Erinnerungsort für jene, die sonst keinen hätten

Kleine Schritte sind eine Kunst

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In der Cottbuser Propstei gibt es ein Lebensbuch, um einen realen Ort der Erinnerung zu haben: an tote Angehörige, die vielleicht nicht am Ort beerdigt wurden oder für die es keine Grabstätte gibt.


Michael Doll begleitet schon über Jahrzehnte Menschen am Lebensende und ihre Familien. Er weiß, dass das auch zur Bereicherung seines Lebens beiträgt.    Foto: Holger Jakobi

Die Erinnerung ist eine Kraft des Trostes, die Trauernden beim weiterleben hilft, ist sich Michael Doll von den Cottbuser Maltesern sicher. Aus seiner langjährigen Arbeit mit Menschen, die einen lieben Angehörigen verloren haben, weiß er, dass die Erinnerung wichtig ist und bleibt. Um dieser Erinnerung eine realen Ort zu geben, wird in der Propsteikirche St. Maria Friedenskönigin ein Lebensbuch aufbewahrt.

Die Idee dazu brachte der damalige Kaplan und heutige Pfarrer von Lübbenau, Marko Dutzschke mit. Michael Doll: „Das Lebensbuch soll eine Brücke sein, zwischen Lebenden und Verstorbenen. Trauernde Menschen können dort ihre verstorbenen Angehörigen eintragen und ihnen eine kleine Botschaft aufschreiben.“ 

Statt eines Grabes ein Buch zur Erinnerung

Zu den Andachten, an denen das Buch geöffnet wird, sind beispielsweise Frauen eingeladen, die ihren Mann im Krieg verloren haben oder Menschen, die um weit entfernt beigesetzte Angehörige und Freunde trauern, Eltern, die ihre Kinder verloren haben und kein Grab besuchen können, weil es keines gibt … Aber auch für diejenigen, die um die Urnengräber auf den Wiesen der Friedhöfe wissen und eigentlich ihre Toten vom Gefühl her wieder ausgraben möchten.

Alle Menschen sollen im Lebensbuch und der Marienkirche einen ganz persönlichen und konkreten Ort des Trauerns haben, betont Michael Doll. Auch ist niemand genötigt, etwas bei den Feiern ins Buch zu schreiben oder ein Wort zu sagen. „Einfach kommen, genießen und gedenken.“ Michel Doll begleitet seit 1996 Sterbende, deren Angehörige und Trauernde. „Ich lasse mich gerne darauf ein, weil ich weiß, dass es unser Leben reicher macht. Ich wünsche jedem, dass er einmal im Leben die Erfahrung macht, einem Menschen beim Sterben beizustehen.“

Inzwischen hat Michael Doll die Leitung als Koordinator des Hospizdienstes der Malteser in Cottbus an Christiane Schwarz abgegeben. Selbst bleibt er aktiv. So bei den vier Andachten mit der Öffnung des Lebensbuches. Diese finden immer am zweiten Freitag in den Monaten Februar, Mai, September und November statt. Beginn ist jeweils um 16 Uhr. Bei dringenden Anlässen wird das Lebensbuch nach Absprache auch zu anderen Zeiten geöffnet.

Lernen, das Leben wieder anzunehmen

Begleitet werden die Andachten immer von einem Pfarrer der Gemeinde – im Februar von Pfarrer Christoph Lamm. Neben der musikalischen Umrahmung erinnert er an die „Kunst der kleinen Schritte“. Diese sind es, die Gewissheit geben, auf dem richtigen Weg zu sein. Große Schritte hingegen, so Christoph Lamm, können aus dem Gleis werfen.

„Wir dürfen uns Zeit nehmen. Kleine Schritte sind eine Kunst, weil dieses langsame Schreiten eine Zeit ist, die uns wirklich verändert.“ So kann das Glück im Herzen gefunden werden. Abschließend sagte der Pfarrer: „Schwierigkeiten gehören zum Leben. Wir dürfen leben, seien wir dankbar dafür und lassen wir uns auf Neues ein.“

Von Holger Jakobi

Weitere Informationen und Kontakt: Christiane Schwarz, Telefon 03 55 / 5 84 20 30, E-Mail christiane.schwarz4@malteser.org oder michael.doll@malteser.org; www.malteser-cottbus.de