Anstoß 12/21

Ihm nach! – Egoismus überwinden

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Manchmal bleiben Worte hängen. Plötzlich melden sie sich. Solche Worte habe ich vor einiger Zeit im Gottesdienst gehört. Jesaja wirft seinem eigenen Volk vor, dass es nur an sich denkt. Das wird böse ausgehen.


Deshalb fordert er: „Lernt, Gutes zu tun! Sorgt für das Recht!“ (Jesaja 1,17). Passend dazu nimmt Jesus die Pharisäer aufs Korn: „Sie reden nur, tun selber aber nicht, was sie sagen“ (Matthäus 23,3). Wenn es um den eigenen Vorteil geht, ist den frommen Männern das Hemd näher als die Hose.
Ich höre empört, wie im Radio von Abgeordneten die Rede ist, die sich an der Krise bereichern. Ich höre von Bürgermeistern, die sich beim Impfen vorgedrängelt haben. Diese Menschen denken nur an sich. Was für Egoisten! Wirklich? Ich frage mich, wo sich in dieser unsäglichen Neid-Debatte der Egoismus versteckt. Wie kann es sein, dass wir lieber Impfdosen vernichten, als uns darüber freuen, dass mehr Menschen geschützt sind? Es ist leichter, dem Egoismus der anderen auf die Spur zu kommen, als sich dem eigenen zu stellen.
Ich stehe im Supermarkt vor dem Kühlregal. Am Abend soll es Paella geben. Das nachhaltige Produkt kostet etwas mehr. Deshalb greife ich instinktiv zu der billigeren Alternative. Ich muss an die Worte Jesu denken: „Sie reden nur!“ Ich habe gut reden. Wenn ich etwas tun könnte, ist auch mir das Hemd näher als die Hose.
Viele beklagen, wie hart die Pandemie Einzelhändler trifft. Gleichzeitig steigen die Umsätze von Amazon in astronomische Höhen. Gibt es wirklich gar nichts, was ich bewusst auf später verschieben kann, um es beim Einzelhändler zu kaufen, wenn die Geschäfte wieder öffnen dürfen?

Egoismus ist eine Katastrophe. Der Kampf dagegen beginnt nicht bei den anderen. An diesem Wochenende feiern wir Palmsonntag. Jesus zieht nach Jerusalem. Ob der Einzug so groß war, wie ihn Markus beschreibt, ist eher unwahrscheinlich. Wichtig ist: Jesus hätte sich in Sicherheit bringen, an sich denken können. Doch er überwindet die Anziehungskraft des Egoismus, die uns daran hindert, am Reich Gottes mitzubauen. Er geht aufs Ganze. Mein Gefühl rät mir: Ihm nach!
 
Pfarrer Marko Dutzschke, Lübbenau