Die erste Pastoralreferentin im Bistum Mainz

Frau der ersten Stunde

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erste Pastoralreferentin im Bistum Mainz
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Annemarie Melcher, Pionierin

Pionierarbeit hat Annemarie Melcher (76) immer gereizt. Im Bistum Mainz war sie die erste Pastoralreferentin. 1972 trat sie ihre erste Stelle an der Katholischen Hochschulgemeinde in Mainz an – noch bevor der Beruf seinen Namen bekam. Von Maria Weißenberger

Sie fühlte sich als Angehörige der neu entstehenden Berufsgruppe und nannte sich schlicht „Assistentin an der KHG“ (Katholische Hochschulgemeinde). Dass 1973 der erste Arbeitsvertrag für einen Pastoralreferenten ausgestellt werden konnte, dazu hatte Annemarie Melcher eine Menge beigetragen.
Als sie in der Aufbruchstimmung, die das Zweite Vatikanische Konzil mit sich brachte, ihr Studium begann, ging die Aussicht für so genannte Laientheologen auf eine Arbeit im kirchlichen Dienst gegen Null. Sie gab der Verlockung der Theologie dennoch nach und entschied sich für ein Lehramtsstudium mit Geschichte als zweitem Fach. Als sie Ende der 1960-er Jahre zwei Semester in Münster/Westfalen studierte, war man dort gerade dabei, Profile für die Arbeit von „Laientheologen im Kirchendienst“ zu entwickeln. Ihr erster Gedanke: „So etwas brauchen wir auch in Mainz.“

Zurück an der Mainzer Universität, „pilgerte“ sie zum Bischöflichen Ordinariat und erzählte Domkapitular Hermann Berg von der Entwicklung im Bistum Münster. Er hatte schon von der Idee gehört, und „ich hatte das Gefühl, er war froh über den Anstoß“.
So kam es, dass die 25-jährige Studentin gemeinsam mit Berg und dem damaligen Regens Klaus Reinhardt ein Konzept für die neue Berufsgruppe erarbeitete. Und da es den Diplomstudiengang erst kurze Zeit gab, wurde der Einstieg zunächst auch mit Staatsexamen ermöglicht.
An der Mainzer KHG setzte die „Frau der ersten Stunde“ ihre Aufbauarbeit konsequent fort: „Mir lag daran, die neuen Berufsmöglichkeiten voranzutreiben“, sagt sie. Dass beide Hochschulseelsorger, Pfarrer Kurt Sohns und Oblatenpater Josef Krasenbrink, für die Aufbrüche in der Kirche aufgeschlossen waren, kam ihr dabei entgegen. So baute sie einen Kreis von Studierenden auf, die sich vorstellen konnten, in der Kirche zu arbeiten, und vermittelte ihnen unter anderem Praktikumsstellen in Gemeinden.

Ich konnte selbst verantworten, was ich tue. Annemarie Melcher

Anfangs waren es überwiegend Männer, die sich für den neuen Beruf interessierten – darunter nicht wenige, die gerne Priester geworden wären, aber auf eine Heirat nicht verzichten wollten. Um so erfreulicher für Annemarie Melcher, dass die Frauen heute in großer Zahl in der Berufsgruppe vertreten sind. 
Als sie 2011 in den Ruhestand ging, lagen 40 erfüllende Berufsjahre hinter ihr. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder und drei Jahren „Pause“ fand sie eine Stelle als Pastoralreferentin bei der Telefonseelsorge Darmstadt, die sie später leitete. Die Arbeit machte ihr viel Freude, sie hatte das Gefühl, in einer „guten Nische“ zu sein. Besonders reizvoll erlebte sie die Ausbildung von Ehrenamtlichen und die Zusammenarbeit mit ihnen. „So ein breites Spektrum hätte ich nirgendwo sonst gehabt. Und ich konnte selbst verantworten, was ich tue.“ 

Was sie immer wieder gestört hat, war das „Predigtverbot“ für die Laientheologen: „Ich finde es nicht in Ordnung, dass wir als Nichtgeweihte in einer Eucharistiefeier nach dem Evangelium offiziell nicht predigen dürfen.“ Gern erinnert sie sich an eine Predigt zur Telefonseelsorge, die sie einmal in St. Ludwig in Darmstadt gehalten hat. Der spätere Weihbischof Werner Guballa, der damals dort Pfarrer war, hatte sie dazu eingeladen. Und ohne Zögern ihre Bedingung akzeptiert, dass sie dies nur nach dem Evangelium tun würde. 
Die Lust an Aufbrüchen ist Annemarie Melcher auch im Ruhestand nicht vergangen. „Ein Leben zwischen Kaffeekränzchen und Bustouren ist nichts für mich“, darüber war sie sich von vornherein klar – und engagiert sich bis heute in der Darmstädter Kirche. Gern besucht sie Menschen und begleitet sie seelsorglich, etwa in Altenheimen.


Im Ruhestand für ein Jahr nach Tabgha ins Kloster


Zwei Jahre nach Renteneintritt brach sie nach Israel auf, um ein Jahr als Freiwillige des Benediktinerklosters in Tabgha am See Gennesaret zu leben und zu arbeiten. „Ich wollte mich bewusst auf Neues einlassen“, sagt sie. Sie betreute Gäste und führte seelsorgliche Gespräche, putzte auch mal die Zimmer oder reparierte ein Ordensgewand, sie war im Klosterladen tätig und kümmerte sich um junge Freiwillige. Und natürlich erkundete sie Land und Leute. Weitere zwei Jahre später zog es sie erneut nach Israel, diesmal wirkte sie in der Dormitio-Abtei der Benediktiner in Jerusalem im Klosterladen und in der Gästebetreuung mit. 
Aufbruchstimmung auch im Blick auf den Pastoralen Weg des Bistums in Richtung Zukunft? „Christliches Leben vor Ort“, ist Annemarie Melcher überzeugt, „wird mehr und mehr in kleinen Kreisen stattfinden, auch ökumenisch. Und dazu brauchen wir private Initiativen, denn die Hauptamtlichen werden weniger und die Flächen größer.“ Vor einiger Zeit hat sie einen Bibelkreis gegründet, der sich in ihrem Wohnzimmer trifft. „Wenn andere in meiner Umgebung solche Hauskreise aufbauen wollen, unterstütze ich sie dabei gern.“ 
Die Kirche muss sich bewegen. Annemarie Melcher bewegt sie  – und sich – mit. 

Von Maria Weißenberger

Videos zum Jubiläum der Berufsgruppe der Pastoralreferentinnen und- referenten auf: 

https://bistummainz.de/berufe/beruf-ausbildung/pastoralreferent

Stichpunkt „Beruf(ungs)zeugnisse von Pastoralreferenten/-innen“