Auftaktveranstaltung der "pastorale!" in Halle
Erschöpft oder schöpferisch?
Image
Zum Erfahrungsaustausch über zukunftsweisende Projekte der Kirche lädt die „pastorale!“ im Herbst 2019 nach Magdeburg ein. Die erste von drei regionalen Auftaktveranstaltungen hat am 10. November in Halle das Gespräch über „Kirche als schöpferische Minderheit“ angeregt.
Träume und Skepsis – für beides war Raum bei der Auftaktveranstaltung zur „pastorale!“ im halleschen Elisabeth-Krankenhaus. | Fotos: Walter Wetzler |
Angesichts ihrer zurückgehenden Anzahl sollten Katholiken in der ostdeutschen Diaspora sich nicht als klägliche Schar der letzten Aufrechten verstehen und resigniert nur noch auf sich selbst schauen, hatte der Magdeburger Bischof Gerhard Feige in den vergangenen Jahren wiederholt angemahnt. Er ermutigte die Christen der Region stattdessen, sich als „schöpferische Minderheit“ mehr denn je in die Gesellschaft einzubringen. Bei der Auftaktveranstaltung zur „pastorale!“ im halleschen St. Elisabeth-Krankenhaus gingen rund 80 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus Kirche und Caritas aller ostdeutscher Bistümer dem Begriff „schöpferische Minderheit“ auf den Grund und tauschten sich über mögliche Ansätze aus, ihn mit Leben zu füllen.
Annäherungen zwischen Träumern und Kritikern
Eine nach dem US-Trickfilme-Hersteller Walt Disney benannte Methode half ihnen, dort zu Annäherungen zu kommen, wo Gespräche über die Zukunftsaussichten der Kirche sonst oft ins Stocken geraten – nämlich dort, wo die Plädoyers der Zukunfts-Träumer für ein stärkeres Vertrauen auf die Führung des Heiligen Geistes scheinbar unversöhnlich neben den vorgebrachten Bedenken derer stehen, die sich um den Verlust von lang Bewährtem sorgen. Während in solchen Gesprächen das einzig Verbindende häufig das Gefühl bleibt, unverstanden zu sein, ließen sich die Tagungsteilnehmer bereitwillig darauf ein, nicht nur aus der eigenen Perspektive auf die Entwicklungspotenziale der Kirche zu blicken. Während sie sich nach der Walt-Disney-Methode in Kleingruppen über Kernthesen Gerhard Feiges zur „schöpferischen Minderheit“ austauschten, schlüpften sie gemeinsam nacheinander in die Rolle von Zukunfts-Träumern, von Bedenken-Trägern und von Realisten, die Ideen auf ihre Umsetzbarkeit abklopfen. „In mir steckt ein wenig von jeder Rolle“, stellte mancher dabei fest – eine Einsicht, die sich möglicherweise bei künftigen Begegnungen mit vermeintlichen Traumtänzern oder Miesepetern auswirken kann.
„Wir sind nicht grund- und absichtslos in diese Situation Ostdeutschlands gestellt“, betonte der Magdeburger Bischof. Um der Kirche auch künftig ein Gesicht geben zu können, sei es erforderlich, die Pfarreien als „großräumige Netzwerke“ verstehen, in denen die darin befindlichen Gemeinden, Einrichtungen und Initiativen „Knotenpunkte“ seien, an denen die christliche Botschaft besonders konkret gelebt werde. Mehr als bisher müssten Laien künftig Verantwortung auch in der Leitung übernehmen, und mehr als bisher gelte es, die Präsenz der Kirche außerhalb der Gemeinden wahrzunehmen, etwa in Kindertagesstätten, Schulen, Sozialstationen, Kliniken und Pflegeheimen oder in Suppenküchen, Sozialkaufhäusern und Akademien in kirchlicher Trägerschaft, bei Lebenswendefeiern für ungetaufte Jugendliche und in ökumenischen Projekten.
Der Blick der Skeptiker hatte in allen Diskussionen im Laufe des Tages Raum, unter anderem im Verweis auf die begrenzten Ressourcen Ehrenamtlicher oder mit der augenzwinkernd vorgebrachten Frage, ob nicht manchmal der treffendere Begriff nicht „schöpferische“ sondern „erschöpfte Minderheit“ wäre.
