Strukturreform in deutschen Bistümern
Groß, größer, am größten
Aus 900 Pfarreien werden 35: Das Bistum Trier geht einen ganz eigenen Weg der Strukturreform. Aber auch in den anderen Bistümern in Deutschland werden viele kleine Pfarreien zu großen Einheiten zusammengepuzzelt. Ein Königsweg?
Die deutsche Kirche gleicht einem Labor: In fast allen Diözesen werden wie bei einem Puzzle aus ehemals selbstständigen Pfarreien neue, größere Einheiten gebildet. Durch Fusionen entstehen neue Pfarreien, weiter selbstständige Pfarreien arbeiten als Pfarreiengemeinschaften, Seelsorgeeinheiten, Gemeinschaften der Gemeinden zusammen – also als rechtlich selbstständige Gebilde mit einem gemeinsamen Pfarrer und Seelsorgeteam.
Die Begriffe unterscheiden sich von Bistum zu Bistum. Doch dahinter steckt dasselbe Problem: Wie reagiert man auf den massiven Wandel durch wegbrechende Zahlen von Priestern und aktiven Gläubigen? Ein Patentrezept hat niemand. Und so gibt es auch keine gesamtdeutsche Lösung, jeder der 27 deutschen Diözesanbischöfe entscheidet – mal mit mehr Beteiligung des Kirchenvolkes, mal mit weniger –, wie das Innenleben seiner Diözese in Zukunft aussieht.
Das Bistum Trier geht dabei wohl den extremsten Weg. Aus bislang fast 900 Pfarreien entstanden dort bereits 172 Pfarreiengemeinschaften. Diese werden bis 2020 nun zu nur noch 35 Großpfarreien verschmolzen. In jeder neuen Pfarrei leben dann zwischen rund 15 000 und bis zu 100 000 Katholiken.
Größere Einheiten erfordern größere Leitungskompetenz
Das Bistum Osnabrück dagegen will die pastoralen Einheiten nicht noch größer werden lassen. Hier sind aus ehemals rund 250 Pfarreien 72 neue Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften entstanden. 15 000 Katholiken pro Einheit sind dort eher eine obere denn eine untere Grenze.
Doch schon jetzt ist klar, dass es auch hier in einigen Jahren nicht mehr genügend Priester gibt, die eine dieser 72 Einheiten leiten können. Denn für diese komplexen Gebilde mit vielen Einrichtungen und Mitarbeitern braucht es Leitungskompetenz, die nicht jeder mitbringt. Statt aber die pastoralen Einheiten der Zahl der Priester anzupassen, experimentiert das Bistum Osnabrück mit anderen Leitungsformen, setzt etwa auch auf Gemeindeleitung durch Laien. Ein Weg, den auch Kardinal Reinhard Marx für sein Erzbistum München-Freising einschlägt.
Doch letztlich sind die Strukturfragen nur Hilfsmittel, um den Weg frei zu machen für Neues. Denn viele Formen, den Glauben zu leben und zu feiern, sprechen heutige Zeitgenossen nicht mehr an. „Wenn die neuen Strukturen nur dazu dienen sollen, das Alte zu bewahren, fährt das System an die Wand“, warnt denn auch Hubertus Schönemann, Leiter der Arbeitsstelle missionarische Pastoral der Bischofskonferenz. Er begreift den Priestermangel als Zeichen: „Gott zeigt uns, dass es auf andere Dinge ankommt.“ Dass Gläubige sich um ihren Glauben stärker selbst kümmern können. Dass sich auch an anderen Orten als im Kirchenschiff oder im Pfarrzentrum Menschen als Christen versammeln.
Im Moment werden die Strukturreformen eher als Sanierungskonzept erlebt, mit vielen Abbrüchen und Abschiedsschmerz. Aber wenn der überwunden ist, kann die Kirche in Deutschland vor einem neuen Aufbruch stehen.
Von Ulrich Waschki