Indizien für Luthers Thesenangeschlag
„Keine ernsthaften Zweifel“
„Luthers Thesenanschlag“ (Gemälde von Ferdinand Pauwels): Am 31. Oktober 1517 soll der Reformator Martin Luther (1483–1546) seine 95 Thesen an die Pforte der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen und damit die Reformation ausgelöst haben. | Fotos: epd |
Hasselhorn sagte: „Zudem wurde in der Wissenschaft auch Kritik am Thesenanschlag als Symbol und damit am Mythos laut.“ Dabei sei es um die Verwendung des Hammers als Symbol gegangen, das beispielsweise für die Nationalen Sonderausstellungen genutzt wurde. Hasselhorn und Gutjahr wollen nun alle relevanten Quellen zusammengetragen haben und haben auch die Gründe, warum das Ereignis angezweifelt wurde, auseinandergenommen. Hasselhorn betonte: „Nach unserer Einschätzung sind keine ernsthaften Zweifel am Thesenanschlag möglich. Wir können das natürlich – wie immer in der Geschichtswissenschaft – nicht mit absoluter, aber doch mit relativer Sicherheit sagen.“ Die Indizien dafür seien überwältigend und überzeugend.
Die Historiker verweisen unter anderem auf eine Notiz von Luthers Privatsekretär Georg Rörer als früheste Quelle über die Geschehnisse des 31. Oktober 1517 und auch auf Luthers Freund und Mitstreiter Philipp Melanchthon (1497–1560), der den Thesenanschlag bezeugte. Zudem spricht aus Sicht der Autoren wenig dafür, dass Luther mit Leim und Pinsel vorgegangen ist, wie das im vergangenen Jahr immer wieder ins Gespräch gebracht wurde, sondern vielmehr wirklich mit einem Hammer.
Demnach hatte Martin Luther (1483–1546) am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, und an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.
Thesentür der Schlosskirche in Wittenberg: Hier soll Luther seine Thesen angeschlagen haben. |
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), selbst Wittenberger und Katholik, sagte anlässlich der Buchvorstellung, in Wittenberg habe es nie Zweifel an diesem historischen Fakt gegeben. Auch der wissenschaftliche Streit darum habe das nicht destabilisieren können. Selbst als Katholik werde er jedem Konjunktiv in Bezug auf den Thesenanschlag vehement entgegen treten.
Der renommierte Göttinger Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann äußerte sich indes kritisch zu der Publikation. Die Autoren legten kein einziges neues Quellenzeugnis vor, erklärte er dem Evangelischen Pressedienst. In einem Beitrag Kaufmanns für das „Rotary Magazin“ (Oktober) heißt es, zwar ergänzten die Autoren die bisherige Debatte um die Frage der Historizität des Thesenanschlages um eine im Ganzen durchaus nutzbare Zusammenfassung. Die Mehrheit der Reformationshistoriker gehe allerdings nicht erst seit gestern davon aus, dass die Thesenanbringung an den Wittenberger Kirchentüren die wahrscheinlichste gewesen sein dürfte.
Doch keines der Zeugnisse, die für einen Thesenanschlag angeführt werden könnten, sei in dem Sinne zwingend, dass ihm eine letzte Beweiskraft innewohnte, so Kaufmann: „Zur Historizität des Thesenanschlags liegen Indizien vor, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wer hier ‚mehr‘ bieten zu können und zu sollen meint, mag allerlei Interessen verfolgen, strapaziert aber die Grenzen wissenschaftlicher Redlichkeit auf unangenehme Weise.“
Das Buch „Tatsache! Die Wahrheit über Luthers Thesenanschlag“ wurde von der Evangelischen Verlagsanstalt in Leipzig herausgegeben. Mirko Gutjahr, 1974 in Pforzheim geboren, ist Historiker und Archäologe. Er kuratierte zum 500. Reformationsjubiläum 2017 die Nationale Sonderausstellung „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“. Benjamin Hasselhorn, 1986 in Göttingen geboren, ist Historiker und Theologe. Er ist wie Gutjahr ebenfalls Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten und kuratierte ebenso die Nationale Sonderausstellung in Wittenberg.