Digitalisierungsprojekt des Bistumsarchivs
Kirchliches Leben im 19. und 20. Jahrhundert
130 000 Seiten wurden seit April bereits gescannt und digital erfasst, am Ende sollen es 200 000 sein. Wenn die dann auch noch bearbeitet sind, kann jeder Interessierte auf diese geschichtsträchtige Quelle online zugreifen.
Nach zwei großen Digitalisierungsprojekten in der Vergangenheit, die Digitalisierung des Urkundenbestands und die Digitalisierung der Kirchenbücher, läuft im Bistumsarchiv Hildesheim ein neues großes Projekt, das vom Deutschen Bibliotheksverband für ein Jahr gefördert wird. „Diesmal geht es um die Digitalisierung von Dokumenten, die das 19. und 20. Jahrhundert beleuchten und lebendig werden lassen“, erklärt Thomas Scharf-Wrede, Direktor des Bistumsarchivs.
So werden seit April von einem vierköpfigen Team Dokumente gesichtet und mit einem Spezialscanner digitalisiert, mit denen sich das kirchliche Leben in diesem Zeitabschnitt in aussagekräftiger Weise rekonstruieren lässt. „Zu diesen Dokumenten gehören unter anderem Pfarrchroniken und Visitationsberichte, Statistiken, Protokolle von Kirchenvorstandssitzungen sowie Hirtenbriefe der Hildesheimer Bischöfe, der Kirchliche Anzeiger und die KirchenZeitung“, erläutert Julia Zech, sie ist Historikerin und Schriftenexpertin. Da wo andere bei handschriftlichen Eintragungen streiken, läuft sie zur Hochform auf. „Mir macht das einfach Spaß“, sagt sie.
Bevor die Dokumente gescannt werden können, steht erst einmal die Recherche. „Da schauen wir zurerst einmal, was der Bestand im Archiv hergibt. Wir schauen uns das Dekanat an und treffen dann eine Ortsauswahl. Die Erfahrung bringt es mit sich, dass man irgendwann weiß, wo man einhaken muss, welcher Ort in diesem Dekanat interessant ist. Und da wird dann genauer hingeschaut“, erklärt Nadja Kehe, die Kunsthistorikerin im Team. Besonders gefragt ist sie, wenn es um alte Fotos geht.
„Wichtig ist für unsere Arbeit, dass sie auf den Service für den späteren Nutzer angelegt ist“, betont Bibliothekarin Malgorzata Schloetmann. Denn das Ergebnis soll später die Menschen einladen, sich mit ihrer eigenen Identität, ihrer Herkunft auseinanderzusetzen. „Man kann soviel aus den alten Akten und Unterlagen herausholen. Gab es vielleicht eine hohe Kindersterblichkeit, wie war das Heiratsalter, wie alt sind die Menschen geworden, welche Probleme hatten sie oder welchen Berufen gingen sind nach?
„Interessant ist für uns das Menschelnde, wie die Menschen gelebt haben. Gerade in Geschäftsbriefen der Epoche erfährt man vieles auch über die Menschen in den Gemeinden. Denn die Briefe behandelten sowohl Geschäftliches, als auch Privates“, so Zech. Schließlich kommt alles, was für interessant befunden wird, unter den Scanner und wird eingelesen. „Eingescannt wird alles, was archivrechtlich frei einsichtbar ist“, erklärt Scharf-Wrede. Doch bis das neue Online-Archiv auch genutzt werden kann, ist noch viel Arbeit zu erledigen.
Edmund Deppe