Dessauer Funkkontakt zur Antarktis

Kontakt mit dem Ende der Welt

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Schüler des Dessauer Liborius-Gymnasiums funkten mit einer jungen Ingenieurin von der Polarforschungsstation Neumayer III in der Antarktis. Physiklehrer-Ehepaar Home machte die Praxis-Erfahrung möglich.

Annika (Erste von links) und Lukas (Dritter von links) moderierten die Veranstaltung. Auf dem Bild sind außerdem Elke und rechts vorn Karl bei Vorbereitungen für den Funkkontakt zu sehen. Karl war Ansprechpartner für die Presse.    Foto: Liborius-Gymnasium

 

„Hier ist Delta Papa Null Golf Viktor November. Guten Morgen!“ Die Stimme von Theresa Thoma war schon beim zweiten Versuch klar und deutlich in der Aula des Dessauer Liborius-Gymnasiums zu hören. Spontan brandete kräftiger Beifall unter den versammelten Schülern auf: Der Funkkontakt zur deutschen Südpolar-Forschungsstation „am anderen Ende der Welt“ war hergestellt.
Und schon ging es los mit den Fragen an die junge Ingenieurin Theresa und drei ihrer Wissenschaftlerkollegen – Linda, Paul und Timo – auf der Neumayer Station III in der Antarktis: Nein, richtig gefährliche, lebensbedrohliche Situationen gab es noch nicht. Aber einen schweren Schneesturm im vergangenen August. Privatsphäre? „Im Winter haben wir jeder ein eigenes Zimmer, das wir uns ein bisschen eingerichtet haben“, berichtete Thoma. (Im Polarsommer ist die Besatzung mit bis zu 40 Personen vier Mal größer – die Red.) Und wer mal die Nase voll habe, könne in die weite Antarktis ausfahren, so die 27-Jährige. Wochenende und Urlaub gebe es natürlich nicht. Dafür Pinguine, die ziemlich neugierig seien. Auch eine Flasche Wein wird gelegentlich miteinander getrunken. Und einen Tischkicker gibt es auch.

Informatik studiert und Pferde als Hobby
Theresa Thoma stammt aus dem bayerischen Fürstenfeldbruck. Sie hat Elektronik und Informatik studiert und war für ein Jahr, das jetzt gerade zu Ende geht, auf der Forschungsstation im Bereich Funk/Elektronik/IT tätig. Den Kontakt zu der jungen Frau, die im übrigen Pferde liebt und gern strickt, hatten die Physiklehrer Kathrin und Jens Home bei einer Amateurfunk-Tagung knüpfen können.
„Für mich war am Gespräch mit Theresa und den anderen Wissenschaftlern besonders interessant, dass sich einige für eine Weltraum-Mission bewerben“, sagte Schüler Linus Gans. „Und dass die Versorgung der Internationalen Raumstation ISS mit Lebensmitteln einfacher ist als die der Neumayer-Station, weil sie im Polarwinter, bei uns ist dann Sommer, nicht erreichbar ist.“

 

Die Neumayer-Forschungsstation wird vom Alfred-Wegener-Institut ganzjährig betrieben. Sie hat 210 Quadratmeter wissenschaftliche Laborfläche und maximal 40 Schlafplätze.    Foto: Felix Riess/CC BY-SA 3.0 de


Wochenlang hatten sich Schüler des Grund- und Leistungskurses Physik Klasse 12 und der Arbeitsgemeinschaft Amateurfunk des Gymnasiums mit ihren Lehrern auf die Funkverbindung vorbereitet. „Der Kontakt sollte schon im August vergangenen Jahres stattfinden, doch bei dem schon erwähnten Schneesturm ging die Satelliten-Anlage der Neumayer-Station kaputt“, erzählt Schüler Karl Richter.
Für den neuen Termin, jetzt am 8. Februar, hatten Schüler für ein kleines Rahmenprogramm kurze, lebendige Präsentationen erarbeitet. So erläuterten drei Schülerinnen mit Hilfe eines Globus, wie die geradlinigen Funkwellen aus Dessau über einen geostatio-
nären Satelliten in die Antarktis gelangen können. Der Satellit steht in zirka 37 000 Kilometern Höhe über Zentralafrika. Eine Schülerin und ein Mitschüler aus dem Leistungskurs brillierten mit physikalischen Formeln rund um das Funken. Andere junge Leute erklärten, was es mit den Polarlichtern auf sich hat. Wieder andere stellten die Forschungsbereiche vor, denen sich die Wissenschaftler der Neumayer-Station widmen, so zum Beispiel im Blick auf Veränderungen des Eises, den Klimawandel oder auf Tiere wie Delphine und Wale.

Über den eigenen Tellerrand blicken
Fast eine Stunde redeten die Schüler per Funk mit den Wissenschaftlern. Neben den an der Aktion aktiv Beteiligten konnten coronabedingt nur die Schüler der zehnten Klassen, die vor der Wahl stehen, welche Kurse sie im nächsten Schuljahr belegen, mit dabei sein. „Unsere Physiklehrer machen einen guten Job“, bringt es Zwölftklässler Karl Richter auf den Punkt. „Sie verstehen es, uns Geschmack an der Physik zu machen.“ Gern erinnert sich der Abiturient an den Funkkontakt zur ISS-Raumstation mit dem Astronauten Alexander Gerst 2018. „Das war auch schon ein prägendes Erlebnis.“ Das Funken habe etwas „Ursprüngliches“. „Du drückst den Knopf, hörst das Rauschen und dann die Stimme. Das hat was Gemeinschaftliches und es eröffnet Kontakte zu Menschen anderer Kulturen und Sprachen“, so der 18-Jährige. Auch für Linus Gans hat das Funken über die physikalisch-technischen Aspekte hinaus etwas Reizvolles: „Es bietet die Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und Toleranz und Akzeptanz gegenüber unterschiedlichsten Menschen einzuüben.“

Mehr: www.liboriusdessau.de

Von Eckhard Pohl