Viertes Ehemaligen-Treffen der Katholischen Fakultät Erfurt
Glaubwürdige Kirche gefragt
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Die Themen „Jugend und Kirche“ und „Synodale Praxis“, aber auch Gottesdienste und vor allem die persönliche Begegnung prägten das vierte Ehemaligen-Treffen der Katholisch-Theologischen Fakultät in Erfurt.
Mit den Kommilitonen zu sprechen, war für die Teilnehmer des vierten Alumini-Treffens der Theologischen Fakultät in Erfurt sehr wichtig. | Foto: Eckhard Pohl |
Das Verhältnis von „Jugend und Kirche“ und die „Rolle synodaler Strukturen für die Reform in der Kirche“ bestimmten die theologische Diskussion beim vierten Alumni-Treffen der Katholisch-Theologischen Fakultät in Erfurt. Dazu waren vom 1. bis 3. Juni 100 Absolventen des früheren Philosophisch-Theologischen Studiums und Fakultät in den Räumen am Domberg zusammengekommen. An erster Stelle aber stand für die Ehemaligen das Wiedersehen.
„Mehrere meiner Kommilitonen haben sich im Vorfeld gemeldet, ob ich komme“, begründete Peter-Paul Straube (63), Leiter des Bischof-Benno-Hauses in Schmochtiz, sein Dabeisein. Zudem werde durch ein solches Treffen auch „die Bedeutung der Fakultät unterstrichen“. Rebekka Gewandt (33), Krankenhaus-Seelsorgerin in Dessau und Geistliche Leiterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands im Bistum Magdeburg, freute sich, „wieder mal in der Fakultät zu sein und zu sehen, wie es weitergeht“. „Ich finde es interessant, zu hören, welche Fragestellungen jetzt so dran sind“, sagte Gemeindereferentin Teresa Hofmann (35) aus Hettstedt/Helbra. Und Pfarrer Eberhard Thieme (66) aus Leipzig-Grünau meinte unter anderem: „Ich fand die Vorlesungen zur Bedeutung des synodalen Miteinanders in der Kirche sehr interessant.“
Wie vielschichtig die Aspekte sind, die das Verhältnis von Jugend und Kirche berühren und welche Rolle dabei einer möglichst synodalen Praxis zukommt, wurde bei einer Podiumsdiskussion am Freitagabend deutlich. Das Thema war nicht zuletzt im Blick auf die Bischofssynode zum Thema Jugend im Oktober gewählt. Die Erfurter Pastoraltheologin Maria Widl hofft, dass die versammelten Bischöfe dabei die Vielfältigkeit Jugendlicher und ihrer Erfahrungen wahrnehmen und versuchen werden, ihnen gerecht zu werden. „Die Probleme junger Menschen in anderen Erdteilen sind völlig andere als bei uns“, so die Professorin. Hierzulande gäbe es unter jungen Leuten „Angst vor der Zukunft und vor Lebensentscheidungen in einer überkomplexen Welt“, in der die Menschen geradezu zum „Glücklichsein verpflichtet“ seien.
„Junge Menschen hierzulande sind spirituell interessiert, aber im Sinne einer Selbstfindung. Sie suchen die Gottesbegegnung, aber nicht Rituale und Kirche“, sagte Widl. Zugleich gebe es bei einem Teil den Wunsch nach klaren Glaubensaussagen.
Dem gegenüber wies der Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Pfarrer Dirk Bingener, Düsseldorf, darauf hin, dass sich Jugendliche in vielen Ländern der Erde vor allem eine glaubwürdige Kirche wünschen und die negativen Haltungen der Kirche zu homosexueller Partnerschaft und zu Weiheämtern für Frauen sehr kritisch sehen. Angesichts von 660 000 im BDKJ organisierten Jugendlichen lebt für Bingener in den Jugendverbänden Kirche.
Jugendliche kritisieren Umgang mit Frauen
Markus-Liborius Herrmann von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt würdigte den von Papst Franziskus eingeschlagenen „synodalen Weg“, der mit der Ehe- und Familien-Synode der Bischöfe 2014/2015 begonnen habe und sich jetzt mit der Jugend-Synode fortsetzt. Auch wenn es sich um eine Synode der Bischöfe handle, werde wirklich mit den Jugendlichen gesprochen. Dirk Bingener hielt dem entgegen, dass es sich um einen kleinen, ausgewählten Kreis Jugendlicher handle. Paul Metzlaff von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Bischofskonferenz (afj) in Düsseldorf ging auf die Online-Umfrage im Blick auf die Synode ein, an der rund 15 000 junge Leute weltweit, darunter zirka 1400 aus Deutschland teilgenommen haben: Die Jugendlichen mahnten weltweit eine größere „Echtheit der Kirche“ an. … „Sie wünschen sich eine Kirche, die zu den Jugendlichen geht.“ Sie sehen die untergeordnete „Rolle der Frauen in der Kirche“ sehr kritisch.
