Projekt „Housing First für Frauen“ zeigt erste Erfolge

Hohe Hürden abbauen

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Nach gut drei Monaten verzeichnet das Projekt „Housing First für Frauen“ erste Erfolge: Schon drei ehemals Wohnungslose konnten ihr neues Zuhause beziehen. Weitere Wohnungen werden dringend benötigt.

Freude und Herausforderung: Nach langer Obdachlosigkeit wieder eine Wohnung haben, selbst kochen. | Foto: pixelio.de/Rainer Sturm

Bei Stefanie Albig und Charlotte Riepe stehen die Frauen Schlange: „56 stehen derzeit auf unserer Warteliste“, erklärt Sozialarbeiterin Albig. Sie warten auf etwas, das für die meisten Menschen in Deutschland selbstverständlich ist: Eine Wohnung zu haben. Die Klientinnen der beiden sind entweder obdachlos und leben auf der Straße, oder sie haben – teils seit vielen Jahren – zumindest kein eigenes Dach über dem Kopf, übernachten bei Freunden oder in Unterkünften der Wohnungslosenhilfe.

 
Erst wohnen, dann Begleitung
Seit dem 12. November haben diese Frauen die Möglichkeit, sich beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Berlins zu melden, um eine neue Wohnung zu erhalten. Drei Damen konnten mittlerweile in ihr neues Zuhause einziehen, bei zwei weiteren ist es Mitte März so weit. „Unser Ziel ist es, in drei Jahren 30 Wohnungen zu vermitteln“, erklärt Charlotte Riepe, die sich um die Immobilien und um die Öffentlichkeitsarbeit bei „Housing First für Frauen“ kümmert. Der Name bedeutet „Wohnung zuerst“; es handelt sich dabei um einen neuen Ansatz in der Wohnungslosenhilfe, bei dem alleinstehende, volljährige, wohnungslose Frauen zunächst eine Wohnung erhalten – „ohne Umwege“, wie es auf einem Werbezettel für das Projekt heißt. Also ohne, dass sie vorher bei Ämtern viele lange Formulare ausfüllen, unzählige Dokumente beibringen und sonstige Hürden überwinden müssen. Denn diese sind für Menschen, die lange keine Wohnung mehr hatten, oft zu hoch.
Die Frauen, die über das Programm eine Wohnung bekommen, werden auf Wunsch weiter von Sozialarbeiterin Stefanie Albig begleitet. „Die drei bisher vermittelten Frauen nehmen die Beratung alle in Anspruch“, erzählt sie. Alle seien sehr glücklich, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben – und dennoch: „Reibungslos verläuft es nicht.“ Es gebe bisher keine Konflikte,  aber manche Angst, einen Fehler zu machen oder zu scheitern. Denn alle drei sind jahrelang wohnungslos gewesen und machen jetzt neue Erfahrungen: „Damit kommt die eine besser und die andere schlechter zurecht.“
Zu dem, was für die meisten Menschen nach einem Umzug lästig ist – Anmeldung beim Bürgeramt, Strom anmelden, fehlende Ausstattung besorgen und ähnliches – kommen für die Klientinnen von „Housing First“ noch weitere Herausforderungen: Sie sind es nicht mehr gewöhnt, ihr Geld über einen ganzen Monat einzuteilen oder täglich zu kochen. „Zudem fallen viele frühere Aufgaben weg, zum Beispiel die tägliche Organisation eines Schlafplatzes“, weiß die Sozialarbeiterin. Eine solche Umstellung sei alles andere als einfach. Dennoch sei es wichtig, die Begleitung nicht zur Auflage zu machen, schließlich gehe es ja gerade um die Selbstbestimmung der einzelnen.
Wichtig finden die beiden Frauen auch, dass die Klientinnen selbst den Weg zu ihnen finden. So müssen sie sich auf die Warteliste setzen lassen und zum Vorgespräch erscheinen, um abzuklären, ob sie in die Zielgruppe gehören und welche konkreten Anforderungen sie an eine Wohnung stellen. „Es gibt manchmal Frauen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht viele Treppen überwinden können“, sagt Stefanie Albig. Andere wollten gerade keine Erdgeschosswohnung, brächten ein Haustier mit oder schlössen bestimmte Wohngegenden aus. Mit Hilfe der Sozialarbeiterin erstellen die Klientinnen eine Bewerbungsmapppe, setzen ein Anschreiben auf und sammeln die notwendigen Unterlagen. Wenn sich dann ein Vermieter mit einer Wohnung melde, werde geschaut, wer die nächsten auf der Warteliste seien, für die die Wohnung in Frage kommt. Mit ihnen gibt es dann eine Wohnungsbesichtigung. Die Miete bringen die Frauen über das Jobcenter oder Grundsicherungsamt und eventuell vorhandene Renten oder andere Einkünfte auf. Nach dem Einzug melden sich die Frauen dann wieder beim SkF – wenn sie Hilfe bei einem Antrag brauchen, Möbel oder Elektrogeräte wie ein Kühlschrank fehlen oder auch, wenn sie einfach einmal reden müssen.
 
Für den Vermieter eine sichere Angelegenheit
Eine sichere Angelegenheit sei „Housing First für Frauen“ für den Vermieter, erklärt Charlotte Riepe, denn in das Programm werden nur Frauen aufgenommen, die die Miete auch aufbringen können. Natürlich könne auch er auf Wunsch unter mehreren Bewerberinnen auswählen. Und bei Problemen dürfe auch der Vermieter wieder den SkF kontaktieren. Leider, bedauert Riepe, seien bisher weder private Vermieter einzelner Wohnungen noch Kirchengemeinden gefunden worden, die sich mit einer Wohnung beteiligen. Die Aachener Wohnungs- und Siedlungsgemeinschaft sei dagegen ein Beispiel für einen Vermieter, der schon länger mit dem SkF zusammenarbeite und auch bei diesem Projekt bereits geholfen habe. Einig sind sich die beiden SkF-Mitarbeiterinnen in einem: „Wir brauchen jeden Hinweis auf Wohnungen!“

Kontakt: Charlotte Riepe (Wohnungen): 0151 /14 86 64 17; Stefanie Albig (Möbelangebote, Klientinnen): 030 / 4 77 53 26 26
 
Von Cornelia Klaebe

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