Forschungszentrum will positive Kraft von Glaube untersuchen

Können religiöse Rituale auch Nichtgläubige empowern?

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Michael Domsgen lächelt in die Kamera
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kna/Jörg Hammerbacher

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Michael Domsgen ist Professor für evangelische Religionspädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und leitet das Forschungszentrum "Christliches Empowerment in der Säkularität".

Wie kann der christliche Glaube Menschen Mut machen und zu einem selbstbestimmten Leben führen? Mit diesen Fragen will sich das neue Forschungszentrum "Christliches Empowerment in der Säkularität" an der Universität Halle beschäftigen. An diesem Montag findet dazu eine Auftakttagung statt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit dem Direktor und Religionspädagogen Michael Domsgen über Arbeitshypothesen und Forschungsthemen.

Herr Professor Domsgen, Empowerment aus christlicher Perspektive - was muss man sich darunter eigentlich vorstellen?

Empowerment zielt auf Lebenshilfe, die Menschen befähigt, ihren eigenen Kräften zu vertrauen und ihr Leben selbstständig zu gestalten. Das ist nicht ausschließlich christlich, aber eben auch christlich beschreibbar. Letztlich geht es darum, darüber nachzudenken, wie aus christlicher Perspektive die Möglichkeiten erweitert werden können, dass Menschen ihr Leben selbstbestimmt leben.

In Empowerment steckt der Begriff Power drin. Er verweist auf Ermutigung, aber auch auf die Machtfrage: In welchen Strukturen stecke ich eigentlich? Komme ich darin überhaupt zur Ermutigung oder gibt es strukturelle Hindernisse?

Dass die christliche Botschaft empowern kann, ist für Sie gesetzt?

Davon gehen wir aus. Das ist unsere Arbeitshypothese, dass das vom Selbstanspruch des Evangeliums her so ist. Aber: Es wird etwas nur dann zur Frohen Botschaft, wenn Menschen diese Botschaft auch als froh machend erleben können.

Können Sie die Ansatz des neuen Forschungszentrums noch ein bisschen genauer beschreiben?

Wir wollen wissen, was Menschen Mut macht und Kraft gibt, und wie dabei die Kommunikation des Evangeliums ins Spiel kommen kann. Wir wollen herausfinden, in welcher Weise das Evangelium als Ressource dafür geltend gemacht wird und wie Menschen dies nutzen.

Auf welche Menschen richtet Ihr Zentrum denn den Fokus: Gläubige wie Nicht-Gläubige?

Wir schauen vor allem auf Menschen, die nicht religiös sozialisiert wurden und diejenigen, die von sich sagen, nicht religiös zu sein. Dabei ist nicht nur der mitteldeutsche Raum im Blick. Säkularisierungsprozesse greifen ja mit regionalen Unterschieden in ganz Deutschland. Auch Kontexte in Osteuropa oder in den Niederlanden sind für uns interessant.

Und welche konkreten Themen werden untersucht?

Die erste Forschungsstelle arbeitet religionspädagogisch. Wir wollen wissen, wie Menschen Religion lernen, wie sie sich ihre Zugänge dazu bauen. Wir beschäftigen uns zum Beispiel mit den Lebenswendefeiern in Halle, die inzwischen von der Mehrheit der Jugendlichen in der Stadt besucht werden. Das ist ein ökumenisches Angebot der Kirchen für Jugendliche und ihre Familien, die nicht religiös sind. Quasi als Alternative zur Jugendweihe. Unsere Studie untersucht, warum das so gut klappt.

Die zweite Forschungsstelle hat einen kirchenentwicklerischen Fokus. Wir schauen auf Aufbruchsituationen, evaluieren zum Beispiel die sogenannten "Erprobungsräume", also Projekte in der Kirche, die Innovationen anstoßen und neue Gemeindeformen oder Zugangswege versuchen. Die dritte Forschungsstelle befasst sich mit Kirchentheorie in Ökumene und Wissenstransfer. Dort nehmen wir gezielt andere Kontexte in den Blick und fragen, was wir davon lernen können.

Was sind denn entscheidende Faktoren, damit sich solch ein christliches Empowerment entfalten kann?

Ganz wichtig ist die Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Es ist die Erfahrung, mit meinen Möglichkeiten - theologisch: mit den Gaben, die mir geschenkt wurden - mein Leben gestalten zu können. Dazu gehören Partizipation und Vernetzung. Auf diese Weise kann ich auf neue Weise mit der eigenen Verletzlichkeit umgehen. Die christliche Lebensform kann dafür wichtige Impulse bieten.

Interview: Karin Wollschläger