Debatte um diskriminierende Krippenfiguren

Es geht um mehr, als man denkt

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„Was soll das denn jetzt?“ So haben viele Menschen auf die Nachricht reagiert, dass eine Gemeinde eine schwarze Krippenfigur nicht mehr ausstellen will. Hinter der Sache steckt aber viel mehr – vor allem die Frage, wo Rassismus in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, ohne dass wir es merken. 

Eine Krippenfigur aus dem Ulmer Münster zeigt einen dunkelhäutigen Menschen mit dicken Lippen, Federkrone und großen Goldohrringen. Die Figur ist laut der Gemeinde diskriminierend - deshalb will sie sie nicht mehr aufstellen.
Eine Krippenfigur aus dem Ulmer Münster zeigt einen dunkelhäutigen Menschen mit dicken Lippen, Federkrone und großen Goldohrringen. Die Figur ist laut der Gemeinde diskriminierend - deshalb will sie sie nicht mehr aufstellen. 

Von Sandra Röseler 

Eine evangelische Kirchengemeinde in Ulm will die Heiligen Drei Könige nicht mehr in ihrer Weihnachtskrippe ausstellen. Der Grund: Die Figur des Melchior werde rassistisch dargestellt. Wulstige Lippen, große Goldohrringe, Federschmuck – die Figur sei „voller Klischees und grotesk überzeichnet”, heißt es in einer Stellungnahme, die die Gemeinde veröffentlicht hat. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz empfahl daraufhin, diskriminierende Krippenfiguren generell zu ersetzen. Sinnvoll seien Darstellungen, „in denen dunkelhäutige Menschen sich wiedererkennen können“. 

Im Zuge der Diskussionen um die Krippenfiguren verkündete das Kindermissionswerk der Sternsinger auch, dass Kinder, die sich als Heilige Drei Könige verkleiden, zukünftig nicht mehr schwarz geschminkt werden sollen – weil das in der heutigen Zeit einfach nicht mehr angemessen sei. Der ursprüngliche Sinn der Tradition würde besser deutlich, „wenn Kinder als Sternsinger so gehen, wie sie eben sind: vielfältig in ihrem Aussehen“. 

Dass diese Entscheidungen polarisieren, ist für Marita Wagner nicht überraschend. Sie arbeitet für das katholische Hilfswerk missio in Aachen und beschäftigt sich mit Kolonialismus und Rassismusforschung. Wagner findet es wichtig, dass in Deutschland vermehrt Debatten über Rassismus geführt werden. Sie besorgt allerdings, dass diese oft oberflächlich bleiben oder verkürzt werden. 

Etwa in der Frage um die Krippen: Da wurde gestritten, ob man nun gar keine schwarzen Krippenfiguren mehr ausstellen dürfe – und gemeckert, dass man mit politischer Korrektheit alle schönen Bräuche verderben würde. Aber darum gehe es nicht, sagt Wagner: „Es geht darum, dass wir die rassistischen und kolonialen Denkmuster, die wir immer noch in uns tragen, verlernen müssen.” 

Rassismus ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt – oft ist uns das nicht bewusst. Debatten über Krippenfiguren mögen für manchen übertrieben wirken, seien es aber nicht, betont Wagner. „Als weißer Mensch, der die gesellschaftliche Norm und Mehrheit verkörpert, ist es leicht zu sagen: Stellt euch nicht so an!“ Vielen sei nicht bewusst, dass weiße Menschen entscheiden, wie schwarze Menschen etwa als Krippenfiguren repräsentiert werden. Oder dass es verletzend sein kann, wenn sich jemand das Gesicht schwarz anmalt – weil diese Praxis in der Vergangenheit dazu verwendet wurde, dunkelhäutige Menschen zu karikieren und als naiv darzustellen. 

Es ist wichtig, den Dialog mit den Betroffenen zu suchen 

Dass viele Leute angesichts der Rassismusdebatten verunsichert sind, sei verständlich, sagt Wagner. Oft sei ihnen gar nicht bewusst, dass etwas der Sache nach rassistisch ist. Dass sich die Sternsinger das Gesicht schwarz anmalen, passiere etwa nicht aus Böswilligkeit oder um ein politisches Zeichen zu setzen – viele Menschen kennen diesen Brauch einfach seit Jahren. „Heute haben wir einen anderen Wissensstand“, sagt Wagner. Klar sei: „Wir sollten bereit dazu sein, dazuzulernen.“ Am wichtigsten sei es, den Dialog mit den Betroffenen zu suchen. Etwa bei der Diskussion um die Krippenfiguren: „Da kann man nachfragen: Wie seht ihr das? Ist diese Figur für euch problematisch oder nicht?“