Erst 1648 schwiegen endlich die Waffen, der Dreißigjährige Krieg war endlich beendet.
Frieden nach 30 Jahren Gemetzel
Drei Jahrzehnte hofften die Menschen vergeblich auf Frieden. Erst 1648 schwiegen endlich die Waffen, der Dreißigjährige Krieg war endlich beendet. Doch durch die Folgen wurde Deutschland komplett umgekrempelt – nicht nur, weil die Bevölkerung völlig dezimiert war.
Am 24. Oktober 1648 war die Schlächterei endlich zu Ende. Im Namen des Kaisers Ferdinand III., des Königs Ludwig XIV. von Frankreich und der Königin Christina von Schweden unterzeichneten die Bevollmächtigten in Münster und Osnabrück die fünf Jahre lang verhandelten Verträge. Die Feinheiten wurden dann noch bis zum Juli 1650 verhandelt. Aber die Waffen schwiegen.
Schon lange hatten die einfachen Menschen auf Frieden gehofft. Wie verzweifelt die immer wieder Enttäuschten waren, wird deutlich im Gedicht „Tränen des Vaterlandes“ des schlesischen Dichters Andreas Gryphius. Er schrieb es im Jahr 1636:
Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß, und Fleiß, und Vorrat aufgezehret.
Die Türme stehn in Glut, die Kirch‘ ist umgekehret.
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd‘t, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret.
Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen.
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot,
Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.
Als zwölf Jahre nach diesem Gedicht der Friede endlich da war, lag das Deutsche Reich am Boden. Die Schweiz und die Niederlande schieden aus dem Reichsverband aus. Frankreich gewann das Elsass, Lothringen und alle auf diesem Gebiet liegenden Reichsstädte. Schweden bekam die Bistümer Bremen und Verden, Vorpommern, die Insel Rügen, die mecklenburgische Stadt Wismar, die rechte Odermündung, Stimmrecht im Deutschen Reichstag und fünf Millionen Taler Reparationen. Der Immerwährende Reichstag zu Regensburg war handlungsunfähig, weil er Belange, die alle Reichsstände betrafen, nur einstimmig treffen durfte. Die Fürsten aber durften mit ausländischen Mächten Verträge abschließen. Das Reich als Ganzes war gelähmt.
Die Bevölkerungszahl im Deutschen Reich war von 16 Millionen im Jahr 1618 auf 10 Millionen im Jahr 1648 geschrumpft. Es dauerte drei Generationen, bis die Verluste in der Mitte des 18. Jahrhunderts ausgeglichen waren. Magdeburg, das vor dem Dreißigjährigen Krieg eine prächtige reiche Stadt mit 31000 Einwohnern war, hatte im Jahr 1639 nur noch 450 Einwohner und erreichte seine einstige Bedeutung nie wieder. Unter den Überlebenden des Krieges waren viele Krüppel, Waisen und Menschen, die keinen zivilen Beruf mehr erlernt hatten. Räuberbanden aus entlassenen Soldaten machten das Land unsicher. Mit kleinen stehenden Heeren, Soldaten, die auch in Friedenszeiten unter Waffen gehalten werden, konnten die Fürsten der Banden allmählich Herr werden.
Am Ende wird Europa von Frankreich dominiert
Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, Spanien und der Papst sind nach dem Westfälischen Frieden als europäische Machtfaktoren ausgeschieden. Europa wird nun vom zentralistisch regierten Frankreich dominiert. Die deutschen Fürsten versuchen, dem nachzueifern. Französische Kultur ist maßgebend. Deutsche Dichter und Opernkomponisten verlegen in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg die Orte ihrer Romane und Opern in die Antike, nach Frankreich oder Italien. Deutschland ist ihnen zu trist.
Aber es gibt auch etwas Positives: Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation herrscht nach dem Dreißigjährigen Krieg eine religiöse Toleranz, wie sie in dieser Zeit beispielhaft ist. Die Religionszugehörigkeit der Territorien wurde mit dem Stichtag des 1. Januar 1624 festgeschrieben und bestimmte im wesentlichen die Konfessionsgrenzen innerhalb Deutschlands bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Doch zusätzlich gab es eine Vielzahl von Toleranzregelungen.
