Anstoss 23/19
Gottes Feuertaufe
Thorsten kannte ich bis zur Osternacht nur vom Stullen schmieren. Einmal in der Woche werden in unserer Küche Brote und Tee vorbereitet und dann an obdachlose und arme Menschen rund um den Bahnhof Zoo verteilt.
Thorsten (Name geändert) hat diesen Dienst oft übernommen. Für gewöhnlich arbeitet er nachts als Türsteher. Nun stand er in der Osternacht am Altar und wollte sich taufen lassen. Ein junger Erwachsener mit Anfang Zwanzig. Warum eigentlich?
Auch in der Osternacht musste er noch zum Dienst als Türsteher. Er hatte mit einem Kumpel für seine Taufe extra den Dienstbeginn getauscht. In der Kirche bekannte Thorsten dann öffentlich: „Ich will Jesus für jeden Tag dankbar sein. Deshalb lasse ich mich taufen.“ Jesus habe ihm geholfen, aus dem intensiven Drogenkonsum auszusteigen. Er habe von einem auf den anderen Tag keinen Suchtdruck mehr verspürt.
Ich war, wie die meisten in dieser Osternacht, erschüttert. Da wurde ein junger Mann auf Droge vom Heiligen Geist berührt. Das bringt alles durcheinander. Wie oft wird Glaube mit dem Einhalten von Vorschriften, Regeln oder auch persönlicher Leistungsanstrengung verwechselt. Jesus aber vererbte uns keine ewig funktionierende Anleitung für die perfekte Kirche; kein Patentrezept, keine Agenda oder Tagesordnung, sondern den Heiligen Geist.
Darum geht es im Glauben: Kontrolle abzugeben und die Bereitschaft sich vom Geist Gottes erschüttern zu lassen. Daran erinnert auch Papst Franziskus in den Tagen vor Pfingsten. Ihn quält, dass viele Ortskirchen sich so sehr verausgaben im Organisieren und Planen; dass es der Kirche nur gut gehe, „wenn sie alles unter Kontrolle hat, wenn sie ohne große Erschütterung lebt“.