Getreideabkommen

Im Teufelskreis

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Bäcker Daniel Agblevon sitzt vor Säcken mit Weizenmehl im Lagerraum seiner Backstube in Lome (Togo) im Jahr 2021.
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Foto: Katrin Gänsler/KNA

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Bäcker Daniel Agblevon sitzt vor Säcken mit Weizenmehl im Lagerraum seiner Backstube in Lome (Togo) im Jahr 2021.

Das Aus für das Getreideabkommen mit der Ukraine hat gravierende Folgen für Westafrika

Cotonou/Lome (KNA). Der Stopp des Schwarzmeer-Getreideabkommens hat für Westafrika viele Konsequenzen; ist die schnell wachsende Region doch stark von Lebensmitteleinfuhren abhängig. Der Riesenstaat Nigeria musste 2022 laut nationaler Statistikbehörde NBS 2,2 Milliarden Euro für Lebensmittelimporte ausgeben. Nach Informationen lokaler Medien importierte Togo 2020 rund 70.000 Tonnen Weizen aus Russland. Die Welternährungsorganisation FAO spricht für 2022 von 22 Millionen Tonnen Getreideeinfuhren nach Westafrika. Mit acht Millionen Tonnen macht Weizen allerdings nur einen geringen Teil aus.

Dramatisch seien die Folgen vor allem im Bereich Nothilfe. 45 Länder sind laut FAO-Angaben auf externe Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Davon liegen 33 in Afrika, sagt Mahamadou Issoufou-Wasmeier, Regionalgruppenleiter für West- und Zentralafrika der Welthungerhilfe. 80 Prozent des Weizens erhalte das Welternährungsprogramm WFP, das die Nothilfe organisiert, aus der Ukraine. Die Schließung des Korridors werde die Hilfsleistungen verringern.

Doch auch die lokalen Märkte werden aus dem Gleichgewicht gebracht – selbst wenn Weizen und Reis nicht die zentralen Getreidesorten sind, die in Westafrika konsumiert werden, so Issoufou-Wasmeier. Konsumenten müssen auf andere Sorten ausweichen, was die Preise erhöht. Auch könne die lokale Produktion den Bedarf nicht immer decken, so der Experte. Zusätzlich haben sich Kosten für Dünger seit 2022 um zwölf Prozent erhöht.

Gewalt verschärft das Problem

Gerade im Sahel kommt erschwerend die Sicherheitslage hinzu. Wegen islamistischer Terroristen und bewaffneter Gruppierungen sind allein in Burkina Faso mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht. In Mali sind es knapp 376.000 und in Niger nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR mehr als 358.000.

Der Krieg im Sudan erhöht derzeit zudem den Druck auf Tschad. Die Menschen dort können ihre Felder nicht mehr bewirtschaften. Gleichzeitig setzt in Orten, die Binnenvertriebene aufnehmen, der Kampf um ohnehin knappe Ressourcen ein, sagt Boniface Cisse, Sahel-Experte beim Internationalen Christlichen Friedensdienst EIRENE mit Sitz in Nigers Hauptstadt Niamey. Auch in Gegenden, in denen bewaffnete Gruppen aktiv sind, liegen Felder zunehmend brach, weil Bauern Angst vor Überfällen haben. „Die Menschen im Sahel sind extrem anpassungsfähig. Doch die anhaltende Gewalt ist problematisch“, so Cisse.

Nigrischen Medien zufolge hat die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum einen „Unterstützungsplan“ von umgerechnet 412 Millionen Euro für gefährdete Bevölkerungsgruppen angekündigt. Die Vereinten Nationen schätzen, dass allein in Togo rund 4,3 Millionen der gut 25 Millionen Menschen in diesem Jahr auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.

„Zehn Prozent des Staatshaushalts müssen in Landwirtschaft investiert werden.“

Auch der Klimawandel macht der Region zu schaffen. In diesem Jahr gab es zwar bisher ausreichend Niederschläge. Doch in den vergangenen Jahren sind Regenmengen weniger vorhersehbar geworden. Gegen Ernteausfälle sind Bauern nicht versichert.

Dennoch: Lokale Produktion ist aus Sicht von Daniel Agblevon der Schlüssel für Ernährungssicherheit. Am Rande von Togos Hauptstadt Lome hat er das Unternehmen Glory Bread aufgebaut. Herkömmliche Baguettes aus Weizenmehl, wie sie in den einstigen französischen Kolonien üblich sind, stellt das kleine Unternehmen nicht her. Stattdessen nutzt es Mehl aus Mais, Maniok und Bohnen und ergänzt den Teig mit einem nur kleinen Anteil Weizenmehl. An den Zusammensetzungen hat Agblevon lange getüftelt. Seine Ergebnisse zeigen: „Es geht ohne Weizenmehl. Wir könnten viel unabhängiger von Importen werden.“

Zumindest über Togo sagt er aber: „Die Regierung tut nichts, um lokalen Konsum zu fördern.“ Hilfreich wäre, wenn bei Veranstaltungen von Behörden konsequent Produkte aus Westafrika angeboten würden. Doch das geschehe nicht. Dabei wirbt auch die Westafrikanische Währungsunion UEMOA, der acht Länder angehören, immer im Oktober für den Konsum lokaler Produkte. Trotzdem bleiben manche vor Ort angebaute Nahrungsmittel wie etwa Reis teurer als die Importware.

Für Mahamadou Issoufou-Wasmeier von der Welthungerhilfe ist noch etwas anderes von zentraler Bedeutung: Investitionen in die Landwirtschaft und die Umsetzung des Maputo-Protokolls von 2003. „Zehn Prozent des Staatshaushalts müssen in Landwirtschaft investiert werden.“

Katrin Gänsler