Hierzulande sei es jungen Leuten zunehmend „nicht möglich, Erfahrungen mit erfahrenen geistlichen Begleitern in der Kirche zu machen“. Laut Umfrage „können sie nicht viel zu Jesus Christus sagen“. Zudem kritisieren die Jugendlichen: „Es gibt nicht genug personale Begleitung für junge Menschen etwa auf dem Weg der Berufungsunterscheidung“, um die es bei der Jugend-Synode auch gehen soll. Metzlaff spürt in allen diesen Äußerungen „ein leises Erdbeben“. Mit Sorge sehen die Podiumsteilnehmer, dass sich immer weniger junge Menschen für einen pastoralen Dienst entscheiden.
Weitgehend einig waren sich die Diskutanden in der Einschätzung, dass die Jugend-Synode ein erster wichtiger Schritt ist, den Jugendlichen in der Kirche überhaupt Bedeutung zu geben.
Die Bedeutung einer verstärkten synodalen Praxis für die Kirche des 21. Jahrhunderts war Thema am Samstagvormittag. Dogmatikerin Julia Knop reflektierte in ihrem Vortrag Synodalität als Ausdruck eines Kirchenbildes, das geprägt ist vom Aufeinander hören, vom Dialog auf und zwischen den verschiedenen kirchlichen Ebenen sowie von dem Wunsch, gemeinsam voranzugehen. Dieses Kirchenverständnis basiere auf dem Bild von der „pilgernden Kirche“ des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eine synodale Kirche ist danach eine Gemeinschaft, die zusammen „auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel ist“.
Papst Franziskus forciere ein solches Kirchenbild in Theorie und Praxis, verweise aber auch darauf, dass es sich dabei um Zukunftsmusik handelt, so Professiorin Knop. Denn es stelle überkommene hierarchisch konzipierte Kirchenbilder „vom Kopf auf die Füße“ und erfordere manch strukturelle Innovation. Doch Synodalität meine mehr als Institutionelles. „Sie meint eine Haltung, den Charakter, die Farbe einer Praxis; sie muss sich in der Realität bewähren“, resümierte Knop. Und: „Die Kirche ist nicht einfach synodal, sondern muss sich als synodale Gemeinschaft verstehen wollen.“ Katholiken müssen „erst lernen, synodal unterwegs zu sein“. Darin seien alle erst Anfänger: Gemeinde, Bistum, Bischofskonferenz oder Weltkirche.
Inwieweit sich die Kirche der Verantwortung stellt, insbesondere junge Menschen anzuhören, thematisierte Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens mit Blick auf die Jugendsynode 2018. Den Jugendlichen werde die Firmung gespendet. „Aber glaubt die Kirche wirklich, dass der Heilige Geist in den Jugendlichen wirkt?“ fragte die Professorin. Und: „Welche Institutionen hat und braucht die Kirche, um den Jugendlichen Stimme zu verleihen?“ Antworten darauf fand die Kirchenrechtlerin in den Synoden über „Ehe“ und „Familie“ 2014 und 2015. Bereits damals rief Papst Franziskus Eheleute und Familien auf, ihre persönliche Erfahrung zum Thema aktiv in die Synode einzubringen.
Damit, erklärte Wijlens, habe Franziskus mit Blick auf die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils die „Reset-Taste“ gedrückt und für die Neukonfiguration vorhandener Systembausteine gesorgt, die nicht mehr optimal operierten. Diese Neukonfiguration drücke sich darin aus, dass Synodalität nun keine Vorgehensweise mehr sei, „welche ausschließlich Beziehungen zwischen dem Papst und den Bischöfen“ kennzeichnet. Stattdessen würde Synodalität fortan bezogen auf die gesamte Kirche und „berührt deswegen die Beziehung zwischen allen Mitgliedern des Volkes Gottes.“ Folglich sei es allen Gläubigen – auch Jugendlichen, die in der vorsynodalen Versammlung im März in Rom angehört wurden – möglich geworden, „Protagonisten eines gemeinschaftlich gelebten Glaubens“ zu sein.
