Anfrage
Gibt es verbotene Evangelien?
Gibt es tatsächlich verbotene Evangelien von Maria Magdalena oder Judas? Was ist der Hintergrund? Warum sind sie nicht Teil der Bibel? M. K., Hamburg
Es gibt Evangelien, die etwa unter den Namen von Maria (wahrscheinlich ist Maria Magdalena gemeint), Judas, der Apostel Matthias, Thomas oder Petrus verfasst wurden. Sie sind nicht geheim und nicht verboten zu lesen, gehören aber nicht zum Neuen Testament. Man nennt sie apokryph (= verborgen) im Gegensatz zu den vier kanonischen (= maßgeblichen) Evangelien.
Es gab also nicht nur vier Evangelientexte. Warum diese allein in die Heilige Schrift gelangten, kann man nicht exakt sagen. Ein Grund dafür dürften etwa ihr hohes Alter sein. Das Markus-Evangelium lag bereits 70 n. Chr. schriftlich vor, ist somit ein sehr altes Evangelium. Und schon um 150 n. Chr. war die auch heute noch gültige Vier-Evangelien-Sammlung in vielen Gemeinden eine feste Größe in den Gottesdiensten, auch wenn sie da und dort noch fortgeschrieben und erweitert wurde. Offensichtlich wurde diesen vier Berichten von Jesus schlicht am meisten vertraut.
Dagegen sind apokryphe Evangelien oft deutlich jünger und haben bestimmte Interessen, die in den anderen Evangelien oder der Entwicklung des frühen Christentums nicht berücksichtigt wurden. So versammelt das Kindheitsevangelium des Thomas (um 200) wunderbare Episoden aus den ersten Lebensjahren Jesu, die uns eher abstrus erscheinen. So bringt Jesus dort einen Jungen um, der ihn ärgert, oder verlängert in Josefs Werkstatt wundersam ein zu kurz geratenes Brett.
Das um 150 verfasste Evangelium der Maria zeigt einen auf Maria eifersüchtigen Petrus und wirbt um Leitungspositionen für Frauen in der frühen Kirche. Und das etwa gleich alte Judas-Evangelium weiß von einer begriffsstutzigen Apostelschar. Einzig Judas versteht Jesus wirklich und hilft ihm schließlich durch seinen Verrat, sich am Kreuz zu opfern, um seine Seele vom Körper zu befreien. Da dieser Gedanke zur Lehre der Gnosis gehört, sich aber mit christlichem Gedankengut nicht verträgt, konnte er nicht Teil der biblischen Schriften werden.
Von Christoph Buysch