Eine nach dem US-Trickfilme-Hersteller Walt Disney benannte Methode half ihnen, dort zu Annäherungen zu kommen, wo Gespräche über die Zukunftsaussichten der Kirche sonst oft ins Stocken geraten – nämlich dort, wo die Plädoyers der Zukunfts-Träumer für ein stärkeres Vertrauen auf die Führung des Heiligen Geistes scheinbar unversöhnlich neben den vorgebrachten Bedenken derer stehen, die sich um den Verlust von lang Bewährtem sorgen. Während in solchen Gesprächen das einzig Verbindende häufig das Gefühl bleibt, unverstanden zu sein, ließen sich die Tagungsteilnehmer bereitwillig darauf ein, nicht nur aus der eigenen Perspektive auf die Entwicklungspotenziale der Kirche zu blicken. Während sie sich nach der Walt-Disney-Methode in Kleingruppen über Kernthesen Gerhard Feiges zur „schöpferischen Minderheit“ austauschten, schlüpften sie gemeinsam nacheinander in die Rolle von Zukunfts-Träumern, von Bedenken-Trägern und von Realisten, die Ideen auf ihre Umsetzbarkeit abklopfen. „In mir steckt ein wenig von jeder Rolle“, stellte mancher dabei fest – eine Einsicht, die sich möglicherweise bei künftigen Begegnungen mit vermeintlichen Traumtänzern oder Miesepetern auswirken kann.
„Wir sind nicht grund- und absichtslos in diese Situation Ostdeutschlands gestellt“, betonte der Magdeburger Bischof. Um der Kirche auch künftig ein Gesicht geben zu können, sei es erforderlich, die Pfarreien als „großräumige Netzwerke“ verstehen, in denen die darin befindlichen Gemeinden, Einrichtungen und Initiativen „Knotenpunkte“ seien, an denen die christliche Botschaft besonders konkret gelebt werde. Mehr als bisher müssten Laien künftig Verantwortung auch in der Leitung übernehmen, und mehr als bisher gelte es, die Präsenz der Kirche außerhalb der Gemeinden wahrzunehmen, etwa in Kindertagesstätten, Schulen, Sozialstationen, Kliniken und Pflegeheimen oder in Suppenküchen, Sozialkaufhäusern und Akademien in kirchlicher Trägerschaft, bei Lebenswendefeiern für ungetaufte Jugendliche und in ökumenischen Projekten.
Der Blick der Skeptiker hatte in allen Diskussionen im Laufe des Tages Raum, unter anderem im Verweis auf die begrenzten Ressourcen Ehrenamtlicher oder mit der augenzwinkernd vorgebrachten Frage, ob nicht manchmal der treffendere Begriff nicht „schöpferische“ sondern „erschöpfte Minderheit“ wäre.
Zwei Mitveranstalter der „pastorale!“ im Gespräch: Bischof Gerhard Feige und Guido Erbrich, der Leiter des Magdeburger Roncalli-Hauses. |
Erfahrungen aus der Minderheitensituation der Katholiken in Schweden brachte Jesuitenpater Philipp Geister ein. „Evangelisierungsstrategien sind sehr wichtig – wenn wir ihre Grenzen sehen“, gab der Rektor des Newman-Instituts in Upsala zu bedenken. „Im wirklichen Leben werden wir alle immer wieder von Faktoren überrascht, die unsere Strategien über den Haufen werfen“, erläuterte er.
