Bischof Georg Bätzing zu Ostern in dieser besonderen Lage

Experiment Ostern

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Wie ein Fest im Krisenmodus gelingen kann: Bischof Georg Bätzing beleuchtet ein Fest, das in diesem Jahr zu einer besonderen Herausforderung wird. „Mit dem Tod rechnen wir.“ Jetzt geht es darum, die Auferstehung zu erwarten in der Sicherheit: „Gott kämpft mit“. Von Bischof Georg Bätzing.


„Liebe findet sich nicht ab mit dem Tod“, schreibt Bischof Georg Bätzing.

Ostern findet statt, doch völlig anders als gewöhnlich. Wo sonst Besucherströme die Ostermärkte füllen – gähnende Leere. Die Partys der jungen Leute ab Donnerstagabend – in die Netzwerke verlegt. Kilometerlange Staus im Reiseverkehr entfallen, stattdessen freie Bahn für den Waren- und Lieferverkehr. Die ersten richtig prallen Wochenenden für Geschäftswelt und Gastronomie in diesem Frühjahr – ersatzlos gestrichen; schwere Zeiten für alle, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Nach anstrengenden Wochen im Arbeitsleben sonst sehnlichst erwartet – jetzt ein weiteres überlanges Wochenende. Familientreffen abgesagt. Besuch bei Großeltern und betagten Verwandten finden per Skype nur bescheidenen Ersatz. Erstkommunionfeiern auf unbestimmte Zeit verschoben, schwierig für die Kinder und die Familien. Pflegekräfte und Ärzte in den Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen leben an der Seite ihrer Klienten und Patienten seit Wochen im Dauerstress, und die kritischen Situationen nehmen zu. Kaum auszuhalten auch der Kontrast zwischen der Aufbruchstimmung im Frühlingserwachen und den massiv eingetrübten Zukunftserwartungen.

"Wir stellen uns um und lernen schnell"

Ostern, ganz anders als üblich. Das empfinden vor allem Christinnen und Christen. Für uns sind diese Tage zwischen dem Gründonnerstagabend und dem Morgen des Ostersonntags die wichtigste Zeit im Jahreslauf. Nach Weihnachten werden die Ostergottesdienste am besten besucht. Jetzt finden sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Gott sei Dank gibt es die Möglichkeit, über Radio, Fernsehen und Internet an den Feierlichkeiten teilzunehmen und Impulse zu bekommen. Aber was ist das schon für solche, die es gerade jetzt drängt, zusammenzukommen, aufmerksam der Leidensgeschichte Jesu zu folgen, mit der Osterbotschaft und dem Ostermahl der Eucharistie und anschließend beim gemeinsamen Osterfrühstück die Hoffnung zu feiern? In diesem Jahr stellt Ostern wirklich eine Herausforderung dar. Für alle. Sie könnte zur Chance werden, wenn es uns gelingt, uns umzustellen auch in dieser Hinsicht. Die letzten Wochen haben ja gezeigt, wie anpassungsfähig wir im Umgang mit der Krise sind. Wir stellen uns um und lernen schnell, uns anders ein- und auszurichten. Das macht mir wirklich Mut. Und ich wünsche uns Gläubigen, dass wir jetzt auch unser Ostern als ein Experiment im besten Sinn verstehen. Ostern mal ganz anders. Ostern, dorthin zurück verlegt, wo es hingehört, in den Alltag unter uns Menschen. Ob uns dieser Perspektivwechsel gelingt? Im Grunde ist er ganz einfach.

"Wer macht bei uns die Drecksarbeit?"

Bischof Georg Bätzing Foto: Bistum Limburg
Bischof Georg Bätzing
Foto: Bistum Limburg

Gründonnerstag, das ist ein besonderer Abend. Jesus zieht sich mit seinen Freunden in die Hausgemeinschaft zurück. Noch heute feiern die jüdischen Familien Pessach zu Hause am Tisch. In diesem Jahr geht es vielen so. Zuhause bleiben. Da bekommt das Essen miteinander am Tisch Bedeutung. Den Tisch herrichten, für die Gaben danken, einander wahrnehmen und zuhören, Zeit haben. Das biblische Bild dieses Abends ist eine gewöhnliche Szene. Vor dem Essen Hände waschen, und in der jüdischen Kultur Füße waschen. Knechtsarbeit. Wer dient und wer bedient, das ist festgelegt, Statusfrage. Jesus verstört, denn er dreht die Verhältnisse um. Ein Beispiel. Damit auch wir so handeln. Wer macht bei uns die Drecksarbeit? Wer dient – und was verdient er und sie? Ganz neue Perspektiven tun sich in dieser Krisenzeit auf, wer und was die „systemrelevanten“ Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind. Hoffentlich vergessen wir es nicht und verändern etwas im Bewerten von Dienst und Verdienst.

