Erholung trotz Krisen
Endlich mal durchatmen
Der Sommer ist da, in vielen Bundesländern beginnen die Ferien. Die Krisen aber bleiben: Krieg, Erderhitzung, Pandemie. Wie können wir uns da entspannen? Susanne Wübker ist Seelsorgerin auf der Insel Langeoog und hat ein paar gute Tipps.
Von Kerstin Ostendorf
Wenn sich Susanne Wübker mit Urlaubern unterhält, hört sie immer wieder einen Satz: „Ich könnte stundenlang hier sitzen und einfach aufs Meer schauen.“ Wübker ist Pfarrbeauftragte der Kirchengemeinde St. Nikolaus auf der Insel Langeoog und kümmert sich dort häufig um Touristen. „Im Alltag sind wir alle sehr eingebunden: die Arbeit, die Familie. Wir glauben, immer erreichbar sein und ständig auf etwas reagieren zu müssen“, sagt die Pastoralreferentin.
Die vergangenen Monate belasten die Menschen: Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine, die unabsehbaren Folgen der Wirtschaftskrise, die Inflation. Dazu die immer schlimmeren Folgen der Erderhitzung. Und im Winter droht womöglich eine weitere Corona-Welle. Wie können die Menschen sich angesichts all dieser Krisen erholen?
Wübker rät den Urlaubern, genau das zu tun, was sich viele insgeheim wünschen: einfach an den Strand setzen und aufs Meer schauen. „Wir sollten nicht auch noch unseren Urlaub mit Terminen oder Ausflügen vollstopfen“, sagt sie. „Es darf auch mal Langeweile aufkommen.“ Wer sich an den Strand setze, der könne abschalten und durchatmen: „Beim Blick auf den Horizont weitet sich der innere Blick. Gedanken können sich setzen und Ideen neu entfalten.“
Das erlebt sie bei den meditativen Strandspaziergängen, die sie anbietet. „Wir laufen schweigend, unterbrochen nur von kurzen Impulsen“, sagt Wübker. Am Anfang sei es für viele schwierig, die Stille auszuhalten. „Manche werden unruhig, weil sie nicht darin geübt sind. Aber wenn man die Ruhe auf sich wirken lässt, kann das erholend wirken.“ Sie rät, die Gedanken, die während des Spaziergangs gekommen sind, aufzuschreiben. „In Zeiten der Stille können wir neue Perspektiven gewinnen“, sagt Wübker.
Menschen sind im Urlaub offener für andere Themen
Sie spürt auch, dass die Menschen im Urlaub offener sind für andere Themen. Die täglichen Abendgottesdienste in der St.-Nikolaus-Kirche sind gut besucht. Regelmäßig gestaltet Wübker mit dem evangelischen Pastor den Langeooger Pilgerweg. Dabei gedenken sie der Lübecker Märtyrer, erinnern an das Zwangsarbeiterlager auf der Insel und an den Widerstand in der Nazizeit. „Das ist ja kein leichtes Thema. Und dennoch kommen Menschen, die sich in ihrer Urlaubs-
zeit damit beschäftigen möchten“, sagt Wübker. Vorträge, Spaziergänge, die Feier eines Gottesdienstes – all das könne von eigenen Sorgen ablenken.
Und wie können wir die Erholung in den Alltag retten? „Im Urlaub können wir üben, Pausen einzulegen“, sagt Wübker. Sie vergleicht das mit einer ostfriesischen Teezeremonie: Dabei wird schwarzer Tee mit Kandis und einer sahnigen Haube getrunken. „Das braucht Zeit, wenn man alle Geschmacksnuancen auf sich wirken lässt. Das ist kein Tea-to-go“, sagt sie. Auch wenn im Alltag die Zeit dafür fehle, könne man öfter eine Pause einlegen: „In Ruhe etwas trinken und sich an den Urlaub erinnern – das kann die Erholung bewahren.“