Wie friedlich ist die Welt?
Im Zeitalter des Friedens

Beim Katholikentag in Münster treffen sich gerade Tausende Christen. Ihr Leitwort: „Suche Frieden“. Wie friedlich ist die Welt eigentlich heute? Forscher finden überraschende Antworten und erklären, wie bewaffnete Konflikte in Zukunft vermieden und gelöst werden können.

Fast täglich kommen neue Schreckensmeldungen aus Syrien. Sie handeln von Bomben und Raketen, von Hass und Vergeltung, von Zerstörung, Leid und Tod. Sieben Jahre dauert der Krieg dort nun schon, und wann er enden wird, ist offen. Syrien ist zurzeit sicher eines der gefährlichsten Länder auf der Welt. Aber auch anderswo sterben Menschen in bewaffneten Konflikten, etwa in Afghanistan und Nigeria, im Jemen und im Irak.
Die Bilder der Kriege können den Eindruck entstehen lassen, die Welt sei so unfriedlich wie lange nicht. Stimmt das? „Kurzfristig ist die Welt unfriedlicher geworden – aber nicht auf ein Niveau, das historisch extrem ungewöhnlich wäre“, sagt der Konfliktforscher Thorsten Gromes vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). „Langfristig ist die Welt deutlich friedlicher, als sie jemals war.“ In den vergangenen Jahren hat vor allem das Drama in Syrien die Zahl bewaffneter Kriege und Konflikte emporschnellen lassen. Die Zahl von Konflikten mit zumindest einem staatlichen Akteur stieg von 31 im Jahr 2010 auf 51 im Jahr 2016, hat das renommierte Uppsala Conflict Data Program (UCDP) recherchiert. Im Jahr 1991 hat es 52 Konflikte gegeben.
Die Zahl der Todesopfer in weltweiten Kriegen und Konflikten ist zuletzt ebenfalls gestiegen – laut den zurückhaltenden UCDP-Berechnungen von 30 760 im Jahr 2010 auf 103 180 im Jahr 2016. Früher hat sie aber schon wesentlich höher gelegen, etwa 1994, als es 548 272 Tote gab, vor allem durch den Völkermord in Ruanda. Bewaffnete Konflikte zwischen Staaten oder gar Großmächten gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg kaum noch. Viel häufiger sind in den vergangenen Jahrzehnten innerstaatliche Kriege, die eine internationale Dimension haben – Syrien ist das aktuellste Beispiel dafür.
Der Klimawandel lässt Konflikte eskalieren
Wie kann die Welt friedlicher werden? Diese Frage will nicht nur der Katholikentag in Münster beantworten, sondern auch der Konfliktforscher Gromes. Er sagt, es helfe, absolute Armut zu bekämpfen, Bildung zu fördern, gewaltlose Verfahren der Konfliktlösung zu etablieren und den Klimawandel zu stoppen. Bisher schaffe der Klimawandel noch keine neuen bewaffneten Konflikte: „Aber er trägt dazu bei, dass bestehende Konflikte eskalieren.“ Wichtig, sagt er, wäre auch, dass sich das Ost-West-Verhältnis einrenkt: „Bleibt es so schlecht wie jetzt, dann sinkt die Chance, auf Konflikte von außen positiv einzuwirken.“
Weltweit betrachtet ist in den vergangenen Jahrzehnten der Frieden der Normalzustand. Die allermeisten Länder sind die allermeiste Zeit nicht in Kriege verwickelt. „Für die meisten Menschen auf der Welt gibt es eigentlich kein besseres Zeitalter zu leben als jetzt“, sagt Gromes. „Das ist aber natürlich keine Garantie dafür, dass das ewig so bleibt.“
Von Andreas Lesch