Katholikentag in Stuttgart beendet
"Künftig schmaler, jünger, besser"
Podien, Diskussionen, Gebet und Musik: Zum Katholikentag kamen 27.000 Gläubige nach Stuttgart. Doch vieles war gedämpfter als sonst.
Die Glockenklänge von Stuttgart hallen auch nach dem Katholikentag nach. Das minutenlange Läuten für den Frieden zeigt: Die katholische Kirche in Deutschland pflegt ihre eigenen Traditionen und will doch weiter mitmischen bei den drängenden Problemen der Zeit. Das Thema Krieg und Frieden bildete einen Schwerpunkt des fünftägigen Treffens, das am Sonntag zu Ende ging und deutlich weniger Gäste anlockte als sonst.
Ob das Geläut in allen katholischen Kirchen der Stadt dem russischen Präsidentin Putin in den Ohren klingt? Oder ihn gar zum Einlenken bringt? Eher nicht. Aber eine Kundgebung mit ungezählten blau-gelben Schals, Friedensgebete und Podien setzten weitere Signale der Verbundenheit mit den Menschen in und aus der gebeutelten Ukraine.
Mit brüchiger Stimme sprach Irme Stetter-Karp ihr Mitgefühl aus. Die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken erinnerte unter Tränen an die Opfer des Krieges: "Wir teilen Ihre Verzweiflung, wir teilen Ihre Trauer über die Toten und Verwundeten." Dieser Katholikentag wollte "ein starkes Zeichen für den Frieden aussenden", formulierte der gastgebende Bischof Gebhard Fürst unter Beifall.
Doch nicht nur Corona und der Krieg und die anhaltende Kirchenkrise sorgten dafür, dass beim 102. Katholikentag vieles gedämpfter war als üblich. Abgesehen von dem (evangelischen) Bundespräsidenten und dem (konfessionslosen) Kanzler kamen diesmal kaum Spitzenpolitiker. Vor allem Union und FDP glänzten hier durch Abwesenheit.
Zudem entschieden sich erheblich weniger Menschen für eine Teilnahme als zuletzt vor vier Jahren in Münster. Dort waren es noch mehr als 70.000, jetzt 27.000. Prompt pochen die Ersten auf Konsequenzen. "Der Katholikentag muss schmaler werden, damit er besser wird", forderte Bischof Ulrich Neymeyr aus Erfurt, wo 2024 das nächste Treffen stattfindet.
Und der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck regte als Folge mehr gemeinsame Großveranstaltungen der beiden Kirchen an. Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Präsidentin des Bundesgerichtshofs, Bettina Limperg, stießen ins selbe Horn.
Viele Jüngere blieben fern
Zudem muss es gelingen, wieder verstärkt junge Leute anzuziehen. Denn: Allem Anschein nach blieben diesmal auffallend viele Jüngere fern. Zeichen einer wachsenden Entfremdung zwischen der Kirche und dem Großteil einer ganzen Generation.
So waren rund um den Schlossplatz vor allem über 60-Jährige mit korallfarbenen Katholikentags-Bändchen zu sehen. Die religiösen Gäste haben die sechstgrößte Stadt Deutschlands zwar nicht geprägt, aber die City sehr belebt. Bei Maultaschen und Musik wirkten viele froh, endlich wieder ein Glaubensfest in Präsenz feiern zu können.
In der florierenden Autostadt Stuttgart hat auch der zuletzt stotternde Motor für kirchliche Reformen neuen Schwung erhalten, vor allem durch prominente Stimmen aus der Politik. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzte Akzente, nicht nur in der Ansprache zur Eröffnung.
Er suchte bewusst den Stand des Reformprojekts Synodaler Weg auf und warnte indirekt vor einem Bedeutungsverlust: "Unsere Gesellschaft braucht eine starke Kirche, die relevant ist. Deshalb hoffe ich, dass Sie in ihren Anstrengungen für Kirchenreformen vorankommen." Selten wurde der Zusammenhang zwischen Reformen und Relevanz von hoher Stelle so klar benannt.
Auch Länderchefs wie Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) machten auf ähnliche Weise Dampf. Sie zeigten sich besorgt, dass die Kirche ihre gesellschaftliche Kraft leichtfertig verspielen könnte. Bei ihrem deutschen Reformprojekt, das international auch kritisch beäugt wird, geht es unter anderem um Macht und die Rolle von Frauen in der Kirche.
Konservative Stimmen fehlten
Auffallend war, dass die meisten Podien nicht kontrovers besetzt waren. So schmorten die Modernisierer im eigenen Dunst. Sollten andere nicht dazu oder wollten sie nicht? Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki jedenfalls zog eine Parallelveranstaltung im rheinischen Wallfahrtsort Neviges vor.
Mitten in die Tage von Stuttgart platzten Vorwürfe gegen den Limburger Bischof Georg Bätzing, der einen Pfarrer trotz Vorwürfen sexueller Belästigung befördert hatte. Zwar verteidigte der Bischof die Entscheidung, sprach von einer Art Rehabilitation. Doch die Folgen lassen sich nicht abschätzen. Bätzing ist auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und geht meist keiner Diskussion aus dem Weg.
In einem Podium mit dem Titel "Wer braucht noch die Kirche?" räumte er in anderem Zusammenhang ein: "In der Situation, wo wir jetzt sind, betrügen wir viele Menschen um eine Brücke zu Gott. Das ist das, woran ich leide." Im Schlussgottesdienst zog Bätzing eine Art Bilanz von Stuttgart: "Wir haben gebetet, diskutiert und auch die vielen ungeklärten Fragen ausgehalten." Sie stehen also weiterhin im Raum.
kna