Klösterreise: Bei den Benediktinerinnen in Fulda
Gebet als Pfeiler der Tradition
Foto: Abtei Fulda/ Christian Tech
Die Lebensform der Fuldaer Benediktinerinnen ist alt. Die Ordensfrauen richten sich nach der Regel des Benedikt von Nursia: Gebet und Arbeit allein in dem Kloster, wo das Ordensgelübde abgelegt wurde. Zurückgezogenheit gehört dazu. Gebäudeteile der Abtei St. Maria bestehen bereits seit vier Jahrhunderten. „Die Räume sind sehr geprägt von denen, die hier vor uns gelebt haben“, sagt Äbtissin Benedikta Krantz. Wenn sie die Steintreppen mit den ausgetretenen Stufen betrete, frage sie sich oft selbst: „Wer ist in all den Jahren darauf unterwegs gewesen?“
Mehr Arbeit auf weniger Schultern verteilt
Wichtig für das Leben in der Abtei Fulda war und ist das Chorgebet. „Früher hatten wir hier sieben Gebetszeiten, heute sind es vier, mit der Eucharistie fünf“, berichtet die Äbtissin. Die ehemalige Terz gegen neun Uhr, die Sext zu Mittag und die Non am Nachmittag wurden zum Mittagsgebet zusammengefasst, um dem modernen Leben gerecht werden zu können. Und auch, weil inzwischen mehr Arbeit auf weniger Schultern verteilt werden muss.
Den Fuldaer Benediktinerinnen bedeutet ihr Beten für das Heil in der Welt einen Dienst in der Kirche. Eine bewusst zurückgenommene Form, zu leben. „Darf man sich das leisten?“, sei eine Frage, die Benedikta Krantz sich schon gestellt hat. „Es ist wichtig, dass ihr das tut, damit das Gebet in der Welt ist!“ Diese ungewöhnliche Antwort habe einmal ein Naturwissenschaftler als Gast im Kloster gegeben. Seiner Ansicht nach veränderten bereits die Schallwellen von Gesang und Gebet im Kloster die Welt nach außen.
An „Andersorten“ kann man Gott ungestört begegnen
Schwester Benedikta hält sich mit einem Erklärungsversuch eher an die Poesie von Silja Walter, die Benediktinerin und Schriftstellerin in der Schweiz war: „Jemand muss zuhause sein, Herr, wenn du kommst. Jemand muss dich erwarten ...“ Fuldas Äbtissin unterstreicht: „Das Gebet ist ein wichtiger Pfeiler unserer Tradition. Das war schon immer so.“ Klöster seien seit je her die „Andersorte“. Dort könne man Gott ungestört begegnen.
Bei der Kleidung der Fuldaer Benediktinerinnen änderte sich die Tradition vor gut einem Jahr. Sie experimentierten mit der Vereinfachung. Ganz abgelegt wurden die Haube, die das Haar komplett bedeckt, und der Schleier darüber. Warum? „Das ist und war ein Chorgewand, keines für die Arbeit und für den Alltag“, erläutert die Äbtissin. Ein Habit zum ungestörten Gebet. Aber eines mit wenig Bewegungsfreiheit. Der Aufbau auf dem Kopf beeinflusse Gang und Haltung unnatürlich. Man höre schlechter. Heiße Tagestemperaturen täten der Trägerin nicht gut. Auch der Blickwinkel sei eingeengt: „Beim Autofahren ganz schlecht!“ Benedikta Krantz: „Wir mussten diese Tradition aufgeben, weil sie uns nicht gut getan hat.“ So sehr die Schwestern ihr Chorgewand schätzten – es passe nicht mehr in die heutige Lebenssituation: „Wir sind inzwischen mehr draußen als früher.“ Und schließlich gehe es bei der Glaubwürdigkeit einer Nonne nicht um das Gewand, sondern um die Person.
