Bischof Felix Genn nach Missbrauchsbericht im Bistum Münster
Lange To-Do-Liste
Einen Rücktritt schließt Münsters Bischof Felix Genn aus. Nach dem Missbrauchsbericht in seiner Diözese hat er nun aber Maßnahmen angekündigt.
Ruhig und konzentriert wirkt der Münsteraner Bischof Felix Genn, als er über sexuellen Missbrauch in seiner Diözese spricht. Immer wieder blickt er von seinem Manuskript hoch; die abgewogenen Worte kennt er gut. "Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, haben durch Priester unvorstellbares Leid erlitten, ganze Leben wurden zerstört", sagt er vor Journalisten. Der Bischof räumt eigene Fehler ein, nennt konkrete Beispiele, in denen er nicht hart genug durchgegriffen habe, und bittet um Entschuldigung.
Einen Rücktritt bietet Genn nicht an. Soweit er es beurteilten könne, habe er Missbrauch nicht vertuscht und die Interessen der Kirche auch nicht über die der Opfer gestellt, begründet er seine Entscheidung. Stattdessen stellt er eine Reihe von Maßnahmen vor, die er in seiner restlichen Amtszeit "mit höchstem Engagement" umsetzen will.
Nach der Feststellung, dass sexueller Missbrauch "immer auch Missbrauch von Macht" bedeute, kündigt Genn an, Macht abgeben zu wollen. Im Rahmen einer Selbstverpflichtung werde er sich künftig an die Entscheidungen diözesaner Gremien binden - auch wenn er kirchenrechtlich nach wie vor die Letztverantwortung trage. Zudem sollen Personalentscheidungen künftig "nachvollziehbarer und partizipativer" getroffen und die Personalkonferenz geschlechtergerecht aufgestellt werden. Eine kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Einführung vor einer bundesweiten Regelung das Bistum prüfen will, würden Verwaltungsakte "durchschaubarer" und "rechtlich überprüfbar" machen.
Des Weiteren soll demnächst eine unabhängige Aufarbeitungskommission ihre Arbeit im Bistum Münster aufnahmen. Und ein "Fall-Manager" sorgt ab Januar dafür, dass sich auffällig gewordene Geistliche auch an die Auflagen halten, die Genn ihnen macht - etwa keine Gottesdienste mehr zu feiern.
Zugang zu Gräbern verstorbener Bischöfe verschlossen
Da seine verstorbenen Amtsvorgänger Reinhard Lettmann (Amtszeit 1980-2008), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Michael Keller (1947-1961) "schwere Fehler" im Umgang mit Missbrauch gemacht hätten, werde der Zugang zu ihren Gräbern im Münsteraner Dom vorerst geschlossen bleiben, so Genn. Zusammen mit Betroffenen wolle das Bistum eine Form finden, wie dieser Bischöfe künftig gedacht werde.
Deutlich kritisiert der Bischof im Zusammenhang mit Missbrauch den Umgang der Kirche mit dem Thema Sexualität. Es sei "verheerend, wenn ein Priester sexuellen Missbrauch begeht und gleichzeitig sonntags über das Thema Sexualität in einer Weise des Verbotes und der Rigidität spricht". Ablehnend bewertet er auch ein "völlig überhöhtes Priesterbild" und ein "wesentlich von Männern geprägtes" System.
Klar stellt Genn sich zudem hinter den Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg, und weist kritisch-ironische Äußerungen von Papst Franziskus zurück. Das Kirchenoberhaupt hatte kürzlich in einem Interview erklärt: "Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen." Die katholische Kirche müsse Synodalität - also breit angelegte Beratungsstrukturen innerhalb der Kirche - lernen, entgegnet Genn. Vielleicht liege darin auch eine "gewisse Skepsis" des Papstes begründet.
Für Veränderungen wolle er sich auch in der Weltkirche einsetzen, kündigt der Bischof an. Dabei gehe es ihm aber "nicht um einen Konflikt mit Rom, sondern es geht mir für eine Verantwortung für das Bistum."
Genn löst sich schließlich gänzlich vom Skript und beantwortet frei die Fragen der Journalisten. Unbegreiflich sei ihm, wie Kirchenverantwortliche die Interessen der Institution über das Wohl von Opfern stellen konnten. "Ich kann es nicht verstehen", sagt er und betont dabei jedes Wort. Emotional berichtet er auch von Gesprächen mit Betroffenen. "Ich war manchmal fix und fertig, weil es mich mitgenommen hat."
Bischöfe sind angehalten, im Laufe ihres 75. Lebensjahres den Rücktritt einzureichen. Blieben Genn also noch rund zwei bis drei Jahre, um seiner Betroffenheit Taten folgen zu lassen. Die angekündigten Maßnahmen sind für ihn ein Schritt in diese Richtung. Es bleibe "noch viel zu tun".
kna