Lukas ist der Evangelist der Armut. Heute beginnt sein Lesejahr
Mehr Stall als Palast
Mit dem Advent beginnt auch ein neues Lesejahr in der Kirche: Dieses ist mit „C“ benannt und meist werden jetzt sonntags Texte aus dem Lukasevangelium gelesen. Gelegenheit für eine Hinführung mit Hilfe von Franz Kamphaus.
Von Johannes Becher
„Den Armen eine frohe Botschaft bringen“: Dieser Vers aus dem Lukasevangelium (4,18) ist „das Logo meines 25-jährigen Dienstes als Bischof von Limburg“, schreibt Franz Kamphaus im Vorwort seines neuen Buchs. „Evangelizare pauperibus“: Sein bischöflicher Wahlspruch als Lesehilfe für ein ganzes Evangelium. Lukas und Franz: zwei Brüder im Geiste. Im Herrn. Zwei, die dieselbe Botschaft von Gott und seinem schon anbrechenden Reich erzählen. Wer könnte also besser ins Lukas-Jahr hineinführen als der Predigerbischof Franz Kamphaus?
Denn im Buch hat er Predigten gesammelt. Die meisten zu den Sonntagsevangelien im kommenden Lesejahr C. Zu Textstellen „aus Lukas“ also. Denn das ist ein Markenzeichen der Auslegungen, „dass die Predigten sich auf die Heilige Schrift beziehen“. Biblisch predigen, wie sonst? Wenn es denn alle täten. Und weil das eben nicht so ist, heißt es im Untertitel des Buchs „Inspirationen“ statt Predigten: damit sich niemand abgehalten fühlt von der kirchlichen Wirklichkeit und sich beschenken lässt von Wortgewalt und Bildreichtum der Kamphaus’schen Rede.
Armut ist nicht bildlich gemeint
Ein Beispiel: „Wenn wir von Armut sprechen, sind wir schnell dabei, den Anspruch Jesu zu entschärfen, etwa, indem wir sie spiritualisieren: Es komme auf die innere Armut an, auf die Armut im Geiste. Jesus hat anders gesprochen, und der Evangelist Lukas steht ihm da besonders nahe. Er schärft die Armut ein und warnt vor den Gefahren des Reichtums. Jesus hat nicht nur von Armut gesprochen, er hat selbst arm gelebt. Er ist ein Sohn armer Leute. Er ist dem Stall näher gewesen als dem Palast.“ So predigt Kamphaus zur Seligpreisung der Armen in der Bergpredigt (Lukas 6,20).
Franz Kamphaus erläutert in seiner Einführung, was dem Lukas genannten Evangelisten im Unterschied zu den früher entstandenen Evangelien von Markus und Matthäus besonders wichtig ist. Sein „Sondergut“ sozusagen: „Das sind an erster Stelle die Armen.“ Und folglich lässt er Jesus in der Antrittspredigt in Nazaret sagen: „Der Geist des Herrn hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe.“ Auch im Folgenden weist Lukas „auf die soziale Kluft zwischen Reichen und Armen hin“, wie Kamphaus betont. Und weiter: „Es kommt darauf an, bei Gott reich zu sein. Das geschieht durch Liebestaten und, für Lukas sehr wichtig, Barmherzigkeit. Sie ist wichtiger als religiöse und nationale Grenzen, wie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zeigt.“
Ein gebildeter Mann und sachkundiger Geschichtsschreiber
Wer ist dieser Lukas? In Kurzform mit den Worten von Franz Kamphaus charakterisiert: „ein in der jüdischen und hellenistischen Kultur gebildeter Mann“; „ein sachkundiger Geschichtsschreiber“. Offensichtlich kennt er das Markusevangelium und auch eine Sammlung von Sprüchen: die Quelle Q. Zu seinen exklusiven Geschichten gehört das Gleichnis vom barmherzigen Vater (15,11–32). Sein Evangelium entsteht um die Jahre 80/90 nach Christus. Sozusagen als Band 1 eines Doppelwerks. Denn die Apostelgeschichte ist die Fortsetzung seiner frohen Botschaft. Lukas scheint ein Heide gewesen zu sein, „der mit den Juden sympathisierte, ohne sich beschneiden zu lassen“. Kamphaus: „Das Evangelium ist nicht in Palästina entstanden, vielmehr wahrscheinlich in Antiochien, von Paulus her einem Zentrum der christlichen Heidenmission.“ Für „mehr als fragwürdig“ hält der Bischof die frühchristliche Gleichsetzung des Autors von Evangelium und Apostelgeschichte mit dem Arzt Lukas, der den Paulus begleitete.
Bereits in seinem „Jahreslesebuch“ hatte Kamphaus Erhellendes über die Erzählabsicht des Lukas geschrieben: „Von den Evangelisten ist vor allem Lukas von der Spannung arm – reich bewegt. In seiner Gemeinde gibt es weniger Bettelarme, wohl aber Besitzende und Reiche. Das verursacht nicht geringe soziale und religiöse Spannungen.“ Kein Wunder, dass Lukas deshalb seine Weherufe in der Bergpredigt platziert. Kamphaus: „Das Leben verfehlt, wer es sich selbst beschaffen will. Er ist jetzt schon bedient. Er hat ,sein Fett weg‘.“ Lukas: „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“ (1,53). Doch neben der Warnung vor dem „Ersticken in den Genüssen des Lebens“ (Kapitel 8), vor Habgier (12) und Geld (16) weist Lukas den Reichen einen Weg ins gelingende Leben (14): „Wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.“ Mit den Worten von Kamphaus: „Jesus ist arm und reich gegenüber nicht neutral gewesen.“
Buchtipp: Franz Kamphaus: Den Armen eine frohe Botschaft bringen. Inspirationen zum Lukas-Jahr. Verlag Patmos, 248 Seiten, 20 Euro