Anstoß 41/20
Heilsame Erinnerung
Vor genau einer Woche, vom 2. bis 4. Oktober, war ich Teilnehmerin einer Schreibwerkstatt. Thema derselben, man siehe aufs Datum: „Sandmännchen und Westpaket. Ost-West-Geschichten“.
Susanne Niemeyer, eine freie Autorin aus Hamburg, und Matthias Lemme, ein in Halle/Saale Aufgewachsener, inzwischen Pastor und nunmehr ebenfalls aus der Hansestadt, hatten eingeladen. 24 waren gekommen, aus Ost und West, aus Nord und Süd.
Nun könnte ich an dieser Stelle Seiten füllen, so grandios waren diese drei Tage. Bis dato einander völlig fremde Menschen schrieben, lasen sich ihre Geschichten gegenseitig vor und ließen sich darauf ein, mehr als nur Äußerlichkeiten von sich preiszugeben. Das verbindet!
Obwohl wirklich alles schön war, greife ich mal ein Thema heraus. Die Aufgabe an uns lautete: Als du das erste Mal im Westen beziehungsweise im Osten warst, was ist dir da positiv aufgefallen? Innerhalb kurzer Zeit – ich glaube, es waren zehn Minuten – sollten wir mindestens drei Dinge benennen. Puh, gar nicht so einfach. Immerhin lag das erste Mal für die meisten aus dem Osten gut 30 Jahre zurück; für manche aus dem Westen noch länger. Sie durften ja auch schon vor dem Mauerfall in die damalige DDR einreisen. Wie viele nicht so gute Erfahrungen hatten die anfängliche Begeisterung inzwischen überschattet. Das Sich-zurück-Erinnern an das Positive tat gut. Dann wurde in großer Runde vorgelesen. Was da alles zum Vorschein kam! Ich war erstaunt, was die Westler an uns Ostlern so sehr positiv beeindruckt hatte. Es war für mich echt berührend zu hören, mit was wir gepunktet haben. Doch unabhängig davon, habe ich wieder einmal gesehen, wie wohltuend und wichtig es ist, sich erstens zu erinnern und zweitens sich gegenseitig darüber auszutauschen. Sicher, Erinnerungen an das Schöne, was einmal war, können die nicht so guten Erfahrungen nicht einfach wegwischen. Aber sie können den Blick heben, lassen einen mehr sehen als das, was sichtbar ist, und können die innere Haltung neu ausrichten.