Ukrainische Flüchtlinge finden erste Unterkunft in Friedland

Hoffnung auf baldige Heimkehr

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Der Krieg in der Ukraine zwingt immer mehr Menschen dazu, auf der Flucht vor Not und Gewalt ihre Heimat zu verlassen. Die Zahl der Geflüchteten, die in Deutschland und Niedersachsen ankommen, nimmt dabei von Tag zu Tag zu. Einige von Ihnen finden eine erste Unterkunft im Grenzdurchgangslager Friedland, wo sie unter anderem von der dortigen Caritasstelle unterstützt werden.


Viele Flüchtlinge aus der Ukraine – meist Frauen mit
Kindern – kommen in Berlin an. Von hier geht es weiter
in die Bundesländer, unter anderem nach Niedersachsen
ins Grenzdurchgangslager Friedland.

Als Anna* mit ihren zwei Kindern inFriedland ankommt, ist sie erschöpft, aber auch froh, dass ihre Flucht für den Moment ein Ende hat. Vor zehn Tagen hat sie ihre Wohnung im ukrainischen Lwiw verlassen, um sich und ihre zwei Kinder in Sicherheit zu bringen. Zu ihrem Mann, der zurückgeblieben ist, um die Ukraine gegen die russischen Truppen zu verteidigen, hat sie seither nur telefonischen Kontakt. An der polnisch-ukrainischen Grenze traf die Familie auf Helfer einer privaten Initiative, welche ihr anboten, sie mit zurück nach Deutschland zu nehmen. Nun gehören Anna und ihre Kinder zu einer Gruppe von etwa 170 Geflüchteten aus der Ukraine, die gegenwärtig in Friedland untergebracht sind. Dabei ist die Fluktuation hier sehr hoch.

Das Grenzdurchgangslager Friedland verfügt über genügend Raum, um bis zu 820 Personen aufzunehmen. Als Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen ist es eine Anlaufstelle für sehr unterschiedliche Personengruppen. Bedeutung hat das GDL als bundesweit einzige Aufnahmeeinrichtung für Spätaussiedler. Darüber hinaus werden in Friedland unter anderem Geflüchtete aufgenommen, die im Rahmen besonderer humanitärer Programme nach Deutschland kommen. Ein aktuelles Beispiel dafür sind afghanische Ortskräfte.

Caritas mit Beratung und Kleiderkammer vor Ort

Der Caritasverband der Diözese Hildesheim ist bereits seit Bestehen des GDL mit einer eigenen Einrichtung vor Ort. Die sieben Mitarbeitenden der Caritasstelle Friedland unterstützen beispielsweise mit Angeboten der Migrationsberatung und einer Kleiderkammer. Dabei wird das Team wesentlich von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützt. In den vergangenen Wochen haben sich dabei zunehmend auch Menschen aus der Ukraine und deren Angehörige an sie gewandt.

„Ein zentraler Aspekt unserer Beratung betrifft des Aufenthaltsrecht. Hier macht es natürlich einen großen Unterschied, dass Geflüchtete aus der Ukraine in der Regel kein Asylverfahren durchlaufen.“, erklärt Thomas Heek, Referent für Migration und Integration im Diözesan-Caritasverband Hildesheim. „Da ihre Ankunft bei der vor Ort zuständigen Ausländerbehörde registriert werden kann, melden sich viele ihnen gar nicht bei einer Erstaufnahmeeinrichtung. Das gilt insbesondere für diejenigen, die zunächst bei Verwandten oder Freunden bleiben können.“ Doch auch in anderer Hinsicht bemerke das Team laut Heek eine Besonderheit: „Viele der Geflüchteten hoffen, dass die Kämpfe in der Ukraine bald enden und sie in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückkehren können.“ Ob sich diese Hoffnung erfüllen wird, lasse sich derzeit jedoch nicht verlässlich abschätzen.

 


Abschiednehmen von Frau und Kindern: Sie begeben sich
auf die Flucht, er bleibt, um sein Heimatland zu verteidigen.

Grundlegende Fragen im Zentrum der Beratung

„Als wir die ersten Bilder von den Gefechten sahen, war uns bewusst, dass bald auch Menschen aus der Ukraine in Friedland Schutz suchen würden“, erinnert sich Jens Pflüger vom Jugendmigrationsdienst der Caritas. „Bereits wenige Tage darauf nahm die Anzahl der Fahrzeuge mit ukrainischem Kennzeichen auf dem Gelände sprunghaft zu.“

In den Beratungsgesprächen stünden in der Regel sehr grundlegende Fragen im Vordergrund, „Viele mussten die Ukraine übereilt und mit sehr wenig Gepäck verlassen und kamen bereits kurz darauf in Friedland an“, so Pflüger. „Die meisten Fragen setzen daher bereits beim eigenen Aufenthaltstitel oder der Versorgung mit Dingen des täglichen Gebrauchs wie Kleidung und Kinderwagen an.“

