Wiegand Otterbach und die Synodale Arbeit im Bistum Limburg
Kutsche oder Auto
Wiegand Otterbach spricht gerne in Bildern. Aber nicht um den heißen Brei herum. „Viele nennen das flapsig“, sagt er schmunzelnd. Doch selten bleibt unklar, was er meint. Das gilt auch für seine synodale Arbeit im Bistum Limburg. Von Heike Kaiser
Der 69-jährige Wiegand Otterbach spricht eine unmissverständliche Sprache. Kritisch, aber nicht verletzend. „Mir wird schon manchmal vorgeworfen, zu sehr auf Konfrontation zu gehen, aber nur so können Standpunkte geschärft werden“, ist seine Meinung. Er beginnt kein Gespräch mit einem Kompromiss. Und ist gerade deswegen tolerant. „Denn um tolerant sein zu können, muss ich eine eigene Meinung haben“, zitiert er ein Wort des früheren Limburger Bischofs Franz Kamp-haus.
Ihm liegt daran, den Glauben in Bildern darzustellen, „die der heutigen Vorstellung entsprechen; nicht auf Kosten des Glaubens, sondern, ganz im Gegenteil, um das, was wir vermitteln wollen, besser zu erklären“. Konkrete Bilder, räumt Otterbach ein, „müssen aber erst noch gefunden werden“. Motive hingegen fallen ihm spontan viele ein. „Eines, das mir nicht aus dem Kopf geht, ist, dass es da einen Gott gibt, der die ganze Welt im Blick hat. Der den Menschen einen freien Willen gibt, das eine oder andere auch falsch zu machen, der sie aber nicht verurteilt.“
In den vielen Prozessen „die Übersicht verloren“
Besonders in der synodalen Arbeit will er seine eigene Sichtweise einbringen, auf Entwicklungen hinweisen, „die ich gut und richtig finde, aber auch auf die, die ich leider nicht unterschreiben kann“. Als Beispiel nennt er die vielen Prozesse, die gerade in seinem Heimatbistum Limburg anstehen. Seine Erfahrung: „Bei jedem Vorschlag wird auf irgendeinen Prozess verwiesen, dem man nicht vorgreifen will. Da habe ich inzwischen die Übersicht verloren“, gibt er unumwunden zu. Bildlich ausgedrückt: „Wir streiten uns, ob wir die Wand rot oder grün anmalen, aber die Frage, ob wir sie überhaupt noch brauchen, stellt keiner.“
Auch den bundesweiten Synodalen Weg beschreibt Wiegand Otterbach bildlich: „Wir reparieren die Kutsche und merken dabei nicht, dass wir seit langem schon ein Auto brauchen.“ Die Welt bewege sich in einem Tempo, „in dem die Kirche oft nicht mitkommt. Sonntags steigen wir um in die Kutsche, montags fahren wir wieder Auto. Ist es nicht Zeit, die Kutsche ins Museum zu stellen?“, fragt er. „Der romantische Sonntag wird doch der Zeit nicht mehr gerecht“, unterstreicht er. „Kein Indianer würde ein totes Pferd reiten, aber wir versuchen es immer wieder.“
Wiegand Otterbach sieht den Synodalen Weg kritisch, aber die Gefahr einer Kirchenspaltung sieht das ZdK-Mitglied nicht. „Dafür haben die Bischöfe die Einheit der Kirche viel zu sehr im Blick“, ist er überzeugt. Dass es den Synodalen Weg gibt, begrüßt er durchaus: „Weil alles angesprochen werden kann.“
Der ehemalige Vizepräsident der Limburger Diözesanversammlung bezweifelt, dass durch den Synodalen Weg „ein Ruck durch die Bischofskonferenz“ geht. Es werde nur etwas getan, wenn der öffentliche Druck wachse. „Die Änderung der Grundordnung für kirchliche Mitarbeiter ist jetzt selbstverständlich“, nennt Otterbach ein Beispiel, „vor einem halben Jahr hat noch kein Bischof davon geredet.“ Erst als kirchlich Beschäftigte den Mut hatten, sich in einer Fernsehdokumentation im Januar als queer zu outen, sei dieser Wandel herbeigeführt worden, unterstreicht Otterbach.
Bei aller Kritik, die der engagierte Synodale an „seiner“ Kirche äußert, spricht aus seinen Worten auch eine tiefe Verbundenheit, ein fest verwurzelter Glaube, den er nicht bereit ist aufzugeben. 1953 in Niederfischbach im Bistum Trier geboren, stammt er aus demselben Heimatort wie der Limburger Bischof Georg Bätzing. „Wir kannten uns schon als Dorfkinder“, erzählt Otterbach schmunzelnd.
Inzwischen lebt der Bauingenieur in Höhr-Grenzhausen im Westerwald und hat mit seiner Frau drei erwachsene Töchter. Bis vor vier Jahren hat er beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz gearbeitet. Nach seinen zahlreichen Ehrenämtern befragt, eilt er von der Terrasse erst mal ins Haus, um einen Aktenordner zu Rate zu ziehen, winkt dann aber ab. „Das ist alles nicht so wichtig, das hat sich alles einfach so ergeben“, sagt er und schließt den Ordner energisch. Angefangen hat jedenfalls alles bei den Pfadfindern in Niederfischbach, erinnert er sich, „da war ich 7, und mit 15 oder 16 wurde ich bereits Stammesvorsitzender.“ Seit 2000 ist er Mitglied des Präsidiums der Limburger Diözesanversammlung, war deren Vizepräsident und berät nun als gewähltes Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken als Gast im Präsidium mit, wenn auch ohne Stimmrecht.
„Würde wehtun, wenn diese Kirche kaputtgeht“
Sein Glaube, sagt Wiegand Otterbach, „ist mein persönliches Geländer. Mir würde es wehtun, mitzuerleben, wie diese Kirche kaputtgeht. Dann müsste ich mir vorwerfen, nicht genug versucht zu haben, etwas zu ändern.“
Wenn er die Macht hätte, etwas zu ändern? Er muss nur kurz überlegen: „Ich würde die Kleriker auf ihre spirituellen Aufgaben reduzieren. Für mich muss die Leitung der Eucharistiefeier nicht zwangsläufig identisch sein mit der Gemeindeleitung.“ Er würde fachkundigen Laien mehr Aufgaben übertragen – zum Beispiel bei Taufe oder Beerdigung. Strukturen aufbauen, die denen der Caritas vergleichbar sind, „Strukturen, die dazu da sind, den Menschen zu helfen“.
Otterbach hat durchaus mit dem Gedanken gespielt, aus der Kirche auszutreten. „Aber immer wieder bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass es noch nicht so weit ist“, erzählt er. Denn er hat nach wie vor die Hoffnung, dass sich endlich etwas in der Kirche zum Besseren hin verändert. „Ich glaube, dass es immer wieder kleine Schritte geben wird, die mich in der Kirche halten. Das können Menschen sein, die ich kennenlerne, aber auch seelsorgliche Angebote, die mich in meinem Glauben stärken.“