Porträt: Carolin Hillenbrand

Glaube, Liebe, Wein

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Was hat Gott mit mir vor? Das hat sich Carolin Hillenbrand schon mit 15 gefragt. Mit 27 weiß sie: Es können sehr verschiedene Dinge sein: Mal schickt er sie ins Ausland, mal in die Uni und mal auf Weinfeste.

Die Weinprizessin Carolin Hillenbrand hält ein Weinglas in der Hand.
Als Weinprinzessin repräsentierte sie den deutschen Wein: Carolin Hillenbrand stammt aus einer Winzerfamilie. 

Von Sandra Röseler 

Mit 15 habe sie sich eine Liste gemacht, sagt Carolin Hillenbrand, mit Dingen, die sie in ihrem Leben einmal erreichen will. Mittlerweile ist sie 27 – die Liste schaut sie sich ab und zu immer noch an. Einige Wünsche darauf hat sie sich schon erfüllt: eine Orgelausbildung zu machen zum Beispiel. Andere wird sie wahrscheinlich nie abhaken können. Als 15-Jährige dachte sie noch, dass sie vielleicht mal katholische Priesterin werden könnte. „Das wird in diesem Leben eher nicht mehr klappen“, sagt sie und lacht zwar – wirkt dabei aber nachdenklich. Denn es gibt einen Vorsatz auf ihrer Liste, nach dem Hillenbrand heute noch lebt: ihre Berufung zu finden – und ihr zu folgen. Mit 15 habe sie unbedingt herausfinden wollen, was Gott für sie vorgesehen hat, sagt sie. 

Hillenbrand sitzt in einem Café in Münster, wenige Gehminuten entfernt vom Institut für Religion und Politik, an dem sie promoviert. Zurzeit untersucht sie dort, welche Rolle die Religion der Menschen beim Umgang mit der Corona-Krise spielt. Während sie von ihrem Glauben und ihrer Forschung erzählt, vibriert ihr Handy: das Deutsche Weininstitut mal wieder. Es geht um einen ihrer letzten Auftritte als Deutsche Weinprinzessin. Ihre Amtszeit geht gerade zu Ende. 

Hillenbrand stammt aus einer Winzerfamilie in Heppenheim, von 2018 bis 2019 war sie dort Gebietsweinkönigin der Hessischen Bergstraße. Weinhoheit zu werden – das liegt bei ihr in der Familie. Das Amt hat sie von ihrer Schwester und ihrer Mutter geerbt. Als Gebietsweinkönigin trat sie vor einem Jahr bei der Wahl der Deutschen Weinkönigin an und wurde zur Weinprinzessin gekürt – eine der beiden Stellvertreterinnen der Weinkönigin. 

Ihre Kollegen an der Universität hatten erst mal Vorbehalte

Als sie von ihrem Amt erfuhren, hätten ihre Kollegen an der Universität erst mal Vorbehalte gehabt, sagt Hillenbrand: „Sie haben sich gefragt, wie das funktionieren soll: Weinprinzessin sein und gleichzeitig promovieren.“ Denn beides ist sehr zeitaufwändig: Im vergangenen Jahr war Hillenbrand andauernd unterwegs, um den deutschen Wein im In- und Ausland zu repräsentieren, hat zahlreiche Weinproben organisiert und Reden gehalten. Nebenbei arbeitete sie an ihrer Promotion und ersten Veröffentlichungen. Um das zu schaffen, müsse man schon ehrgeizig sein, sagt sie.

Ehrgeizig sein – das passt zu jemandem, der sich schon mit 15 vornimmt, seiner Berufung zu folgen. Für Hillenbrand bedeutet das, dass sie für das, was sie macht „brennen will”. Dieser Wunsch hat sie schon an die verschiedensten Orte geführt: Sie hat Politikwissenschaft und
Theologie in Mainz, Heidelberg und Südafrika studiert, war für Forschungsaufenthalte und Freiwilligendienste in mehreren Entwicklungsländern – unter anderem mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), mit Brot für die Welt und Caritas International. 

