Wird der konfessionelle Religionsunterricht in Niedersachsen bald abgelöst?
Evangelisch, katholisch oder zusammen christlich?
Bereits im Schuljahr 2023/2024 könnte der konfessionelle Religionsunterricht in Niedersachsen abgelöst werden durch den von beiden großen Kirchen gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht. Das dazu vorgelegte Positionspapier wird zurzeit kontrovers diskutiert.
In einem gemeinsamen Interview haben Jörg-Dieter Wächter (Leiter der Hauptabteilung Bildung des Bistums Hildesheim) und Kerstin Gäfken-Track (Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen) klargestellt, warum aus ihrer Sicht der christliche Religionsunterricht unausweichlich ist.
Beide betonen, dass es in Niedersachsen zwar noch keine Not für diesen Schritt der Zusammenlegung der beiden ordentlichen Schulfächer katholische und evangelische Religion gibt. Man wolle mit diesem Schritt aber vorbereitet sein auf „eine gesellschaftliche und demografische Entwicklung, die uns schon Sorgen bereitet“, begründet Wächter die Zusammenlegung. Er sieht darin gleichzeitig die Chance, „religiöse Bildung zukunftsfest“ zu machen. Nach dem konfessionell-kooperativen Religionsunterricht in den Grundschulen biete der christliche Religionsunterricht die Möglichkeit, beide Konfessionen kennenzulernen, denn auch bei ungetauften Schülerinnen und Schülern gebe es ein „ungebrochenes Interesse am Religionsunterricht“. Es könne auch immer weniger plausibel gemacht werden, „warum es unterschiedliche Konfessionen gibt, wo wir uns doch alle zu dem einen Christus-Zeugnis bekennen“, meint Kerstin Gäfken-Track.
Bei dieser neuen Form des Religionsunterrichtes setze man auf die guten Erfahrungen der überkonfessionellen Zusammenarbeit. Wie Wächter betont, habe man die großen Fragen nach den „ekklesiologischen Grundlagen“ in der konkreten Zusammenarbeit „genau so wenig thematisiert, wie das unsere Gemeinden machen, wenn sie gemeinsam einen sozialen Mittagstisch anbieten oder sich in Projekten für benachteiligte Familien engagieren“. Es gehe um die praktische Organisation „unseres christlichen Zeugnisses und nicht um die großen kirchenpolitischen Fragen“.
Man blende diese Fragen jedoch nicht aus, so Gäfken-Track, sondern beiden Konfessionen liege es am Herzen, den christlichen Glauben weiterzusagen und entsprechend zu handeln. „Da sind die Gemeinsamkeiten wirklich größer als das Trennende.“
Ob denn die Lehrkräfte auch befähigt seien, die Inhalte der jeweils anderen Konfession verständlich zu lehren? Dazu meint Gäfken-Track: „Ich würde von jeder Religionslehrkraft erwarten, dass sie das, was kirchliche Lehre der jeweiligen Konfession ist, angemessen darstellt. Erst dann kann und soll sie sich dazu persönlich verhalten und beispielsweise sagen, das Papstamt sehe ich, so wie ich die Bibel verstehe, nicht als zwingend notwendig an.“
Neben den staatlichen Qualifikationen – Hochschulabschluss und Referendariat – benötigen evangelische Lehrerinnen und Lehrer bisher eine sogenannte „Vocation“, eine Unterrichtsbestätigung der evangelischen Kirche, katholische Lehrkräfte die „Missio canonica“, die Unterrichtserlaubnis der katholischen Kirche. Hier müssten die Rahmenbedingungen geändert werden, stellt Wächter fest: „Über die Vokation und die Missio canonica gibt es unterschiedliche Zugangsbedingungen. Diese sollen für evangelische und katholische Religionslehrkräfte harmonisiert werden. Wir wollen die bisher mit der Missio canonica verbundenen relativ hohen Hürden, die formal immer noch gelten, modifizieren. Da sind wir im Gespräch, übrigens auch mit Rückendeckung der Bischöfe.“ (ed)
Das ganze Interview mit den Fragen von Lothar Veit und das Positionspapier zum christlichen Religionsunterricht finden Sie unter: