"Wort des Bischofs" von Peter Kohlgraf
„Es bleibt bei einer Notlösung“
Die Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz erlauben seit kurzem öffentliche Gottesdienste – nur mit Hygienekonzept. Bischof Peter Kohlgraf äußert sich im „Wort des Bischofs“ dazu: „Meine persönliche Gefühlslage ist zwiespältig.“
In diesem Jahr haben wir auf außergewöhnliche Art Ostern gefeiert. Vielen war nicht zum Feiern zumute, viele haben sich zu Hause den Gottesdiensten und Gebeten in den Medien angeschlossen, die ohne größere Gemeinde gefeiert werden mussten. Manche haben auch eigene Formen gefunden und praktiziert. Wenn wir in diesen Tagen beginnen, unter strengen Maßgaben wieder Gottesdienste in den größeren Kirchen zu feiern, will ich dazu sehr deutlich sagen: Wir sind noch lange nicht in der Normalität angekommen. Diejenigen, die jetzt einen öffentlichen Gottesdienst mitfeiern, werden dies – trotz aller Freude – schmerzlich wahrnehmen. Es gelten weiterhin die Gebote, Abstand zu halten; es werden weiterhin nur zahlenmäßig eingeschränkte Gruppen zugelassen; feierlicher Gemeindegesang ist aus hygienischen Gründen nicht möglich; die Teilnahme muss vorher namentlich angemeldet und vor Ort streng geprüft werden, damit Infektionsketten gegebenenfalls nachvollzogen werden können. Auch die Bestimmungen zum Kommunionempfang sind kompliziert. Dennoch: Es ist ein kleiner Schritt, der hoffentlich sensibel gestaltet wird, damit es nicht zu einer erneuten Verschärfung kommen muss.
Meine persönliche Gefühlslage ist zwiespältig. Zum einen freue ich mich auf gemeinsame Gottesdienste, auch wenn sie noch nicht die notwendige Feierlichkeit haben können. Zum anderen fehlen gerade der in dieser eingeschränkten Form stattfindenden Eucharistiefeier eigentlich notwendige Voraussetzungen. Eine Heilige Messe ist ja immer mehr als die Gültigkeit der Abläufe und die nur individuelle Christusbegegnung in der Eucharistie. Sie ist eine Feier der Kirche, die sich in der örtlichen Gemeinde versammelt. Um zu einer echten Feier zu gelangen, müssten selbstverständlich auch die gemeinsamen Feierformen in ihrer Vielfalt möglich sein. So bleibt es bei einer Notlösung, deren Hintergründe ich kenne und akzeptiere.
Liturgie jedoch braucht eigentlich eine stimmige Ausdrucksform, die derzeit nicht möglich ist. So wie in den letzten Wochen werden mich Zuschriften erreichen, die auf weitere Normalisierung drängen. Auch uns Bischöfen ist daran gelegen, und wir werden weiter mit den politisch Verantwortlichen im Gespräch sein. Auch ihnen ist ja an verantwortbaren Schritten gelegen. Ich betone aber auch dies deutlich: Zu meinen bischöflichen Pflichten gehört auch die Sorge um Leib und Leben der mir anvertrauten Menschen. Weitere Schritte zu einer Normalisierung müssen auch dieser Sorge gerecht werden. Ich teile im Übrigen auch die Wahrnehmung, dass manche Vorschläge, wie denn derzeit die Eucharistie empfangen werden könne, der Würde des Sakraments in keiner Weise gerecht werden. Auch diese Sorge bedrängt mich. Und ich will auch eine allein auf das eigene Seelenheil gerichtete Frömmigkeit nicht gutheißen. Es ist für mich kein geistlicher Gewinn, wenn einzelne Gläubige unter doch eher unwürdigen Bedingungen endlich wieder die Heilige Kommunion empfangen können und andere nicht. Insofern lade ich je nach örtlichen Möglichkeiten dazu ein, in kleineren Gruppen unter den genannten Bedingungen auch andere Gottesdienstformen zu pflegen, und so eine betende Gemeinschaft der Kirche zu bleiben.
Ich bete darum, dass wir in dieser Krise Fortschritte machen, dass es bald gute medizinische Lösungen gibt. Ich bete auch darum, dass wir geistlich zusammenstehen. Ich bitte weiterhin, diejenigen nicht zu vergessen, die nun krank, allein und einsam sind. Ihnen allen wünsche ich Gottes Segen, seinen Schutz und sein Licht in dieser österlichen Zeit.
Ihr Bischof Peter Kohlgraf