Radio, Fernsehen oder Internet – heilige Messe mitfeiern

Gemeinschaft erfahrbar machen

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Radio, Fernsehen oder Internet – vielerorts wird in diesen Corona-Zeiten nach Möglichkeiten gesucht, die heilige Messe mitzufeiern. Der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann hat dazu einige Anmerkungen.

Die Mitfeier eines Gottesdienstes über Radio, TV, Internet – ist da überhaupt eine aktive Mitfeier der Messe möglich?
 

Eine Messfeier, die medial vermittelt wird, kann immer nur eine Notlösung sein. Für viele Menschen, die sonntags nicht unmittelbar, körperlich anwesend, eine Messe feiern können, ist das ein guter Weg, um sich das Wort Gottes verkünden zu lassen, mitzubeten und mitzusingen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu erfahren – und vielleicht später die Kommunion aus der eigenen Gemeinde gebracht zu bekommen. Das ist eine lange, immer wieder diskutierte Praxis. Es gibt Pro und Contra. In Zeiten, in denen für viele virtuelle Gemeinschaft im Internet vertraut ist, kann man das anders und offener diskutieren als noch vor Jahrzehnten.

Benedikt Kranemann    Foto: Universität Erfurt

Dennoch: Die reale Feier vor Ort ist mit Blick auf Zeichen, Kommunikation, Miteinander das Eigentliche. Nun befindet sich unsere Gesellschaft gerade angesichts der Corona-Krise in einer völligen Ausnahmesituation. Da greift all das, was für Radio- oder Fernsehgottesdienste spricht. In einer Zeit, in der die große Sorge ist, dass Menschen schlicht verzweifeln, und in der man ihnen Hoffnung zusprechen will, gewinnen solche Übertragungen besondere Bedeutung. Das gilt auch für all das, was jetzt per Internet an Anregungen für Gebet und Besinnung weitergegeben wird.
 

Die Eucharistie ist Quelle und Höhepunkt, sagt das Zweite Vatikanische Konzil. Wie kann ich das feiern, wenn es keine Möglichkeit zum Kommunizieren gibt?
 

Ja, aber das Konzil sagt auch, dass die Liturgie schlechthin Höhepunkt und Quelle kirchlichen Tuns ist. Die Eucharistie hat einen besonderen Stellenwert, das kann nicht bestritten werden – und den bringt natürlich das Konzil zum Ausdruck. Die Kirche begreift sich ja sehr stark von der Eucharistie her. Allerdings macht die jetzige Krise erneut darauf aufmerksam, und die Liturgiewissenschaft weist schon lange darauf hin, dass beispielsweise Wortgottesdienste in den letzten Jahrzehnten vielerorts zu wenig Beachtung gefunden haben. Wenn Liturgie – jetzt zitiere ich noch einmal das Konzil – „Heiligung“ des Menschen und „Verherrlichung“ Gottes bedeutet, geschieht das in vielen Liturgien. Da kann man auch etwa Laudes, Vesper und kleinere Formen des Wortgottesdienstes nennen.
Aber zurück zur Eucharistie: Wir denken die Eucharistie aus guten Gründen vom österlichen Mahl her. Die Kommunion ist dann Teil dieser Liturgie, und sie ist eine besonders dichte Weise der Christusnähe. Es gibt jedoch immer wieder Menschen, die nicht kommunizieren, aber offensichtlich mit Gewinn an der Messe teilnehmen. Sie tragen das Geschehen dann innerlich mit. In der jetzigen Situation wird das für viele die einzige Möglichkeit sein. Nicht das Optimale, aber unter den Bedingungen der aktuellen Pandemie geboten. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat das eucharistische Fasten ins Spiel gebracht: Man verzichtet eine Zeit bewusst, um dann umso intensiver zu kommunizieren. Das mag manchem fremd klingen, könnte aber gerade in der Fastenzeit einen besonderen Akzent setzen.
 

Was raten Sie Seelsorgern, die eine solche Messe quasi stellvertretend für die vielen Nichtanwesenden feiern wollen?
 

Ich bleibe dabei, dass wir nicht das unterlaufen sollten, was wir sonst für die Messfeier erwarten: Eine noch so kleine Gemeinde sollte beteiligt werden – Lektor, vielleicht Kantor, vielleicht Ministrant –, um den Gedanken der Mahlgemeinschaft, der schon biblisch so wichtig ist, zur Erfahrung zu bringen. In einer Zeit, in der mancher wirklich ganz auf sich gestellt ist, kann das vielleicht ein besonderer Trost sein, ein Stück Gemeinschaft im Glauben zu sehen und zu erfahren. Und wir sollten, wie mir ein Benediktiner schrieb, als Teil der Weltkirche auch nicht vergessen, dass Christen in anderen Teilen der Erde schon seit Langem erfahren, dass sie keine Eucharistie feiern können. Man sagt nichts gegen die Messfeier, wenn man darauf hinweist, dass es – übrigens nicht nur jetzt – auch andere Formen gibt, um Gottesdienst zu feiern.
 

Braucht oder gibt es für diese Situation neue Hauskirchen-taugliche liturgische Feiern?
 

Bei Hosea (10,12) liest man „Nehmt Neuland unter den Pflug. Es ist Zeit, den Herrn zu suchen.“ Es ist erstaunlich, wie viel Kreativität für Liturgie und Seelsorge es im Moment der Corona-Krise gibt. Viele einzelne Seelsorgerinnen und Seelsorger haben kleine geistliche Impulse und Texte für Hausgottesdienste zusammengestellt. Die Jesuiten haben per Mail eine „Ignatianische Nachbarschaftshilfe“ gestartet. Der kleine Augustinerkonvent in Erfurt hat via Facebook eine Art Bibelteilen am Sonntag organisiert. Ordensgemeinschaften laden zur Teilnahme am Stundengebet ein. In Halle wurde ein ökumenischer interaktiver Online-Gottesdienst angeboten. Mancherorts versammelt man in Pfarr- und Domkirchen ganz kleine Gemeinden und lädt andere ein, sich mit diesem Wortgottesdienst- oder dieser Eucharistiefeier zu verbinden.
Es ist immens, was man an Initiativen beobachten kann, wo man zur Beteiligung eingeladen wird. Vieles davon ist innovativ, oft theologisch sehr reflektiert. Vielleicht erleben wir gerade, welche spirituellen und liturgischen Kompetenzen es in unserem Land gibt, die bislang zu wenig wahrgenommen worden sind. Dahinter steckt ein unglaubliches Engagement, das vielen in diesen Zeiten Kraft und Hoffnung und vor allem auch den Eindruck gibt, nicht allein zu sein.
Die Frage wird sein, wie das, wenn diese Krise denn überwunden ist, bewahrt werden kann. Wenn vom Glaubenssinn des Volkes Gottes gesprochen wird – hier kann man ihn in ganzer Vielfalt beobachten. Und man kann sehr gut sehen, welche Vielfalt an Formen des Gottesdienstes lebt, wenn man den Raum dafür öffnet.
Das macht gegen alle Krisen dieser Tage Hoffnung, dass in der Kirche Neues beginnen kann. Die Energie dafür ist da. Es ist gut, dass sie sich in dieser Zeit frei entfalten kann und dass vieles möglich und sichtbar wird, mit dem man sonst kaum rechnet.

Fragen: Guido Erbrich und Matthias Holluba

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