Anstoß 51/20

Katastrophenalarm

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Hättest du doch auf meine Gebote geachtet! (Jesaja 48,18) Das hätte auch unsere Kanzlerin sagen können, geht mir durch den Kopf, als ich die Worte der Lesung höre. Hättet ihr euch doch an die Hygiene- und Abstandsregeln gehalten.


Wir stünden heute nicht vor dem nächsten Lockdown.
Am 11. Dezember hat der Lockdown im Landkreis Oberspreewald-Lausitz in Brandenburg begonnen. Wenn sich an den Bestimmungen nichts ändert, werden wir bis zum 8. Januar 2021 keinen gemeinsamen Gottesdienst feiern. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich traurig und wütend bin. Traurig, weil wir Masken tragen, die Hände desinfizieren, Platzkarten verteilen, Listen schreiben und trotzdem Weihnachten nicht miteinander feiern dürfen. Wütend, weil ich glaube, dass nicht Schulen, Kirchen und Pflegeeinrichtungen Pandemietreiber sind. Aber wir sitzen alle in einem Boot.
Der Prophet hat bei seinen mahnenden Worten an das Schicksal der Israeliten gedacht. Er kündigt die Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft an. Aber seine Worte stoßen auf skeptische Ablehnung. Israel hat auch auf die Propheten der früheren Zeit nicht gehört. Deshalb ist es in die Katastrophe hineingeraten.
Alle Gottesdienste sind abgesagt. Wir bauen trotzdem die Krippe auf. Maria und Josef stehen am Platz. Das Kind liegt bereit. Das Kind ist die beste Chance, die wir haben. Gott hört nicht auf, um uns zu kämpfen. Er will uns vor der Katastrophe bewahren. Alles hängt davon ab, was für uns die eigentliche Katastrophe ist. Wenn das größte Problem geschlossene Einkaufszentren sind, hat Gott uns wenig zu bieten. Ich glaube, die eigentliche Misere ist, dass wir nicht recht Mensch sein können. Die einen verlieren den Boden unter den Füßen und glauben, das Leben sei nur, was wir daraus machen. Die anderen stehen am Regal im Supermarkt und streiten sich wie Tiere um ein paar Rollen Toilettenpapier. Sie bleiben unter ihrer Würde.

Das Kind in der Krippe hat die Kraft, uns mit beiden Beinen zurück auf die Erde zu holen. Es erinnert uns daran, dass wir Geschöpfe sind und unser Leben ein Geschenk. Und es kann uns davor bewahren, unter unserer Würde zu bleiben. Es zeigt uns den Weg, damit wir mit Recht den Namen Mensch tragen. Das lohnt es sich zu feiern, ob mit oder ohne Krippenspiel, ob mit oder ohne feierliche Christnacht.
 
Pfarrer Marko Dutzschke, Lübbenau