Die Freude und Aufbruchsstimmung unter schwedischen Katholiken rühre keineswegs daher, dass man dort alles richtig mache, zeigte er sich überzeugt. Man rede einfach selten über das, was in der Kirche nicht mehr oder noch nicht gut funktioniere. Viel mehr sei man es gewohnt, den Blick auf die „blühenden Frühlingswiesen“ zu richten und nicht so sehr auf die weniger attraktiven Brachflächen. Er regte an, in den alltäglichen Erfahrungen die Handschrift Gottes zu suchen. „Gott hat uns nicht ans Messer geliefert, sondern in diese Situation berufen, zum Heil der Welt.“ Ausgang aller Überlegungen sollte für jeden Einzelnen die Frage sein: Was will ich mit meinem Leben tun? Was meine ich, was der Herr möchte, dass ich tue?“ Das Zweite Vatikanische Konzil habe die Berufung jedes Christen zur Heiligkeit betont. Die Frage sei daher nicht, was jeder tun müsse, um die Situation zu verbessern, sondern, wer er sein sollte. Dabei könnten die Heiligen ein Ansporn sein, denn „sie folgten schlichtweg dem Willen Gottes für ihr Leben. Das machte sie zu einer ‚schöpferischen Minderheit‘“, befand der Jesuit. Dazu gehöre auch der Mut zur Einsamkeit. Vielleicht sei die Rolle der Katholiken derzeit gerade die der Demütigen und der Gedemütigten. Letztlich sei es die Authentizität Einzelner in ihrem unaufdringlichen Glaubenszeugnis und täglichen Handeln, die Menschen überzeuge.
Die Freude und Aufbruchsstimmung unter schwedischen Katholiken rühre keineswegs daher, dass man dort alles richtig mache, zeigte er sich überzeugt. Man rede einfach selten über das, was in der Kirche nicht mehr oder noch nicht gut funktioniere. Viel mehr sei man es gewohnt, den Blick auf die „blühenden Frühlingswiesen“ zu richten und nicht so sehr auf die weniger attraktiven Brachflächen. Er regte an, in den alltäglichen Erfahrungen die Handschrift Gottes zu suchen. „Gott hat uns nicht ans Messer geliefert, sondern in diese Situation berufen, zum Heil der Welt.“ Ausgang aller Überlegungen sollte für jeden Einzelnen die Frage sein: Was will ich mit meinem Leben tun? Was meine ich, was der Herr möchte, dass ich tue?“ Das Zweite Vatikanische Konzil habe die Berufung jedes Christen zur Heiligkeit betont. Die Frage sei daher nicht, was jeder tun müsse, um die Situation zu verbessern, sondern, wer er sein sollte. Dabei könnten die Heiligen ein Ansporn sein, denn „sie folgten schlichtweg dem Willen Gottes für ihr Leben. Das machte sie zu einer ‚schöpferischen Minderheit‘“, befand der Jesuit. Dazu gehöre auch der Mut zur Einsamkeit. Vielleicht sei die Rolle der Katholiken derzeit gerade die der Demütigen und der Gedemütigten. Letztlich sei es die Authentizität Einzelner in ihrem unaufdringlichen Glaubenszeugnis und täglichen Handeln, die Menschen überzeuge.
Zur Sache: „pastorale!“ in Magdeburg
Für den 19. bis 22. September 2019 laden verschiedene kirchliche Einrichtungen aus Ostdeutschland und das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken zur „pastorale!“ nach Magdeburg ein. Als Mix aus Fachmesse, Tagung und Ideenbörse zum kirchlichen Leben in der ostdeutschen Diaspora will die viertägige Veranstaltung Haupt- und Ehrenamtlichen aus Pastoral, Caritas und Kirchengemeinden eine Plattform zum Gedankenaustausch bieten. Im Vorfeld der „pastorale!“ gibt es mehrere Vorveranstaltungen. Die erste fand jetzt in Halle statt. Weitere Veranstaltungen sind am 4. April in Zwickau zum Thema „Herausforderungen im ländlichen Raum und am 25. Mai in Mühlhausen zur Umnutzung von Kirchenräumen geplant.
Weitere Informationen
Für den 19. bis 22. September 2019 laden verschiedene kirchliche Einrichtungen aus Ostdeutschland und das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken zur „pastorale!“ nach Magdeburg ein. Als Mix aus Fachmesse, Tagung und Ideenbörse zum kirchlichen Leben in der ostdeutschen Diaspora will die viertägige Veranstaltung Haupt- und Ehrenamtlichen aus Pastoral, Caritas und Kirchengemeinden eine Plattform zum Gedankenaustausch bieten. Im Vorfeld der „pastorale!“ gibt es mehrere Vorveranstaltungen. Die erste fand jetzt in Halle statt. Weitere Veranstaltungen sind am 4. April in Zwickau zum Thema „Herausforderungen im ländlichen Raum und am 25. Mai in Mühlhausen zur Umnutzung von Kirchenräumen geplant.
Weitere Informationen
Von Dorothee Wanzek