Fragen der Zukunft werden gemeinsam entschieden
Die Fundamente, welche die Abtei Fulda heute noch tragen, habe überwiegend die vorletzte Generation gelegt, sagt Benedikta Krantz. Unter Maura Lilia, Fuldaer Äbtissin von 1939 bis 1977, habe es viele richtungsweisende Entscheidungen gegeben. So sei gezielt die künstlerische Begabung von Schwester Lioba Munz gefördert worden, die in Fulda ein Atelier für Email- und Goldschmiedearbeiten aufbaute. „Als Künstlerin hatte sie eine sehr große Wirkung nach außen und entsprechend viele Freiheiten“, sagt die heutige Äbtissin: „Danach ist die Öffnung auch leichter gewesen für die anderen Schwestern.“
Alleinstellungsmerkmal in der Abtei Fulda ist seit Jahrzehnten der biologische Gartenbau: „Bio ist bei uns Tradition. Als noch keiner grün gelebt und gegessen hat, war das hier schon so.“
Und eine überlieferte Gepflogenheit bleibt weiterhin, bei den Mahlzeiten nicht zu sprechen. Nach altem Brauch gibt es eine Tischleserin. Mittags hören die Schwestern Literatur, abends etwas Geistliches.
Sie reden trotzdem viel miteinander. „Die große Chance einer kleinen Kommunität ist es, alle Dinge gemeinsam besprechen zu können“, hält die Äbtissin fest. „Die Fragen der Zukunft werden auch gemeinsam entschieden. Das ist ein ganz schöner Schritt nach vorn.“ Als Schwester Benedikta, Jahrgang 1953, mit 36 Jahren in die Abtei eintrat, gab es noch 40 Nonnen. Heute umfasst die Gemeinschaft der Fuldaer Benediktinerinnen 13 Schwestern im Alter zwischen
39 und 89 Jahren. Drei davon werden gepflegt. Die Äbtissin: „Bis jetzt haben wir keinen Pflegedienst, das machen wir selbst.“ Für die alten und kranken Mitschwestern gibt es seit 2007 ein eigenes Pflegehaus nach aktuellen Erfordernissen.
Willkommen zu den regelmäßigen Gottesdiensten im Kloster ist jede(r). Zum Stundengebet an Wochentagen um 7.30 Uhr, 11.45 Uhr, 17.30 Uhr und 19.30 Uhr (dienstags und donnerstags erst 19.45 Uhr). Sonntags und an Tagen mit Eucharistiefeier (7.30 Uhr oder 8 Uhr) beginnt das Morgenlob schon um 6 Uhr.
Zur Sache: Teilhabe am Klosterleben
Anfang des 17. Jahrhunderts wurde die Abtei St. Maria in Fulda in der Tradition eines mittelalterlichen Klosters errichtet. Bis heute ist die von einer Mauer umgebene Anlage in ihrer ursprünglichen Substanz erhalten und durchgehend bewohnt. Die Fuldaer Benediktinerinnen erwirtschaften einen Großteil für ein einfaches Leben selbst in verschiedenen Arbeitsbereichen. Als „Schnittstellen“ nach außen dienen die Klosterpforte, das Gästehaus und der Klosterladen. Die Schwestern wollen ansprechbar sein, auch für Menschen, die normalerweise keinen Kontakt zu Klöstern haben.
Interesse an der benediktinischen Lebensform ist noch immer da. Im Unterschied zu früher, als oft junge Frauen sich auf Lebenszeit an das Kloster banden, kommt heute eher die reifere Generation. Der Gemeinschaft selbst ist eine abgeschlossene Berufsausbildung und einige Lebenserfahrung bei den Interessentinnen wichtig. Sogenannte Klaustraloblatinnen leben dauerhaft im Kloster, indem sie zivilrechtliche Verträge über beiderseitige Verpflichtungen abschließen. Gelübde bestehen nicht.
Dann gibt es noch die Oblaten: Frauen und Männer – verheiratet und unverheiratet –, die mitten in der Welt leben und sich durch ein Versprechen dem Kloster anschließen, um an dessen Gebet und Auftrag teilzuhaben. Eine Herausforderung für die Zukunft wird sein, weitere neue Formen zu finden. Speziell für Menschen, „die mit und bei uns leben und die von keinem Gelübde auf Lebenszeit gebunden sind“, wie es Äbtissin Benedikta Krantz formuliert. Sie wünscht sich Erfindungsreichtum. Denkbar seien vielleicht sogar Wohneinheiten für „Paare, Familien und Einzelne, die an unserem Leben partizipieren wollen und sich nach einer bestimmten Zeit auch wieder verabschieden“. (ez)