Psychosoziale Beratung für Geflüchtete
Hier wächst Hoffnung
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Die Migrationsfrage ist in diesen Tagen in aller Munde. Längst klagen deutsche Kommunen ob der zunehmenden Zuwanderung über Überforderung. Doch Fakt ist auch, dass die Migration Gründe hat: Etliche Kriege sind entflammt, Despoten und islamistische Terrorgruppen töten und vertreiben ganze Volksgruppen. Viele Geflüchtete haben in ihrem Heimatland Verfolgung und Gewalt erlebt. „Etliche wurden gefoltert und in der Haft von sogenannten Ordnungskräften misshandelt“, sagt Claudia Schedlich
Seit 2019 leitet die Psychologin und Expertin für psychosoziales Krisenmanagement das Caritas-Therapiezentrum für Menschen nach Folter und Flucht in Köln. Es ist eines von 47 Zentren, die sich unter dem Dachverband der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, kurz BAfF, zusammengefunden haben. Diese Zentren helfen mit, dass sich Menschen, die zum Teil schwer traumatisiert und psychisch erkrankt sind, „in unsere Gesellschaft integrieren und sich auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt zurechtfinden können“, sagt Schedlich.
Und doch will die Bundesregierung die Fördermittel für diese Zentren von aktuell 17 Millionen jährlich auf nur noch sieben Millionen Euro im kommenden Jahr herunterfahren. Insgesamt sollen die Zuschüsse des Bundes für die Migrationsberatung von 81 auf 57 Millionen gekürzt werden.
Zwar finanzieren sich die meisten der Therapiezentren für traumatisierte Geflüchtete aus unterschiedlichen Quellen. In Köln etwa wird nur ein Viertel des Jahresetats von zuletzt 1,3 Millionen Euro vom Bund gedeckt. Der Rest der Mittel kommt vom Land, der Stadt Köln, der Kirche, der Caritas sowie von Spendern und Spenderinnen. Doch anderen Einrichtungen drohe ohne die Basisfinanzierung durch den Bund das Aus, sagte jüngst Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Wenn man jetzt hier die Schere ansetzt, dann sind nicht nur einzelne Fäden durchschnitten, sondern die Knoten“, warnte sie. Auch Schedlich findet die Pläne der Bundesregierung fatal.
Die Helferinnen und Helfer fürchten eine Überforderung
Falls Finanzminister Christian Lindner (FDP) hier tatsächlich Ernst machen sollte, „dann werden wir wohl nächstes Jahr zwei, vielleicht sogar drei von unseren insgesamt zwölf Vollzeitstellen in unserem Team streichen müssen“, sagt Schedlich. Das werde ihre Helferinnen und Helfer überfordern: „Denn die Geflüchteten sind ja da und sie werden weiter zu uns kommen.“
Zudem gebe es schon jetzt bei der Betreuung von Geflüchteten eine dramatische Unterversorgung. Nach Angaben der BAfF erhalten aktuell nur rund vier Prozent der Menschen, die eine sozialpsychologische Hilfe bräuchten, diese Hilfe auch.
Wie wichtig die Arbeit der Zentren ist, zeigen Beispiele, die Schedlich schildert. Da ist etwa ein junger Mann aus Nigeria. Er lebt seit acht Jahren in Deutschland und ist in seiner Heimat von der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram schwer misshandelt worden. „Er hat seither eine irreversible Verletzung am Bein“, sagt Schedlich. Doch weil das zuständige Bundesamt seine Fluchtgeschichte anzweifelte, wurde er bislang als Asylbewerber nicht offiziell anerkannt, durfte jahrelang nicht arbeiten und auch keine Integrationskurse belegen. Entsprechend düster fielen die ersten Therapiestunden mit ihm aus. „Da gab es zunächst viel Frustration und Hoffnungslosigkeit“, sagt Schedlich. Erst nach und nach gelang es dem Nigerianer, sich eine Alltagsstruktur zu schaffen. Inzwischen habe der junge Mann eine Arbeitserlaubnis erhalten und sogar schon einen Job gefunden, sagt die Psychologin: „Das war für ihn stets das Wichtigste.“
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 340 Menschen in der Kölner Caritas-Einrichtung beraten. Rund 150 Frauen und Männer konnten dort sogar eine Therapie machen. Viele Menschen haben durch ihre Fluchtgeschichten und Gewalterfahrungen posttraumatische Belastungsstörungen davongetragen. „Sie sind depressiv, haben große Ängste, trauen sich nicht unter Menschen, sind extrem misstrauisch gegenüber allem und jedem. Manche haben kaum Kraft, um morgens aufzustehen, reden kaum, wirken wie erstarrt“, berichtet Schedlich.
Wieder andere Patienten müssen fast zwanghaft an den Horror denken, den sie erlebt haben, haben quälende Erinnerungen, stehen stark unter Spannung, können nachts kaum schlafen, sind reizbar, fahren teils grundlos aus der Haut. Und je länger diese Probleme unbehandelt blieben, desto schwieriger werde die Therapie, sagt Schedlich. Im Moment betreut sie eine junge Afghanin. „Eine sehr kluge Frau, die studiert hat“, sagt die Therapeutin. Sie hatte sich in ihrer Heimat für die Rechte von Mädchen und Frauen starkgemacht. Dann kamen die Taliban an die Macht und die Frau wurde bedroht. Ihr und einigen ihrer Geschwister gelang die Flucht, ihre Eltern aber sitzen weiter in Afghanistan fest und halten sich versteckt.
„Die junge Frau fühlt sich massiv schuldig, weil sie mit ihrem Engagement die Eltern in Lebensgefahr gebracht hat“, sagt Schedlich. Ihr selbst aber geht es inzwischen recht gut. Sie arbeitet als Ersthelferin in einer Sammelunterkunft für Geflüchtete.
Manchmal sind die Erfolge, die Schedlich mit ihrem Team erreichen kann, auch etwas kleinerer Natur. So wie bei einer Kurdin, die schon als Elfjährige zwangsverheiratet wurde und später in einem türkischen Gefängnis gefoltert wurde. Aufgrund ihres Traumas hatte sie jahrelang Konzentrationsprobleme, die sich in der Behandlung aber besserten. Inzwischen belegt die Kurdin einen Deutschkurs und kommt langsam in ihrem Fluchtland an.