Anstoß 09/23
Hingabe – mehr als ein Wort
In Hingabe steckt das Wort „Gabe.“ Jede Gabe ist ein Geschenk: das Leben ebenso wie andere Menschen. Auch Talente und Begabungen sind Geschenke. Doch wir wissen, dass wir weder unser Leben noch unsere Gaben festhalten können.
Wir müssen auch immer wieder etwas loslassen und hergeben. Das alles ist Hingabe.
Hingabe ist für mich eine zutiefst christliche Haltung. Ich gebe etwas hin oder ich gebe etwas her oder ich verschenke etwas von meinen Gaben.
Hingabe zeigt sich da, wo Eltern Kinder annehmen und sie erziehen, sich Zeit nehmen, auch in der Sorge der Erziehung, hingebungsvoll da sind. Die Kinder dann, wenn sie erwachsen sind, loszulassen, ist für viele Eltern auch nicht leicht.
Hingabe zeigt sich auch im Beruf oder im Ehrenamt für die Gemeinde oder anderen Organisationen: sich für andere einsetzen und die eigenen Gaben und Begabungen teilen. Mit viel Hingabe pflegen und begleiten Menschen alte und kranke Menschen oder Familienangehörige. Mit viel Hingabe verschenken sie Zeit und Liebe.
Doch Hingabe ist nicht nur ein Geben oder ein Verlust, nein, wir bekommen oft etwas zurück. Vieles wird uns geschenkt und ich meine dabei nicht das Materielle. Es fließt auch viel zurück. Ich hoffe, dass jeder diese Erfahrung im Leben macht, dass etwas zurückkommt.
Im Ordensleben habe ich nicht nur etwas gegeben, sondern viel Gutes zurückbekommen. Doch Hingabe umfasst für Ordensgemeinschaften auch die Aufgabe und das Schließen von Häusern und Standorten – ein schmerzlicher Verlust.
Doch die größte Herausforderung ist die Lebenshingabe. Sie beinhaltet, zu Krankheit und Tod unser Ja zu sagen. So haben wir es am Aschermittwoch bei der Bezeichnung mit dem Aschekreuz gehört: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst!“
Prior des Dominikanerklosters in Leipzig