Eule oder Lerche?
Sommerzeit ade: Geht es nach dem Votum des EU-Parlaments könnte die Zeitumstellung abgeschafft werden. Nicht alle Menschen sind davon begeistert. Es gibt unterschiedliche Auffassungen dazu. Hans-Joachim Stoehr ist durchgehend für die Sommerzeit, Barbara Faustmann spricht sich für die Winterzeit aus. Ein „Pro und Contra“ zur Zeitumstellung.
Ja, ich wünsche mir, dass wir in Deutschland nicht die Winterzeit, sondern ein ganzes Jahr Sommerzeit haben. Wie das schon klingt! Das ganze Jahr über Sommer! Was mir aber an der Sommerzeit im Sommer gefällt, kommt jedem auch im Winter zugute. Es bleibt dann nämlich auch im November oder Januar abends länger hell. Und das ist mir – ehrlich gesagt – wichtiger als die Stunde, die es am Morgen später hell wird. Wegen des früheren Hellwerdens die Uhren umzustellen, halte ich für unnötig. Denn irgendwann kommt die Sonne oder zumindest der Tag erst nach Schulbeginn zum Vorschein. Da kommt es auf eine Stunde mehr auch nicht an. Man kann es zudem auch positiv sehen. Die morgendliche Adventsfeier bei Kerzenschein lässt sich etwa nach hinten ausdehnen, da die Dunkelheit sich Zeit lässt, dem hellen Tag zu weichen. Apropos Feier: In diesem Jahr ist Ostern bereits in der Sommerzeit. Da es später hell wird, könnte – sofern die Gottesdienstplaner das mit im Blick haben – die Osternachtsfeier eine Stunde später beginnen. Eine frohe Botschaft für Morgenmuffel: Gäbe es immer die Sommerzeit, dann könnte man generell eine Stunde später beginnen. Käme durchgehend die jetzige Winterzeit, dann wären die langen Sommerabende Vergangenheit. In den heißen Monaten des vergangenen Jahres waren die langen Abende ein Trost. Wenn bei Sonnenuntergang langsam ein kühleres Lüftchen über den Balkon zog, dann war Zeit zum Durchatmen.
Zum Schluss muss ich aber gestehen, dass mein Wunsch nach ganzjähriger Sommerzeit eher ein Wunschtraum bleiben wird. Denn die ganzjährige Sommerzeit bedeutet ja in letzter Konsequenz, dass es keine Mitteleuropäische Zeit mehr gibt. Dass alle Länder der Europäischen Union für ein Ende der Mitteleuropäischen Zeit votieren, ist aber eher unwahrscheinlich. Hans-Joachim Stoehr
Hans-Joachim Stoehr
Redakteur in Fulda
Die Lerche begrüßt schon in der Dämmerung den jungen Tag. Das Jubel-Gezwitscher klingt hellwach und unternehmungslustig. Die Eule hat derweil nach einer langen Nacht längst den Kopf unter die Flügel gesteckt und will partout nichts mehr hören und sehen. So läuft es im Tierreich. Bei den Menschen ist es auch nicht viel anders. Es gibt Lerchen, und es gibt Eulen. Die einen stehen mit den ersten Hahnenschreien auf, die anderen ziehen sich muffelig die Bettdecke über den Kopf. Sehen Sie es doch mal so: Wenn diese unsägliche Sommerzeit endlich abgeschafft und es wieder eine schöne einheitliche Winterzeit gibt, dann habe ich gefühlt eine Stunde mehr zum Schlafen.Das ist für eine Eule ungeheuer wichtig. Es ist halt einfach sieben Uhr, wenn der Wecker rasselt und eben nicht „eigentlich“ sechs Uhr. Der Eule ist es völlig egal, wann sie abends ins Bett kommt. Die Nacht ist ihr Metier, und dann fühlt sie sich am wohlsten. Forscher fanden heraus, dass auch die Kühe Probleme mit der Sommerzeit haben. Ihre Michproduktion geht zurück. Kann ich gut nachvollziehen. Auch das Argument mit dem Mehr an Sonnenstunden zieht bei mir nicht. Eine Eule kneift bei dem frühen Lichteinfall frustriert die Augen zu. Ich bin aus ganzem Herzen für die Abschaffung der Sommerzeit. Aber bitte, bitte auch die Uhr eine Stunde zurückgedreht lassen. Mein Biorhythmus lässt sich nicht austricksen, er gewöhnt sich nicht an frühes Aufstehen, im Grunde immer vor der Zeit. Das Argument, längere Sommertage seien gut gegen Depressionen, kann ich entkräften. Die eine Stunde bringt mir nichts, entzündet keinen Funken in meinem Gehirn oder in meinem Herzen. Folglich ein Appell an alle Eulen: Versammelt euch und tragt den ganzen Unsinn der Zeitumstellung nach Athen.
Barbara Faustmann
Redakteurin in Limburg
Das Dilemma mit der Zeit
Erstmals wurde die Uhrzeit am 30. April 1916 im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn umgestellt. Hintergrund: ein Beschluss der Reichskanzlei, das Tageslicht in den Kriegszeiten in den Sommermonaten zu nutzen. Bald führten auch gegnerische Kriegsparteien die Sommerzeit ein. Nach Kriegsende wurde sie abgeschafft, und im Zweiten Weltkrieg wieder eingeführt, um 1950 wieder abgeschafft zu werden. 30 Jahre später, als eine Reaktion auf die Ölkrise der 1970-er Jahre, wurde sie erneut eingeführt. Seit 1996 ist die Sommerzeit in allen europäischen Ländern einheitlich geregelt. Die saisonale Zeitumstellung ist vor allem in Europa und Nordamerika verbreitet, weltweit ist sie jedoch auf dem Rückzug. Russland kehrte 2014 zur ganzjährigen Normalzeit zurück. Die Türkei erklärte 2016 die Sommerzeit zum Standard. In Israel gab es aufgrund der Gebets- und Fastentage die Entscheidung, die Uhren einfach immer am letzten Sonntag im Oktober umzustellen, so wie es in allen EU-Mitgliedsstaaten üblich ist. 384 Abgeordnete des EU-Parlaments stimmten aktuell für die Abschaffung der Sommerzeit und für eine Prüfung der Auswirkungen. 154 Abgeordnete sprachen sich dagegen aus. Kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass die Nachteile überwiegen, gibt es Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten. Laut EU-Richtlinie ist es untersagt, die Sommerzeit im Alleingang abzuschaffen, da dies handels- und reisetechnisch im Chaos enden würde. (fa)