Das zweite Weihnachten in der Pandemie

Getrübte Stimmung und frohe Botschaft

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Normalerweise scheinen die Schrecken der Welt zur Weihnachtszeit für ein paar Tage weit weg. Doch die Corona-Pandemie zeigt: So einfach ist das nicht. Nun steht das zweite Weihnachten in dieser Zeit an.


Licht ins Dunkel: Die Weihnachtsbotschaft kann uns in diesen Tagen helfen. Foto: imago/Future Image

Glühwein auf den Adventsmärkten mit Freunden, heißer Tee und Kerzen in der gut geheizten Wohnung - die Vorweihnachtszeit verbinden wir mit der behaglichen Nestwärme unserer Kindheit und mit Familienidylle. Das traute Heim wird gerade jetzt zum Rückzugsort vor der Welt da draußen. Letztlich ähnelt sein Ambiente dem Stall von Bethlehem: Das Licht der Laterne über der Krippe setzt den Kontrapunkt zur Finsternis da draußen, in der Verfolgung und Bedrohung lauern.

Die Katastrophennachrichten, die uns sonst täglich in Angst und Schrecken versetzen, scheinen in dieser Zeit wundersam entrückt - wie hinter einer mit Eisblumen bedeckten Glasscheibe. Die Älteren könnten sie noch aus der Zeit kennen, als die Klimaerwärmung nicht so weit fortgeschritten war und es noch keine Thermofenster gab.

Wir betrachten alles in diesen Tagen in einem milderen Licht: Selbst wenn der Briefkasten überquillt von Spendenaufrufen karitativer Einrichtungen, nehmen wir an dieser Geschäftigkeit keinen Anstoß. Man denkt: Solange sich die sozialen Miseren dieser Welt noch mit einem Banküberweisungsformular lindern lassen, will ich es mir gefallen lassen. Ein gutes Gewissen trübt nicht die Stimmung.

Neuer Rückschlag nach zögerlicher Rückkehr in die Normalität

Dass wir jedoch auch in dieser beschaulichen Zeit nicht wirklich von den Krisen verschont bleiben, wurde uns spätestens mit dem ersten Weihnachten in der Pandemie bewusst. Das war 2020. Es gab im Advent weder Weihnachtsfeiern noch Konzerte; auch christliche Messen fanden nur im virtuellen Raum als Netzübertragung statt. Und was das Schlimmste war: Die Menschen konnten in dieser Zeit, wo doch menschliche Nähe besonders wichtig ist, nicht zueinanderkommen.

Es gibt - so spürten alle - ein Väterchen Frost der Seele, der nicht so gemütlich daherkommt wie in der russischen Kultur. Vielmehr beißt er sich fest in unserem Gemüt und nagt und nagt: dann etwa, wenn uns der Lockdown in die Isolation zwingt oder wir einen Corona-Toten betrauern müssen. Im Kopf blieb der Schalter noch länger umgelegt, als die staatlich verordneten Maßnahmen dauerten. Unsicher und zögerlich setzten wir langsam wieder einen Fuß vor den anderen in die wiedergewonnenen Freiheiten - wissend, dass wir uns auf schwankendem Boden bewegen. Und nun kommt ein neuer Rückschlag.

Jetzt kann es geschehen, dass die vierte Welle trotz höherer Impfquote ähnlich viele Tote nach sich zieht wie zu Spitzenzeiten der Pandemie. Kommt wieder eine Regelung, die vereitelt, dass wir Weihnachten zusammen feiern können?

Zudem müssen wir uns nun mit den drastischen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie herumschlagen. Wie teuer wird das Geschenkpapier, wenn die Preise seit Jahresbeginn um 70 Prozent gestiegen sind, wegen Rohstoffmangel und knapp gewordener Produktionskapazitäten? Können wir die wohlige Wärme unserer Wohnung genießen, wenn wir wissen, dass sich die Kosten für Gas, Kohle und Öl vervielfacht haben und weiter steigen werden, während die Kaufkraft wegen der gestiegenen Inflationsrate schwindet? Wie wird wohl die Stimmung unterm Weihnachtsbaum sein, wenn das neueste technologische Gerät, ohne das es sich offenbar nicht mehr zu leben lohnt, nicht geliefert wird, weil die Halbleiterproduktion ins Stocken geraten ist?

Gerade jetzt: Die Botschaft von Weihnachten nicht vergessen

Unter solch düsteren Vorzeichen erhält die Redewendung "Zieht euch warm an" eine neue, unmittelbare Bedeutung. Können wir unsere Sehnsucht nach der beschaulichen Zeit durch Eskapismus retten, die Wirklichkeit vergessen? Weltflucht wird zunehmend schwerer, je mehr die Realität über die verschiedensten Kanäle in unsere Privatsphäre dringt. Weihnachtsgefühle lassen sich unter derart erschwerten Bedingungen nicht mehr so einfach herstellen.

Aber dennoch stellen sie sich bei vielen Menschen dann doch immer wieder ein - oft ganz unvermutet, wie von selbst. Sie genießen in dieser Zeit weder Erlebniswelt noch Wohlfühlambiente. Sie freuen sich an der Geburt des Herrn. Friedrich von Bodelschwingh drückte das so aus: "Das ist das Wunder der Heiligen Nacht, dass in die Dunkelheit der Erde die helle Sonne scheint."

kna/Andreas Öhler