Teil 5 unserer Credo-Serie
Er war wirklich tot
Unsere Serie zum Apostolischen Glaubensbekenntnis beschäftigt sich mit den Grundpfeilern des christlichen Glaubens. Und dazu gehört, dass Jesus gestorben ist mit allen Konsequenzen, die das Sterben mit sich bringt.
Von Susanne Haverkamp
Wenn das Credo über Jesus spricht, wird meist das Göttliche an ihm betont. Das war in den bisherigen Abschnitten so („eingeborener Sohn“; „empfangen durch den Heiligen Geist“) und das wird auch demnächst so sein („sitzt zur Rechten Gottes“). Aber im nun folgenden Abschnitt geht es um die menschliche Seite Jesu, darum, dass er wirklich und wahrhaftig gestorben ist – wie jeder von uns sterben wird.
Es fällt zudem auf, wie stakkatohaft und nüchtern dieser Abschnitt formuliert ist, ohne jede theologische Deutung. Man hätte sich zum Beispiel vorstellen können, dass dort steht „für uns Sünder gestorben“, wie es bei Paulus oft formuliert ist. Oder vielleicht: „Gekreuzigt als Opfergabe, damit alle das Leben haben.“ Aber nein: Das Credo schildert in diesem Fall die Fakten ohne jede theologische Interpretation.
Gelitten unter Pontius Pilatus
Wenn man mal so richtig darüber nachdenkt: Ist es nicht ein bisschen seltsam, dass ein heidnischer römischer Beamter Eingang gefunden hat in das Glaubensbekenntnis der Christen? War es nötig, ihn zu erwähnen? Ist das nicht viel zu viel der Ehre? Eine alte Redewendung greift diese Irritation auf: „Der ist an seinen Job gekommen wie Pontius Pilatus ins Credo.“ Dabei haben die Verfasser des Credos die Formulierung wohlbedacht. Es ging nämlich darum, ein für allemal festzuhalten, dass Jesus in einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort historisch zu verankern ist. Jesus ist nicht Legende, nicht Fantasieprodukt – es gab ihn wirklich. Und da die Geschichte gemessen wurde in Herrscherperioden („als Quirinius Statthalter in Syrien war“, heißt es in der Weihnachtsgeschichte) ist hier der Prokurator Pontius Pilatus der historische Referenzpunkt.
Und noch etwas besagt dieser kurze Satz: dass letztverantwortlich für den Tod Jesu die Römer waren. Denn es steht dort ja nicht: „ausgeliefert durch die Juden“ oder „auf Druck der Hohenpriester“. Es geht um die römische Gerichtsbarkeit, die Jesus erst foltern und dann hinrichten ließ.
Gekreuzigt, gestorben und begraben
Die Strafe der Kreuzigung wurde vermutlich von den Persern erfunden und kam über Karthago und die Punier zu den Römern. Sie war die Todesstrafe für Schwerverbrecher, vorzugsweise, um in den besetzten Gebieten Ruhe und Ordnung zu erzwingen. Die Strafe zeigt: Jesus wurde als Aufrührer hingerichtet.
Das jüdische Strafrecht kannte die Kreuzigung hingegen nicht. Gotteslästerung, der Vorwurf, den die Hohenpriester gegen Jesus erheben, wurde mit Steinigung bestraft. Allerdings gab es das demonstrative Aufhängen am Pfahl nach Eintritt des Todes, das den Hingerichteten als von von Gott Verfluchten kennzeichnen sollte. (Deuteronomium 21,23) Entsprechend wurde wohl auch die Kreuzigung Jesu interpretiert.
War die Kreuzigung nötig? Hätte Gott die Menschheit nicht anders erlösen können? Doch, vermutlich wohl. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass Jesus die Kreuzigung aktiv anstrebte.
Sie war auch für ihn die ultimative Lebenskatatsrophe. Dennoch hat er wohl geahnt, dass sein Auftreten in Jerusalem nicht gut ausgeht – und hat sich trotzdem nicht in Galiäa versteckt. Er ist seinen Weg konsequent zu Ende gegangen, ist gestorben und wurde begraben. Knappe Worte, die betonen wollen: Er wurde nicht halbtot von seinen Freunden gerettet und aufgepäppelt, er war nicht scheintot; er war tot und begraben und daran gab und gibt es keinen Zweifel.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes
Aber was soll dann dieser Satz noch? Reicht gestorben und begraben nicht? Zumal das Große Glaubensbekenntnis den Gedanken nicht kennt; hier kommt nach „begraben“ gleich „... ist am dritten Tage auferstanden“.
Aber der Satz ist eben nicht eine andere Formulierung für „Er ist wirklich tot“, sondern meint etwas Komplizierteres. Die Älteren unter Ihnen ahnen es vielleicht, denn sie haben noch eine andere Übersetzung gelernt: „abgestiegen zu der Hölle“. Und so steht es auch im lateinischen Original: „decendit ad inferna“ – und „infernum“ wird gewöhnlich mit „Hölle“ übersetzt.
Zunächst will der Satz Antwort geben auf eine Frage, die wir uns heute kaum noch stellen: Wo war Jesus in der Zeitspanne zwischen Tod und Auferstehung? Im Hintergrund stehen zwei Vorstellungen: die jüdische vom Scheol, vom Schattenreich des Todes, ein Ort fern von Gott, die im Neuen Testament verschiedentlich angedeutet wird. Und die heidnische Vorstellung vom Hades, dem unterirdischen Totenreich, zu dem, wie Tertullian (150-220 n. Chr.) sagt, alle nach dem Tod hinabsteigen.
Zum zeitlichen Denken kommt das theologische: der Sieg über den Teufel. So zeigen viele mittelalterliche Bilder und Ikonen, wie Jesus die Pforten der Hölle zerbricht und den Satan fesselt. Aber was hat uns das heute noch zu sagen?
Aus der Vielzahl der Interpretationen sei zunächst die von Martin Luther erwähnt: Der Höllenabstieg zeige, dass Jesus am Kreuz die Hölle erlebt hat und das sei die Gottesferne. Jesus fühlte sich von seinem Volk, den Juden, verlassen – und von Gott. Durch diese Hölle, die auch heutige Menschen mitunter erleben können, musste er hindurch. Ähnlich sagt der Theologe Hans Urs von Balthasar: Jesus stieg hinab in die Einsamkeit und das Schweigen Gottes – und ist auch darin solidarisch mit uns Menschen.
Eine zweite wichtige Interpretation ist eine heilsgeschichtliche und bekennt, dass Jesus nicht nur für die gekommen ist, die mit ihm oder nach ihm lebten. „Auch den Toten ist das Evangelium verkündet worden“, heißt es im 1. Petrusbrief (4,6): Soll heißen: Jesu Botschaft vom Leben bei Gott gilt allen Generationen, den vergangenen wie den zukünftigen.