Diese Beobachtung teilt auch Elena Mingaleva, zu deren Arbeitsfeldern die Spätaussiedlerberatung und die Migrationsberatung für Erwachsene gehören. Dennoch sei es gerade zu Beginn oftmals nicht einfach gewesen, diese Fragen zu beantworten. „Die Grundlage unserer Beratung ist eine gesicherte Rechtsgrundlage“, erklärt sie. „In den ersten Tagen hat diese teilweise noch gefehlt, da die Behörden selbst erst auf die neue Situation reagieren mussten. Das beginnt bereits bei der Frage, wie lange Geflüchtete in Friedland bleiben können.“ Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen erlebe sie dabei positiv: „Ich erkenne überall ein großes Interesse daran, schnell gute Lösungen zu finden.“

Doch nicht nur auf Behördenebene, sondern auch in der Bevölkerung ist das Team um Thomas Heek in den vergangenen Wochen auf große Hilfsbereitschaft gestoßen. In besonderer Weise war das in der Kleiderkammer der Caritasstelle zu spüren. „In den ersten Tagen bin ich gar nicht mehr vom Telefon weggekommen“, beschreibt Melanie Schewe die vielen Anfragen. Sie leitet ein Team aus circa 20 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, das auf Spendenbasis die Annahme, Sortierung und Ausgabe von Kleidung und Alltagsgegenständen organisiert.

Doch nicht alle Hilfsangebote könne das Team auch abrufen. „Wir bekommen immer wieder Lebensmittel und Medikamente angeboten, die für unsere Arbeit in Friedland keine so große Bedeutung haben. Daher empfehlen wir in diesen Fällen immer, sich an eine Hilfsorganisation zu wenden, die unmittelbar in der Ukraine oder im Grenzgebiet tätig ist.“ Häufig sei es daher hilfreich, sich zuvor zu erkundigen, welche Dinge aktuell gebraucht werden.

Auf die Frage, welche Art von Unterstützung der Caritasstelle in Friedland besonders weiterhelfen würde, antwortet Schewe eindeutig: „Längerfristige ehrenamtliche Mitarbeit. Besonders freut es mich daher, dass in den vergangenen Wochen zwei neue Helferinnen zum Team der Kleiderkammer gestoßen sind.“

* Name von der Redaktion geändert

Michael Müller

 

Im freiwilligen Jahr Flüchtlingen helfen
Die aktuelle Situation wird zunehmend mit der Lage im Jahr 2015 verglichen. Ist dieser Vergleich angemessen?


Aus Perspektive der Caritasstelle ist dieser Vergleich bisher nicht angebracht. Besonders auffällig zeigt sich das an der Unterbringungssituation. Während die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung im Jahr 2015 deutlich überlastet waren, erhalten momentan noch alle Geflüchteten, die in Friedland ankommen, ohne Schwierigkeiten eine Unterkunft. Zudem müssen aufgrund einer schnellen europäischen Reaktion ukrainische Geflüchtete kein Asylverfahren durchlaufen. Vergleichbar ist natürlich, dass sehr viele Menschen in sehr kurzer Zeit ankommen und eine Versorgung sichergestellt werden muss. Dies wird sicherlich zunächst wieder durch eine Räumlichkeiten ermöglicht, die eigentlich nicht zur Unterbringung gedacht sind.

Vielerorts wird von großer Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung berichtet. Wie erleben Sie die Situation?

Der Bereitschaft, unsere Arbeit mit den Geflüchteten aus der Ukraine zu unterstützen, ist in der Tat außerordentlich hoch. Uns erreichen unzählige Anfragen, die von Sach- und Geldspenden bis zum Angebot vor Ort mit anzupacken reichen. Wir sind sehr dankbar für die vielen Angebote, die uns sehr unterstützen. Daher würden wir uns sehr freuen, wenn diese Hilfsbereitschaft künftig auch für andere Personengruppen anhält, die in Deutschland Schutz suchen.

Welches Engagement würde Sie konkret in Ihrer Arbeit unterstützen?

Am meisten kann uns ein dauerhaft angelegtes, ehrenamtliches Engagement in der Kleiderkammer der Caritasstelle unterstützen. Dabei muss der Umfang des Engagements nicht unbedingt sehr groß sein. Entscheidend ist vor allem, dass wir die Helferinnen und Helfer zuverlässig einplanen können. Zudem sind wir gerade auf der Suche nach einer oder einem Freiwilligen, der unser Team im Rahmen des Bundesfreiwilligendiensts unterstützen möchte.

Interview Michael Müller

Wer Interesse an einem Bundesfreiwilligendienst oder einem Ehrenamt in der Caritasstelle im Grenzdurchgangslager Friedland hat, kann sich gern unter folgenden Kontaktdaten an das Team wenden:
Thomas Heek, Tel. 0 55 04 / 85 61, thomas.heek@caritas-dicvhildesheim.de; Melanie Schewe, Tel. 0 55 04 / 2 61, melanie.schewe@caritasfriedland.de.