Pilgern
Kein Weg unter vielen
Stefan Lohmann
Vor zehn Jahren revitalisierte Dieter Prüschenk den Braunschweiger Pilgerweg und zum Jubiläum am 2. September blickt der 76-Jährige durchaus ein wenig stolz auf den Erfolg.
Europa ist von einem wahren Netzwerk an Pilgerwegen durchzogen. Santiago de Compostela, Rom und Jerusalem waren einige der Ziele im Mittelalter. Der Fund des Grabes des Heiligen Jakobus als einem der zwölf Jünger Jesu hatte ab dem 9. Jahrhundert eine wahre Pilgerbewegung ausgelöst. Millionen Menschen machten sich auf den Weg, geradezu als „heilige Pflicht“, um das ersehnte Seelenheil zu erlangen. Viele Wege gerieten in Vergessenheit, wurden in den vergangenen Jahrzehnten wiederentdeckt.
Auch der Braunschweiger Jakobsweg verlief einst als Teil der alten europäischen Routen nach Santiago de Compostela, führt entlang eines alten Handelswegs – des Hellwegs, der heutigen Bundesstraße 1 – von Ost nach West. Für Prüschenk ist die gut 270 Kilometer lange Route aber nicht einfach ein Pilgerweg unter vielen. „Das ist ein ganz wichtiger Weg“, so seine Einschätzung. 2013 vereinbarten die Evangelische Akademie für die Landeskirche Braunschweig, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und das katholische Bistum Hildesheim eine Projektpartnerschaft zur Wiederbelebung dieses ökumenischen Erbes. „Der Jakobsweg zwischen Magdeburg und Braunschweig, Hildesheim und Höxter ist altes Kulturgut“, betont der Projektleiter.
Pilgern ist mehr
als Wandern
„Die Route wird sehr gut genutzt“, stellt Prüschenk fest. Dreißig eigens ausgebildete Begleiter sind jährlich mit um die 600 Pilgern bei verschiedenen Touren unterwegs, weit mehr machen sich allein oder in Gruppen auf den Weg. So nutzen pro Jahr um die 1500 Pilger den Weg von Magdeburg über Braunschweig und Hildesheim bis Corvey an der Weser – mit steigender Tendenz. „Es nimmt zu“, sagt Prüschenk. „Der Weg wird immer bekannter“ – und sicher habe auch die Corona-Pandemie dem Pilgern einen weiteren Schub gegeben – lange Urlaubsreisen waren unmöglich, und unterwegs in der Natur ließen sich Abstandsgebote gut einhalten,
Doch Pilgern ist mehr als Wandern. Der geistige Aspekt, die Besinnung, Meditation seien nicht zu unterschätzen. „Pilgern, das ist der beständige Wechsel von Bewegung und Andacht“, definiert Dieter Prüschenk. Und das mache etwas mit dem Pilger, man öffne sich dabei. „Manch einer macht sich auf den Weg, um zu sich selbst zu finden – und findet Gott. Andere machen sich auf den Weg, um Gott zu finden und finden sich selbst.“
Den besonderen Reiz des Braunschweiger Jakobswegs kann der 76-Jährige in zwei Slogans zusammenfasen: „Von Wasser zu Wasser“ – der Weg führt von der Elbe über Oker, Leine und Aller bis an die Weser – und „von Dom zu Dom und Kloster zu Kloster“. So ist der Magdeburger Dom ebenso Station wie der in Königslutter oder der in Hildesheim. Am Weg finden sich zudem 47 Pilgerkirchen, und mit Marienborn wird auch einer der ältesten Wallfahrtsorte Deutschlands berührt, denn der gleichnamigen heiligen Quelle wurde ab dem 12. Jahrhundert eine heilende Wirkung zugeschrieben. Dazwischen findet sich nach Worten Prüschenks eine reizvolle Landschaft, mit der hügeligen Magdeburger Börde, dem Mittelgebirgszug Elm, der flachen Hildesheimer Region mit seinem weiten Himmel, und schließlich dem Weserbergland. Doch der Weg verbindet eben auch Ost und West „und erinnert seit dem 25. Jahr des Mauerfalls an das kostbare Gut des Friedens“ – und ist ein „ökumenisches Symbol mit großer Kraft“, der die katholischen Bistümer mit den evangelischen Landeskirchen verbindet.
Prüschenk wird
verabschiedet
Das zehnjährige Bestehen des Braunschweiger Jakobswegs wird am Samstag, 2. September, mit einem Pilgerfest unter dem Motto „Alte Tradition in neuer Zeit“ gefeiert – natürlich mit einer Jubiläumspilgertour. Start ist um 10 Uhr an der Klosterkirche Riddagshausen (Klostergang 57) in Braunschweig. Bei der Abschlussandacht um 15 Uhr in St. Andreas wird Dieter Prüschenk als ehrenamtlicher Projektleiter verabschiedet und seine Nachfolgerin Angela von Schreiber-Stroppe in ihr neues Amt eingeführt.