So lösten in Osnabrück der katholische Bischof und der lutherische Rat der Stadt einander alle 30 Jahre in der Regierung der Stadt ab. Gemischtkonfessionelle Reichsstädte waren und blieben Augsburg, Biberach an der Riß, Ravensburg, Dinkelsbühl, Leutkirch und Kaufbeuren. In Sachsen brachte die Konversion des Sächsischen Königs August II. (Der Starke) im Jahr 1797 und der Erwerb der polnischen Königskrone auch den Katholiken in Sachsen die freie Religionsausübung.
Weiter im Norden gibt es auch wieder Ausnahmen von den religiös geschlossenen Territorien: „privilegierte“ katholische Gemeinden, die dort inmitten von rein evangelischer Umgebung existieren dürfen. Das sind Altona, Friedrichstadt, Glückstadt und „St. Theresia“ auf Nordstrand. Das protestantische Gegenstück zu den „privilegierten“ katholischen Gemeinden gibt es in Schlesien: die drei „Friedenskirchen“ in Jauer, Schweidnitz und Glogau.
Geradezu ein Beispiel für Toleranz ist Hildesheim. Schon 1643 hatte sich das Stift Hildesheim mit den Herzögen zu Braunschweig-Lüneburg im „Hildesheimer Hauptrezess“ auf die Rückgabe des in der Hildesheimer Stiftsfehde verlorenen „Großen Stiftes“ an das Stift Hildesheim geeinigt. So regierten die katholischen Bischöfe von Hildesheim in Folge über Untertanen, die zu 90 Prozent evangelisch waren. Daran ließ sich auch nach dem Westfälischen Frieden nicht rütteln, weil die religiöse Zuschreibung der Orte mit dem 1. Januar 1624 feststand.
Wie an vielen anderen Orten gab es auch in Hildesheim schon vor dem Dreißigjährigen Krieg eine Simultankirche, sowohl von Katholiken wie Protestanten genutzt. Es ist die Michaeliskirche, ein ottonischer vorromanischer Kirchenbau, dessen Gesamtbau im Jahr 1033 durch Bischof Godehard geweiht worden war. Seit im Jahr 1542 in Hildesheim die Reformation eingeführt wurde, ist die Michaeliskirche selbst evangelisch, die Krypta und die Sakristei jedoch bis auf den heutigen Tag katholisch. Das Verhältnis der Konfessionen war auf beiden Seiten nicht vom Geist christlicher Nächstenliebe geprägt. Von protestantischer Seite wurde in die Trennwand zur Sakristei ein Schlitz gesägt, um kontrollieren zu können, was die Katholiken dahinter wohl trieben. Und glücklich waren beide Seiten mit der Situation einer Simultankirche jahrhundertelang nicht. Sie ließen sie regelrecht verfallen, was manche zeitgenössischen Beobachter bedauerten. Im 19. Jahrhundert wurde sie sogar profaniert und als Irrenhaus genutzt. Dann wurde sie restauriert, und heute sind evangelische und katholische Kirche froh über diese Kirche. Sie ist eine von 65 Simultankirchen, die es in Deutschland noch gibt.
Das Grauen brachte die Menschen zur Vernunft
Die Toleranz nach dem Dreißigjährigen Krieg erscheint heute gering. Hinter ihr stand auch kein Geist der Ökumene. Es war allein das Grauen der Vergangenheit, das keine Seite wieder erleben wollte. Für Menschen jener Zeit, die außerhalb Deutschlands bei einem Konfessionswechsel nur unter Lebensgefahr in ein entferntes Land mit fremder Sprache fliehen konnten, bedeutete diese religiöse Toleranz innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aber viel.
Bedeutendste Persönlichkeit unter den Konvertiten dieser Zeit ist die Königin Christina von Schweden (1626–1689). Sie hatte zu den Unterzeichnern des Westfälischen Friedens von 1648 gehört. Die Tochter Gustav Adolfs, des Anführers der protestantischen Seite im Dreißigjährigen Krieg, der 1632 in der Schlacht bei Lützen gefallen war, konvertierte am Heiligen Abend 1654 in Brüssel. Zuvor hatte sie zugunsten ihres Cousins Karl Gustav von Zweibrücken-Kleeburg auf ihren Thron verzichtet. Der Sarkophag der schwedischen Königin steht im Petersdom in Rom.
Tillo Nestmann