Der Bonifatiusbote: Ausgaben von 1893 bis 1936 digitalisiert und für alle verfügbar
Faszinierende Lektüre
Abbildungen: Bonifatiusbote; Digitalisate (hier aufgehellt dargestellt): Hochschul- und Landesbibliothek Fulda HLB
Vor 100 Jahren kostet der Bonifatiusbote pro Ausgabe 400 Mark. Die Inflation ist in vollem Gange: „Es geht nicht anders“, teilt die Kirchenzeitung zur Preiserhöhung im Mai mit: „Der Bonifatiusbote ist damit immer noch 100 bis 200 Mark billiger als alle anderen Sonntagsblätter, die er an Umfang und Inhalt übertrifft.“ Mit Selbstbewusstsein tritt das Sonntagsblatt auf: Es ist eine der ältesten Zeitungen Deutschlands überhaupt, zuerst erschienen 1893.
Leser Guido Schwab aus Hanau liest den aktuellen Bonifatiusboten, stöbert aber auch gern in den Ausgaben früherer Zeiten. Es sei ganz einfach, sagt er und wundert sich, dass die Lektüre der alten Ausgaben noch ein Geheimtipp zu sein scheint.
Auf FULDig, dem „Fuldaer Digitalisierungsserver der Hochschul- und Landesbibliothek“, sind 47 Jahresbände des Bonifatiusboten und Beilagen, von 1893 bis 1936, für jedermann kostenlos nachzulesen. Guido Schwab interessieren vor allem die alten Artikel über seine kirchliche Heimat: Hanau St. Josef. Hier fühlt er sich seit mehr als 60 Jahren zugehörig und hat mit Hilfe der Suchfunktion etliche Entdeckungen auf FULDig gemacht.
So hat Schwab schon für Publikationen und Ausstellungen in FULDig recherchiert. Für ihn ist es ein wenig traurig, dass St. Josef jetzt in Sankt Klara und Franziskus aufgegangen ist. Als geschichtsbegeisterter Mensch freut es ihn, dass die Geschichte seiner Heimatpfarrei im Bonifatiusboten aufgehoben ist. Was damals aktuell war, ist für ihn in der Rückschau spannend.
Aber auch andere Themen können heute interessieren. Die Hyperinflation des Jahres 1923 lässt sich im Bonifatiusboten jenes Jahres ablesen, nicht nur am Zeitungspreis, auch in den Anzeigen, im redaktionellen Teil und sogar in Witzen: Ein Brief soll 25 Mark kosten. Da müssten es fünf Briefmarken à fünf Mark sein. Das lehnt Fritzchen ab: „Soviel Spucke hab ich nich.“
Kirchenpolitik weltweit wie lokal spielt in den Ausgaben ihre Rolle. Am 10. Juni 1923 wird vermeldet, der Osservatore Romano, „das offiziöse Blatt der römischen Kurie“, habe den vollständigen Text des „Hirtenschreibens der deutschen Bischöfe zugunsten der in großer Notlage sich befindenden katholischen Presse Deutschlands“ gebracht. Die Lage sei „besorgniserregend für jene Blätter, die für einen Glauben und ein Ideal kämpfen“ heißt es. Da ähnelt die Situation vor 100 Jahren der jetzigen.
Bonifatiusbote 1923 – ein Spiegel der Hyperinflation
Amüsant trotz des ernsten Hintergrunds ist es zu lesen, wie der Hausfrau längst vergangener Zeiten im Bonifatiusboten „Sparsame Hausbäckerei“ anempfohlen wird: „Eine Reise nach Italien konnte man sich früher für den gleichen Markbetrag leisten, den jetzt ein paar Zitronen kosten.“ Die Lösung weiß der „Bonibote“ – Backöle: „Sie enthalten in konzentrierter Form die Seelen der Früchte.“ So weit einige Lesefrüchte aus dem Bonifatiusboten von vor 100 Jahren.
Warum hat man die Zeitung überhaupt digitalisiert? Die Antwort hat Nadine Hecht, wissenschaftliche Bibliothekarin, Historikerin und Kunsthistorikerin, die bei der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda für die historischen Sammlungen zuständig ist. Gerade historische regionale Zeitungsbestände sind oft gefragt und werden für wert befunden, digitalisiert zu werden. So werden sie einerseits erhalten und andererseits nutzbar für viele.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Der Bonifatiusbote gehörte zu den ersten Beständen der Hochschul- und Landesbibliothek, die seit 2013 digitalisiert wurden. Es war auch ein Wettlauf gegen den Zahn der Zeit: Die Fuldaer Bistumszeitung war seinerzeit wie anderes „Tagesschrifttum“ auf qualitativ minderwertigem Papier gedruckt worden, das sehr säurehaltig ist. Im Krieg war das Papier wegen des Rohstoffmangels noch viel schlechter. Schlechtes Papier jedoch vergilbt und kann sogar zerbröseln. So startete die Rettungsaktion: Zuerst war eine Entsäuerung der Zeitungsbände nötig, dann wurde jede Seite einzeln gescannt.
Für ein Digitalisat sind die zehn Jahre, die seit 2013 vergangen sind, ein hohes Alter: Heute könnte man es besser machen, erläutert Hecht, da sich die Technik weiterentwickelt hat. Heute kann eine Software Stichworte automatisch erkennen und verarbeiten, was für die Recherche ein weiterer großer Fortschritt ist.
Für Nadine Hecht liegen die Vorteile der digital nutzbaren Zeitungsseiten des Boniboten klar auf der Hand: „Von jedem Ort und zu jeder Zeit“ können Nutzer nun in den alten Ausgaben lesen, sie müssen sich nicht mehr in der Bibliothek anmelden, um Jahresbände einzusehen, sie können sich die Abschnitte, die sie lesen wollen, vergrößern. Es ist auch möglich, sich ein pdf ziehen zu lassen, das das Schriftstück originalgetreu wiedergibt.
Guido Schwab und andere interessiert, ob nicht auch die Bände ab 1945, als der Bonifatiusbote nach dem Krieg wieder erscheinen konnte, bald digitalisiert werden. Das ist eine Frage der Rechte der Autoren, die zu klären wäre und sehr aufwendig. Derzeit ist die weitere Digitalisierung unwahrscheinlich.