An Karfreitag wird die Leidensgeschichte Jesu gelesen, wie sie der Evangelist Johannes erzählt. Jesus leidet und stirbt. Er ist das Opfer eines ungerechten Urteils. Sündenböcke werden auch heute gesucht und gefunden. Einer wird schon schuld sein. Wer will aber verantwortlich gemacht werden? Jesus ist bereit dazu. Er nimmt die Schuld der vielen auf sich. Freiwillig. Johannes zeichnet es feinsinnig nach. Jesus beherrscht die Szene. Er bleibt souverän. Alle anderen spielen ihm gegenüber bloß Nebenrollen. Die Kraftquelle Jesu ist sein Gottvertrauen. Er setzt sein Leben ein – einer für alle. Ich las: „Dass sich die einen mehr nehmen als die anderen, nennt man in diesen Tagen ‚hamstern‘, und es ist verpönt. Dass sich die einen mehr nehmen als die anderen, nennt man sonst Marktwirtschaft, und es ist heilig.“ Was folgt daraus, dass Jesus in seiner Passion die Verhältnisse umkehrt. „Einer trage des anderen Last“ (Galaterbrief 6,2), heißt die Maxime einer neuen Gesellschaftsordnung im Reich Gottes.

"Seine schöpferische Kraft übersteigt die Macht des Todes"

Grabesstille ist schwer zu ertragen. In diesen Wochen wird sie uns zugemutet. Menschen müssen einsam sterben. Nur wenige stehen an ihren Gräbern. Unter den Bedingungen von Corona muten Bestattungen doppelt traurig an. Denn vielen bleibt es verwehrt, den Verstorbenen und ihren Angehörigen Respekt und Nähe zu schenken. In diesen Zeiten verstummen sogar die Diskussionen um ein Tanzverbot an stillen Tagen. Was zuletzt als aus der Zeit gefallene Gängelung freier Bürger attackiert wurde und nur schwer zu begründen schien, wird selbstverständlich eingehalten. Die meisten haben verstanden, dass der „shut down“, die radikale Beruhigung des öffentlichen Lebens, die Gefahren eindämmt, vor denen niemand sicher sein kann. Im christlichen Verständnis ist der Karsamstag Tag der Grabesruhe Christi. Er lenkt den Blick auch auf unsere Sterblichkeit. Der Tod gehört zum Leben. Wir sind verwundbar, verletzlich, endlich. Wir haben kein Recht auf Gesundheit und Unsterblichkeit. Zu wissen, dass Gottes Sohn bis in den Tod hinein mit uns solidarisch wurde, ist für mich unendlich tröstlich. Der erste Blick in ein frisches Grab ist immer schmerzvoll. Der zweite Blick ins Grab Jesu war für die Jüngerinnen und Jünger aber noch viel verstörender. Denn es war leer. Mit dem Tod rechnen wir. Auferstehung war nicht zu erwarten. Sie übersteigt das Menschenmögliche. Auch wenn der Frühling eine Ahnung vermittelt und die Liebe sich keinesfalls abfindet mit dem Tod: Auferstehung wird nur glauben können, wer dem Geheimnis Gottes traut. Gott kann unsere Grenzen weiten. Seine schöpferische Kraft übersteigt die Macht des Todes. Die Wissenschaftler, Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger und alle, die mit vereinten Kräften gegen das Virus kämpfen, dürfen gewiss sein: Gott kämpft mit. Denn er ist ein Freund des Lebens. Er liebt seine Schöpfung. Und er sucht Menschen, die mit ihm aufstehen gegen alle Ausbeutung und Bedrohung dieses Wunderwerkes. Darum ist Ostern das Fest der großen Hoffnung. In diesem Jahr zwar ganz anders, aber nicht weniger sinnvoll und schön. Frohe Ostern für Sie alle!

Bischof Georg Bätzing

 

Zitiert: Gebet in schwieriger Zeit

Bischof Georg Bätzing hat dieses Gebet in der Corona-Krise vorgeschlagen:

Allmächtiger gütiger Gott,
du bist der Schöpfer der Welt und
Herr über Leben und Tod.

In dieser Zeit der Unsicherheit und
Krankheit bitten wir um deinen
Schutz und Segen.

In deinem Sohn Jesus Christus
hast du uns gezeigt,
wie wir leben können,
ohne Angst,
sondern in Fürsorge um andere,
in der Hinwendung zu den Menschen
in Not und Ausgrenzung.
Durch sein Kreuz und
seine Auferstehung schenkst du uns
Hoffnung und neues Leben.

Wir beten
für alle Erkrankten – erbarme dich,
für alle im Gesundheitswesen –
erbarme dich,
für alle, die Versorgung,
Betreuung und
Sicherheit gewährleisten –
erbarme dich,
für die Entscheidungsträger in Politik
und Gesellschaft – erbarme dich,
für alle, die Angst haben und
verunsichert sind – erbarme dich,
für die Kinder – erbarme dich,
für die, die wirtschaftlich gefährdet
sind – erbarme dich,
für alle Menschen in anderen Ländern
– erbarme dich,

(hier haben weitere persönliche
Anliegen Platz) – erbarme dich,

für die Verstorbenen und die Trauernden
(namentliches Gebet für Verstorbene) – erbarme dich.

Auf die Fürsprache der
Gottesmutter Maria,
des Heiligen Georg,
der Heiligen Hildegard,
der Heiligen Katharina Kasper,
des Seligen Richard Henkes
und aller Heiligen bitten wir um deine
Hilfe. Wende uns dein Antlitz zu und
sei uns gnädig.

Darum bitten wir durch
Jesus Christus, unseren Bruder und 
Herrn, der in der Einheit des Heiligen
Geistes mit dir lebt und herrscht in
Ewigkeit. Amen.

Vater unser ...

Gegrüßet seist du, Maria ...