Der Samstag hatte am Morgen mit einer Eucharistiefeier mit Tauferneuerung in der St.-Severi-Kirche begonnen. In seiner Predigt ermutigte der Priester und emeritierte Philosoph Eberhard Tiefensee dazu, sich allen „lauteren“ Fragen und Zweifeln zu stellen. Am Nachmittag gab es dann Workshop-Angebote der verschiedenen Fachrichtungen. Ein Miteinander ohne akademische Debatten bot die „Musikalische Annäherung an die Geschichte der Erfurter Fakultät“ von Kirchenhistoriker Jörg Seiler und Professorin Knop. Mit den Gästen sangen sie Lieder wie „Wenn das rote Meer grüne Welle hat, dann ziehen wir frei“ oder „Vertraut den neuen Wegen“, die für die Christen in der DDR-Situation ganz eigene Beiklänge hatten. Im Anschluss waren alle zum Vespergottesdienst eigeladen.
Markus-Liborius Herrmann von der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt würdigte den von Papst Franziskus eingeschlagenen „synodalen Weg“, der mit der Ehe- und Familien-Synode der Bischöfe 2014/2015 begonnen habe und sich jetzt mit der Jugend-Synode fortsetzt. Auch wenn es sich um eine Synode der Bischöfe handle, werde wirklich mit den Jugendlichen gesprochen. Dirk Bingener hielt dem entgegen, dass es sich um einen kleinen, ausgewählten Kreis Jugendlicher handle. Paul Metzlaff von der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Bischofskonferenz (afj) in Düsseldorf ging auf die Online-Umfrage im Blick auf die Synode ein, an der rund 15 000 junge Leute weltweit, darunter zirka 1400 aus Deutschland teilgenommen haben: Die Jugendlichen mahnten weltweit eine größere „Echtheit der Kirche“ an. … „Sie wünschen sich eine Kirche, die zu den Jugendlichen geht.“ Sie sehen die untergeordnete „Rolle der Frauen in der Kirche“ sehr kritisch.
Hierzulande sei es jungen Leuten zunehmend „nicht möglich, Erfahrungen mit erfahrenen geistlichen Begleitern in der Kirche zu machen“. Laut Umfrage „können sie nicht viel zu Jesus Christus sagen“. Zudem kritisieren die Jugendlichen: „Es gibt nicht genug personale Begleitung für junge Menschen etwa auf dem Weg der Berufungsunterscheidung“, um die es bei der Jugend-Synode auch gehen soll. Metzlaff spürt in allen diesen Äußerungen „ein leises Erdbeben“. Mit Sorge sehen die Podiumsteilnehmer, dass sich immer weniger junge Menschen für einen pastoralen Dienst entscheiden.
Weitgehend einig waren sich die Diskutanden in der Einschätzung, dass die Jugend-Synode ein erster wichtiger Schritt ist, den Jugendlichen in der Kirche überhaupt Bedeutung zu geben.
Die Bedeutung einer verstärkten synodalen Praxis für die Kirche des 21. Jahrhunderts war Thema am Samstagvormittag. Dogmatikerin Julia Knop reflektierte in ihrem Vortrag Synodalität als Ausdruck eines Kirchenbildes, das geprägt ist vom Aufeinander hören, vom Dialog auf und zwischen den verschiedenen kirchlichen Ebenen sowie von dem Wunsch, gemeinsam voranzugehen. Dieses Kirchenverständnis basiere auf dem Bild von der „pilgernden Kirche“ des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eine synodale Kirche ist danach eine Gemeinschaft, die zusammen „auf dem Weg, aber noch nicht am Ziel ist“.
Papst Franziskus forciere ein solches Kirchenbild in Theorie und Praxis, verweise aber auch darauf, dass es sich dabei um Zukunftsmusik handelt, so Professiorin Knop. Denn es stelle überkommene hierarchisch konzipierte Kirchenbilder „vom Kopf auf die Füße“ und erfordere manch strukturelle Innovation. Doch Synodalität meine mehr als Institutionelles. „Sie meint eine Haltung, den Charakter, die Farbe einer Praxis; sie muss sich in der Realität bewähren“, resümierte Knop. Und: „Die Kirche ist nicht einfach synodal, sondern muss sich als synodale Gemeinschaft verstehen wollen.“ Katholiken müssen „erst lernen, synodal unterwegs zu sein“. Darin seien alle erst Anfänger: Gemeinde, Bistum, Bischofskonferenz oder Weltkirche.
