Neuer Rekord auf dem Pilgerweg
Erfolgsgeschichte Jakobsweg
Der Jakobsweg bleibt ein Massenphänomen: 2019 waren knapp 350.000 Pilger dort unterwegs.
Der Jakobsweg hat im abgelaufenen Jahr einen neuen Rekord verbucht und seinen Ruf als Massenphänomen zementiert. 2019 erhielten 347.378 Wallfahrer im Pilgerbüro der nordwestspanischen Apostelstadt Santiago de Compostela ihre Pilgerurkunde. Deutlich in der Mehrheit waren die Wanderer, gefolgt von Radlern und Reitern. Ein ganz geringer Anteil entfiel auf Rollstuhlfahrer, für die laut Informationen aus dem Pilgerbüro ein kurzes, nicht näher umrissenes Stück reicht.
Der Zulauf hat im dritten Jahr hintereinander den Rekord gebrochen. 2017 schlugen 301.036 Pilgerankünfte zu Buche, 2018 waren es 327.378. Die jetzige Statistik führten, wie jedes Jahr, die Spanier selbst mit weitem Vorsprung an. Unter den Ausländern waren Italiener (28.747) und Deutsche (26.167) am stärksten vertreten; auch Portugiesen, US-Amerikaner, Franzosen und Briten landeten in den Monatsstatistiken jeweils weit vorn. Vertreten waren aber auch Exoten, ob aus Japan, Singapur oder Kanada.
Rekordmonat war der August mit 62.814 eingetroffenen Pilgern in Santiago. Generell waren die meisten Wallfahrer der Moderne auf der Hauptstrecke ab den Pyrenäen unterwegs, dem Französischen Weg. Signifikante Anstiege verzeichneten die Routen aus Portugal.
Frauen haben nun die Mehrheit erreicht (total: 177.401) und rangierten auch in den wichtigsten Monaten April bis Oktober durchgehend vorn - ein Novum. Cory Iriarte (56), eine Pilgerin aus dem nordspanischen Pamplona, überrascht das nicht. Seit Jahren verfolgt sie den Aufwärtstrend von Pilgerinnen, die wie sie selbst allein aufbrechen.
Gerda Montkowski, pensionierte Kindergärtnerin aus dem rheinischen Sankt Augustin, geht noch einen Schritt weiter - und schöpft ihre Kenntnis gleich aus dreifacher Perspektive: als Pilgerin, ehrenamtliche Herbergswirtin und Pilgerseelsorgerin in Santiago. Sie begegnet zunehmend mehr Alleinpilgerinnen, die mit erdrückenden Lasten unterwegs sind: "Sie haben Verluste zu verarbeiten, schwere Krankheiten gehabt, Partner durch Tod oder Trennung verloren, befinden sich in Entscheidungsphasen." Männer dagegen "reden nicht so viel darüber", so Montkowski.
Keine Angst in puncto Sicherheit
Pilgerinnen erwarten unterwegs besondere Rahmenbedingungen. "Bei Übernachtungen in kommunalen Herbergen muss man sich grundsätzlich auf gemischte Schlafsäle einstellen. Auch die Sanitäranlagen sind nicht immer getrennt", weiß die frühere Grundschullehrerin Maria Diedrich (66) aus Paderborn, die im Frühjahr von Porto nach Santiago pilgerte. "Einige wundern sich, dass ich als Frau allein losgehe. Man traut Frauen das weniger zu. Bei Männern würde sich keiner wundern. Ich glaube, das hat viel damit zu tun, wie selbstständig man ist und ob man gewohnt ist, eigene Entscheidungen zu treffen."
Das Thema Sicherheit hat sie nicht tiefer beschäftigt, obgleich sie wusste, dass es vor einigen Jahren am Französischen Weg bei Astorga einen Raubmord an einer US-Pilgerin gab. "Ich kenne einige Frauen, die sich nie allein auf den Weg machen würden, aus Angst, dass ihnen etwas passiert. Ich hatte diese Sorge aber nie", so Diedrich. Auch Cory Iriarte bricht stets ohne Angst auf, hat aber durch den gestiegenen Zulauf Veränderungen ausgemacht: "Manchen Männern sieht man an, dass sie nur drauf aus sind anzubändeln. Denen dreht man dann eben den Rücken zu."
Für die gemischten Herbergen sagt Ulrike Rübsamen (74), die als Yoga-Lehrerin in Horn-Bad Meinberg aktiv ist und viele tausend Pilgerkilometer in den Beinen hat: "Ich bestimme selbst, wie viel ich von mir preisgebe. Die Mädels sollten sich überlegen, ob es sein muss, im String-Tanga aus der Dusche zu kommen."
Gerda Montkowski weiß, dass es mittlerweile "leider mehr Übergriffe auf Frauen" gibt. Und: "Ich kenne Frauen, die deswegen weinend abgebrochen haben." Auch Cory Iriarte kennt aus direkter Nähe einen Fall massiver sexueller Bedrängung: nachts im gemischten Gemeinschaftsraum einer Herberge in Galicien. "Aber das kann auch im normalen Leben passieren", räumt sie ein. Gleichwohl gilt: Pilgerinnen müssen in Boom-Zeiten stärker auf der Hut sein.
kna