Heute sieht sie es als ihre Berufung, sich aus ihrem Glauben heraus für eine friedlichere Welt einzusetzen. „Ich wollte schon immer wissen, was uns einen kann“, sagt sie. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in der interreligiösen Jugendbewegung „Co-exister“, dort hat sie viele ausländische Freunde. Sie glaubt, dass Religion eine wichtige Rolle für die Verständigung zwischen Menschen spielt. „Wir stellen uns doch alle dieselben Lebensfragen”, sagt sie: „Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin?“ Für ihre Doktorarbeit will sie erforschen, ob und wie Religion den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann. 

Hillenbrand will etwas in der Welt verändern und hat viele Ideen, was sie dafür tun könnte: Politikerin werden, sich in der Entwicklungsarbeit engagieren, sich der Forschung widmen. Wenn man ihr zuhört, traut man ihr all das auch zu. Ihr Lebenslauf wirkt dahingehend sehr stringent. Nur ihre Rolle als Weinprinzessin scheint nicht so ganz dazu zu passen, dass sie doch eigentlich ihrer Berufung folgen will – oder?  

Hillenbrand sagt, sie glaube, dass eine Berufung nichts Statisches sein muss – und, dass man auch mal vom Weg abweichen kann. „Man muss einfach immer wieder in sich hineinhören, was Gott einem sagt.“ Darüber denkt sie oft nach, wenn sie Entscheidungen treffen muss. Wenn sie auf Gott vertraut, gibt ihr das ein gutes Gefühl, dann verspüre sie „inneren Frieden“. Bei der Wahl zur Weinkönigin sei sie deshalb einfach mal angetreten. Wenn sie gewinnen sollte, würde es schon einen Sinn haben, dachte sie. 

Hatte es den? Danach gefragt fallen Hillenbrand viele Erfahrungen ein, die sie als Weinprinzessin gemacht hat. Bei ihren Auftritten habe sie spannende Menschen kennengelernt und teilweise tiefgründige Gespräche über Gott und die Welt geführt – auch über ihren eigenen Glauben. „Als Weinprinzessin konnte ich anderen zeigen, was ich aus meinem Glauben schöpfe“, sagt sie. Dass sie so offen und sicher auftritt, hat für sie viel mit ihrer Beziehung zu Gott zu tun. „Gott ist für mich allumfassende Liebe“, sagt sie. Weil sie sich von Gott geliebt fühlt, könne sie auch sich selbst  und ihre Mitmenschen lieben – und das ausstrahlen. 

Sie hat dem Papst schon mal einen Brief geschrieben

Rückblickend habe es sich durchaus gelohnt, vom Weg abzuweichen, sagt sie – und erzählt dann noch von einem Termin aus ihrer Amtszeit als Weinprinzessin, der ihr besonders wichtig ist. Die meisten ihrer geplanten Auslandstermine mussten wegen der Corona-Pandemie zwar ausfallen, aber eine Reise nach Rom mit Besuch im Vatikan konnte sie in diesem Sommer unternehmen. 

Diese Gelegenheit hat sie genutzt, um dort einen Brief an Papst Franziskus noch einmal persönlich in den vatikanischen Briefkasten zu werfen. Vor sechs Jahren hat sie diesen Brief, in dem sie nach ihrer Rolle als Frau in der katholischen Kirche fragt, schon einmal aus Deutschland abgeschickt – eine Antwort hat sie bislang nicht erhalten. 

Auch wenn sie ihren Kindheitswunsch, Priesterin zu werden, wahrscheinlich nicht verwirklichen kann, sieht sie ihre Berufung weiterhin in der katholischen Kirche. Sie will sich für eine zukunftsfähige Kirche einsetzen, spricht davon, dass man selbst für die Veränderung sorgen muss, die man in der Welt sehen will. 

Eine Berufung zu haben, bedeutet für sie eben auch, nicht einfach hinzuschmeißen und die Kirche zu verlassen, weil sie Dinge wie Weiheämter für Frauen nicht sofort herbeizaubern kann. „Es bedeutet, sich immer wieder zu fragen: Was hat Gott mit mir vor? Und was kann ich mit meinen Möglichkeiten bewirken?“