Vatikan-Konferenz zur Krise des Priestertums
Katholische Selbstvergewisserung
Eine Vatikan-Konferenz zur Krise des Priestertums zeigt, wie unterschiedlich die Forderungen innerhalb der weltweiten synodalen Prozesse sind.
Nachdem Michelina Tenace geendet hat, ist der Applaus besonders groß in der vatikanischen Audienzhalle. Kardinal Marc Ouellet, Initiator der Konferenz über das Priestertum, ist begeistert. "Michelina, das war ja sehr entschieden, wunderbar", wendet er sich ihr lachend zu. Weil die Mikrofone am Podium noch eingeschaltet sind, hören auch die Halle und die Zuhörer des Internet-Live-Streams das Lob für Tenace.
Die Professorin für Dogmatik an der Päpstlichen Universität Gregoriana hat sich gerade klar gegen eine Priesterweihe für Frauen ausgesprochen. Dies sei "keine angemessene Weise, ihre Würde anzuerkennen", empört sich Tenace geradezu. Ämter in der Kirche seien Dienste, die sich wiederum aus der Notwendigkeit dessen bestimmen, wie die Kirche ihre Aufgabe besser erfüllen könne. Zu dienen sei "kein Recht, sondern eine Pflicht".
Ihre Vorrednerin, die italienische Ordensschwester und leitende Kurienmitarbeiterin Alessandra Smerilli, stellt deutlich fest: Natürlich gebe es zu wenige Frauen in verantwortlichen Positionen in der Kirche. Das primäre Problem aber sei es, wie die Kirche ihrem Auftrag, den Menschen Gottes Liebe zu bezeugen, am besten nachkommen kann.
Wie das heute aussehen kann, schildert Chiara Amirante sehr eindrücklich. Wie sie als 27-jährige Politikwissenschaftlerin anfing, sich um Jugendliche und Kinder am Bahnhof Termini zu kümmern. Als vorletzte Rednerin der dreitägigen Konferenz ist sie die erste, die wirklich konkret wird. Leise, artikuliert und eindringlich berichtet sie vom "Volk der Nacht". Erzählt von Namen, Gesichtern und Schicksalen zwischen Missbrauch, Drogen, Prostitution, Spiel- und Internetsucht - auch in wohlhabenden Stadtvierteln.
Von der Idee ihrer "Comunita Nuovi Orizzonti" (Neue Horizonte), vom Hunger nach Liebe und Zuwendung. "So lebe ich mein christliches Priestertum", sagt die 55-jährige Laiin. Kaum jemand ist in der anschließenden Kaffeepause so gefragt wie Amirante. Kardinal Kevin Farrell als Moderator lobt: "Sie haben uns von der bloßen Theorie zur Praxis auf der Straße geführt."
Tenace: Alte Traditionen nicht einfach wiederbeleben
Kardinal Kurt Koch hatte gewarnt, die Frage nach einer Weihe von Frauen sei in der Ökumene die wohl schwierigste. Zwar seien katholische und orthodoxe Kirchen sich einig beim Ausschluss von Frauen vom Weiheamt. Evangelische Kirchen werfen ihnen mittlerweile aber in dem Punkt ein defizitäres Kirchenverständnis vor. Auch diesem Vorwurf soll mit dem Symposium zu einer "Fundamentaltheologie des Priestertums" begegnet werden. Statt der Forderung nach einer Frauenordination klingt immer wieder der Wunsch durch, die katholische Kirche möge neue Formen, Dienste und Beauftragungen finden.
Tenace, Mitglied der ersten, 2016 von Papst Franziskus eingesetzten Kommission zum antiken Frauendiakonat, warnt etwa: Auch wenn es in der Antike Diakoninnen mit einer eigenen Beauftragung gab, so dürfe man heute alte Traditionen nicht einfach wiederbeleben. "Es braucht mehr", fordert sie. Wie genau das Mehr aussehen kann, bleibt indes unklar.
Impulse erwarten sich etliche von Orden und geistlichen Gemeinschaften. Diese müssten "die Welt aufwecken, ihr prophetisch ins Gewissen reden", fordert Smerilli. Die französische Ordensfrau Alexandra Diriart wirbt ebenfalls für mehr Profilierung von Ordensleuten - und Ehepaaren. Auch dies sei nötig, um eine klerikale Schieflage der Kirche zu korrigieren.
Beim Thema Zölibat bleibt man eher allgemein, verteidigt ihn - wie eingangs schon Papst Franziskus - als "Geschenk". Allerdings müssten die Voraussetzungen stimmen, damit Priester zölibatär leben können. Der spanische Theologe Emilio Justo nennt ihn "eine andere Art zu lieben und geliebt zu werden". Mit Verweis auf Regelungen der Kirche im 1. Jahrtausend, wo Ehemänner enthaltsam leben sollten, deutet Justo vorsichtig mögliche Zugeständnisse an. So könne man eine Weihe älterer Männer, nach Abschluss der Familienphase, überlegen.
Insgesamt ist eine andere Diskussionskultur spürbar - romanisch statt germanisch-angelsächsisch: Kontroverse Details werden eher nicht öffentlich angesprochen. Viel Selbstvergewisserung katholischen Amtsverständnisses auf Basis antiker Kirchenväter, Thomas von Aquin, des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und der Päpste seither. Allgemeine Schilderungen deuten allenfalls Nuancen an.
Deutsche Debatte steht im Hintergrund des Treffens
Franziskus selbst hatte das Symposium eröffnet. Mit einem eher persönlichen Statement über Nähe - derzeit eines seiner Lieblingsthemen - im priesterlichen Leben: Nähe zu Gott im Gebet, Nähe zum Bischof und Mitbrüdern im offenen Austausch sowie Nähe zum Volk Gottes, indem der Priester das Leben der Menschen teilt, ihnen zuhört.
Organisiert hatte Kardinal Marc Ouellet das Symposium mit dem in Frankreich ansässigen "Recherchezentrum für eine Anthropologie der Berufung". Als wichtigen Grund nennt Ouellet in seiner Eröffnungsrede die Krise des Priestertums, maßgeblich verschärft durch den Skandal des Missbrauchs und dessen Vertuschung. Kirchenspezifische Ursachen für eine derartige Unkultur nennen die Redner in der Audienzhalle allenfalls indirekt oder streifen sie.
Im Übrigen sei das Symposium nicht dazu gedacht, "um das, was in Deutschland geschieht, zu lenken oder in Frage zu stellen", so Ouellet in einem Interview. Allerdings stehe die deutsche Debatte durchaus im Hintergrund der Beiträge.
Es wäre interessant gewesen, wenn in Frankfurt auch Stimmen aus dem internationalen Symposium zu hören gewesen wären - und in der vatikanischen Audienzhalle Stimmen aus dem Synodalen Weg. Immerhin verstehen beide Veranstaltungen sich auch als Teil des vom Papst initiierten weltweiten synodalen Prozesses.
kna