Inwieweit sich die Kirche der Verantwortung stellt, insbesondere junge Menschen anzuhören, thematisierte Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens mit Blick auf die Jugendsynode 2018. Den Jugendlichen werde die Firmung gespendet. „Aber glaubt die Kirche wirklich, dass der Heilige Geist in den Jugendlichen wirkt?“ fragte die Professorin. Und: „Welche Institutionen hat und braucht die Kirche, um den Jugendlichen Stimme zu verleihen?“ Antworten darauf fand die Kirchenrechtlerin in den Synoden über „Ehe“ und „Familie“ 2014 und 2015. Bereits damals rief Papst Franziskus Eheleute und Familien auf, ihre persönliche Erfahrung zum Thema aktiv in die Synode einzubringen.
Damit, erklärte Wijlens, habe Franziskus mit Blick auf die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils die „Reset-Taste“ gedrückt und für die Neukonfiguration vorhandener Systembausteine gesorgt, die nicht mehr optimal operierten. Diese Neukonfiguration drücke sich darin aus, dass Synodalität nun keine Vorgehensweise mehr sei, „welche ausschließlich Beziehungen zwischen dem Papst und den Bischöfen“ kennzeichnet. Stattdessen würde Synodalität fortan bezogen auf die gesamte Kirche und „berührt deswegen die Beziehung zwischen allen Mitgliedern des Volkes Gottes.“ Folglich sei es allen Gläubigen – auch Jugendlichen, die in der vorsynodalen Versammlung im März in Rom angehört wurden – möglich geworden, „Protagonisten eines gemeinschaftlich gelebten Glaubens“ zu sein.
Der Samstag hatte am Morgen mit einer Eucharistiefeier mit Tauferneuerung in der St.-Severi-Kirche begonnen. In seiner Predigt ermutigte der Priester und emeritierte Philosoph Eberhard Tiefensee dazu, sich allen „lauteren“ Fragen und Zweifeln zu stellen. Am Nachmittag gab es dann Workshop-Angebote der verschiedenen Fachrichtungen. Ein Miteinander ohne akademische Debatten bot die „Musikalische Annäherung an die Geschichte der Erfurter Fakultät“ von Kirchenhistoriker Jörg Seiler und Professorin Knop. Mit den Gästen sangen sie Lieder wie „Wenn das rote Meer grüne Welle hat, dann ziehen wir frei“ oder „Vertraut den neuen Wegen“, die für die Christen in der DDR-Situation ganz eigene Beiklänge hatten. Im Anschluss waren alle zum Vespergottesdienst eigeladen.
„Zukunftslabor der Theologie“
Das gesellige Abendprogramm schließlich läutete der Präsident der Universität, Professor Walter Bauer-Wabnegg, ein. In seinem Grußwort erinnerte er an die lange Tradition der Katholischen Theologie in Erfurt und betonte die gute Zusammenarbeit zwischen Fakultät und Universität heute. Der Dekan der Fakultät, Professor Thomas Johann Bauer, dankte für die Synergien, die sich in den 15 Jahren seit Eingliederung des Philosophisch-Theologischen Studiums/der Fakultät in die Universität ergeben haben. Er hoffe auf Fortsetzung dieses Erfolgskurses. Bauer dankte auch dem Priesterseminar sowie dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr für dessen „permanente Zeichen des Wohlwollens.“ Der Dekan verwies auch auf bundeweite Veränderungen in Kirche und Theologie, die, wie bereits Bauer-Wabnegg betont hatte, die Erfurter Fakultät zu einem „Zukunftslabor der Theologie“ machten.
Das Zusammensein in den Räumen am Kreuzgang zog sich bis in den späten Abend hinein.
Mehr: www.uni-erfurt.de/theol
Das gesellige Abendprogramm schließlich läutete der Präsident der Universität, Professor Walter Bauer-Wabnegg, ein. In seinem Grußwort erinnerte er an die lange Tradition der Katholischen Theologie in Erfurt und betonte die gute Zusammenarbeit zwischen Fakultät und Universität heute. Der Dekan der Fakultät, Professor Thomas Johann Bauer, dankte für die Synergien, die sich in den 15 Jahren seit Eingliederung des Philosophisch-Theologischen Studiums/der Fakultät in die Universität ergeben haben. Er hoffe auf Fortsetzung dieses Erfolgskurses. Bauer dankte auch dem Priesterseminar sowie dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr für dessen „permanente Zeichen des Wohlwollens.“ Der Dekan verwies auch auf bundeweite Veränderungen in Kirche und Theologie, die, wie bereits Bauer-Wabnegg betont hatte, die Erfurter Fakultät zu einem „Zukunftslabor der Theologie“ machten.
Das Zusammensein in den Räumen am Kreuzgang zog sich bis in den späten Abend hinein.
Mehr: www.uni-erfurt.de/theol
Von Eckhard Pohl