Anstoß 06/22
Gott bedrängen
Indirekt bin ich mit dabei gewesen, bei der dritten Synodalversammlung in in Frankfurt am Main. Als Nichtsynodale konnte ich wie jeder andere auch die Beratungen mittels Live-Stream mitverfolgen.
Gewichtige Themen standen auf dem Programm, und weil es meine Kirche ist, um die es geht. Spannender als jeder Krimi war das für mich. Ich habe mit großem Interesse die verschiedenen Standpunkte und Argumente gehört und war (bin ich immer noch) froh über die Transparenz, dass der Synodale Weg eben nicht hinter verschlossenen Türen von 230 Synodalen bestritten wird und dem Rest der Gläubigen nur das Lesen langer Papiere bzw. deren Kurzfassung in den Medien übrig bleibt.
Mich hat die Atmosphäre beeindruckt, die rüberkam und mein Herz hatte ab und an ordentlich zu tun, nicht aus dem Takt zu geraten. Dass sich in unserer Kirche dringend etwas ändern muss, daran kann wohl niemand ernsthaft zweifeln. Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens in München erreichte mich die Frage seitens Radiohörern im MDR Thüringen, mit welcher Berechtigung die Kirche angesichts solcher Missstände überhaupt noch im Radio sprechen dürfe. Ich kann diese Frage verstehen, zumal sie von Menschen kommt, die mit der Kirche mehr oder weniger nichts am Hut haben. Aber mich trifft es ins Herz. Denn es geht doch in unseren kirchlichen Beiträgen im Radio ums Evangelium, um Gottes Frohe Botschaft. Von der Institution Kirche verursachte beziehungsweise begünstigte tiefdunkle Schatten darauf machen die Verkündigung nicht leichter. Doch weil mir meine Kirche am Herzen liegt, möchte ich, dass sich etwas ändert. Gravierendes!
Auch das war (ist) schön zu erleben bei der Mitverfolgung des Synodalen Wegs. Den Menschen, die sich dort engagieren, vom Bischof bis zum nichtgeweihten Kirchenmitglied, liegt die Kirche am Herzen. Bei etlichen, obwohl ihnen durch sie auch viel Schmerz zugefügt wurde und leider auch noch wird. Was können wir tun, außer das Wort zu erheben?
Beten. Ja, Gott bedrängen. Den Bitten um eine Kirche, die sein Evangelium glaubhaft verkündet, weil sie es glaubhaft lebt, kann Gott sich gar nicht verschließen.
Von Andrea Wilke, Erfurt