Glaube und Bergsport

Mit Gott auf dem Gipfel

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Seit diesem Jahr gibt es im Deutschen Alpenverein die Sektion „Gipfelkreuz“, die Glaube und Bergsport verbinden will. Der Vorsitzende Daniel Jägers erzählt, warum Menschen in den Bergen manchmal offener für Gott sind als in der Kirche.

Zwei Bergsteiger der Sektion "Gipelkreuz" des Deutschen Alpenvereins stehen auf einem Gipfel.
"In den Bergen bekommt man eine ganz andere Perspektive auf die Schöpfung", sagt Daniel Jägers (rechts). 

Von Sandra Röseler 

Daniel Jägers erinnert sich genau an den Moment, in dem er sich Gott in den Bergen einmal besonders nahe gefühlt hat: Als er mit einem Freund eine lange Tour unternommen hat und sie die Zeit unterschätzt haben. Auf dem Gipfel, auf dem sie gerade in über 2000 Metern Höhe kletterten, wurde es langsam Nacht. Und sie fragten sich: Was nun? Im Dunkeln absteigen oder oben übernachten? „Wir haben dann in einem Not-Biwak auf dem Berg geschlafen“, sagt Jägers. „Ich bin bis heute erstaunt, dass uns nichts passiert ist.“ 

Jägers arbeitet in Hintersee bei Berchtes­gaden als Erlebnispädagoge beim Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM). Vor einem Jahr hat er den Verein Gipfelkreuz gegründet, eine Sektion des Deutschen Alpenvereins, deren Mitglieder Glaube und Bergsport miteinander verbinden wollen. Sie bieten Bergwanderungen mit spirituellem Rahmenprogramm an. 

Ursprünglich ist der Verein mit zwölf Mitgliedern gestartet, mittlerweile sind es mehr als 80. Die Sehnsucht nach den Bergen sei gerade sehr zeitgemäß, sagt Jägers. Viele Menschen gingen wandern und meldeten sich im Alpenverein an.  Aber wer tritt in einen Verein für  Glaube und Bergsport ein? „Um mit uns wandern zu gehen, braucht man keinen Taufschein“, sagt Jägers und lacht. Zu ihnen kämen zwar viele Leute, die gläubig sind, aber auch einige, die mit dem Glauben eigentlich nichts mehr am Hut haben – und sich einfach mal darauf einlassen wollen. Die Berge seien dafür ein guter Ort, sagt Jägers: „Wenn sie auf einem Gipfel stehen, spüren die Menschen einfach eine Offenheit dafür, dass da mehr ist." Diese Offenheit wolle der Verein nutzen. 

Unter dem Hintern geht es 100 Meter runter

Wie eine Tour mit der Sektion Gipfelkreuz genau abläuft, entscheidet der jeweilige Bergführer. Oft lesen sie unterwegs kurze Impulse vor, singen ein Lied oder sprechen ein Gebet. Manchmal, wenn ein Geistlicher dabei ist, feiern sie auch einen Gottesdienst am Gipfel. Vor allem geht es ihnen aber darum, den Teilnehmern Gott in den Bergen nahezubringen. 

„Man sieht das eigene Leben aus einer ganz anderen Perspektive, wenn man über den Wolken steht", sagt Jägers. Wenn sie sähen, wie klein der Mensch eigentlich ist, öffneten sich viele Menschen für Gott. Ohnehin bekomme man in den Bergen eine ganz andere Sicht auf den Schöpfer, sagt Jägers. Er sei immer wieder begeistert, wie groß und wie schön die Schöpfung ist. Etwa, als er nach seiner Notübernachtung auf dem Gipfel bei Sonnenaufgang über den Grat gegangen ist. „Da war ich einfach nur dankbar, dass wir die Nacht überstanden haben und ich so etwas Schönes erleben durfte.“ Momente wie diese verbindet er mit Gott.  

Wenn Jägers von seinen eigenen Gotteserfahrungen in den Bergen erzählt, spricht er oft von Dankbarkeit. Er ist dankbar, dass er gesund ist und die Touren gehen kann. Und er ist dankbar, dass er bislang immer wieder heil im Tal angekommen ist. Zwar glaubt er nicht, dass er nur durch Gottes Kraft allein auf den Gipfel hochkommt, „aber es gibt immer wieder Schlüsselstellen, an denen ich denke: hoffentlich geht das gut“. 

Gott spürt er dann vor allem in diesen „Bewahrungssituationen“, wenn er eine schwierige Stelle am Berg überwinden muss. Wie einmal, als er einen schmalen, ungesicherten Weg entlang gehen musste – frisch verheiratet. „Unter dem Hintern ging es  100 Meter runter“, erinnert er sich. Jägers sagt, man sei beim Bergsteigen immer einer gewissen Gefahr ausgesetzt. Er vertraut in diesen Momenten darauf, dass Gott bei ihm ist. 

Vertrauen spielt bei den Touren, die die Sektion Gipfelkreuz unternimmt, eine große Rolle. Immer wieder gibt es schwierige Stellen, die die Teilnehmer herausfordern. Und genau diese Momente eignen sich auch, um über den Glauben nachzudenken, sagt Jägers. „Es geht darum, das Erlebte mit dem Leben zu verbinden.“ Was er damit meint, erklärt er an einem Impuls, den er auf seinen Touren gern verwendet: „Beim Klettern muss ich darauf vertrauen, dass das Stahlseil mich hält.“ Das könne man auch auf das eigene Leben übertragen: Was hält mich, wenn ich stürze? Wem kann ich vertrauen? „Das kann zum Beispiel der Glaube sein“, sagt Jägers. 

Keine lange Predigt, sondern kurze Impulse

Aber bleibt bei einer anstrengenden Wanderung überhaupt genug Konzentration, um sich mit Gott und dem Glauben auseinanderzusetzen? „Für Gefühle hat man immer Energie“, sagt Jägers. „Wir halten ja keine lange Predigt, sondern kurze Impulse“. Für ihn hat der Glaube viel mit Emotionen zu tun: Die Teilnehmer sollen sich in den Bergen zum Beispiel von der Schönheit der Schöpfung überwältigen lassen.

Bleibt dabei mehr von Gott hängen als in der Kirche? „Nicht unbedingt“, sagt Jägers. Auch in der Kirche gebe es viel Emotionales und Schönes. Als Beispiel nennt er eine katholische Messe, die mit Musik und Weihrauch ein Erlebnis für die Sinne sein könne. Der Unterschied: Viele Menschen schätzten das heute nicht mehr so wert. „Die Kirchen haben Probleme damit, die Leute von der Schönheit, die sie zu bieten hat, zu faszinieren“, sagt Jägers. Und während immer weniger Menschen in die Kirche gehen, liegt Bergwandern im Trend. „Wir sagen aber nicht: Komm aus der Kirche weg und geh in die Berge – da kannst du Gott viel besser erleben“, betont Jägers. „Die Leute gehen eh in die Berge – und da wollen wir sie erreichen.“