mitten aus Berlin an den Stadtrand verschleppt. Ohne Proteste konnte die Polizei meine Leute aus Wohnungen oder von gepachteten Grundstücken einfach wegholen“, erzählte Petra Rosenberg.
Auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Christlich-Jüdischer Dialog sowie der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Berlin sprach die Vorsitzende der Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn und des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg am 31. August im katholischen Don-Bosco-Zentrum, das dem Erinnerungsort gegenüberliegt.
Dass die Schicksale deutscher Sinti und Roma viel zu lange im Schatten der Geschichte standen, machte Petra Rosenberg auf bewegende Art und Weise deutlich, indem sie aus den Erinnerungen ihres Vaters, Otto Rosenberg (1927–2001), mit dem Titel „Das Brennglas“, zitierte. „Die Wiesen um uns waren Rieselfelder. Überall waren Gräben. Ständig kamen Wagen, die Jauche in diese Gräben pumpten. Es hat furchtbar gestunken.“

Gedemütigt und dann ins KZ abtransportiert
Etwa 800 bis 1000 Insassen teilten sich hier drei Brunnen und zwei Toilettenanlagen. In dem völlig überfüllten Lager brachen Scharlach, Diphtherie und Tuberkulose aus. Nachdem der neunjährige Otto Rosenberg nach Marzahn zwangsumgesiedelt worden war, wo es scharfe Hunde, Polizeistaffeln und später auch Stacheldraht gab, wurde er immer wieder von „Rassehygienikern“ untersucht. Die wollten herausfinden, welche Merkmale für seine „minderwertige Rasse“ typisch seien.
Nach dem sogenannten „Auschwitz-Erlass“ von Heinrich Himmler wurden „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und balkanische Zigeuner“ Ende 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo es in der Nähe der Gaskammern ein eigenes „Zigeunerlager“ gab.
Zuerst wurde Otto Rosenberg in einem Rüstungsbetrieb „dienstverpflichtet“. Weil er dort heimlich ein „Brennglas“ abgeschraubt hatte, landete der Junge für vier Monate im Gefängnis Moabit. Im Jahr 1943 erfolgte seine Deportation nach Auschwitz mit dem Haftgrund: „Zig. D.R.“ – „Zigeuner Deutsches Reich“. Rosenberg hatte Glück: Er musste dem KZ-Arzt Josef Mengele zwar die Schuhe putzen, überlebte aber dank seiner Arbeitskraft Auschwitz, Buchenwald und Bergen-Belsen – als einziger der Großfamilie.
„Die KZ-Nummer ließ ich durch eine Tätowierung in Hamburg unsichtbar machen.“, schrieb der gläubige Katholik Rosenberg später in seiner Autobiografie. „Jetzt ist der Engel da, der schützt davor, dass sich all die schlimmen Dinge wiederholen.“
Seine Tochter meinte jetzt beim Besuch der Open-Air-Ausstellung nach dem Vortrag: Oft sei ihr Vater verzweifelt gewesen: „Warum musste ich als Einziger überleben?“ – „Er hatte immer Schuldgefühle“, so Petra Rosenberg. „Aber ich bin dankbar, dass er es geschafft hat, seine Erinnerungen für uns aufzuschreiben und dass der Platz an der Gedenkstätte Marzahn heute seinen Namen trägt.“

Von Thomas Brose