30 Jahre Mauerfall und 25 Jahre Bistum Erfurt
Miteinander frei sein
Dankeschön an alle, die Kirche mit gestalten. Einige der ehrenamtlich tätigen Engel bekamen eine Rose. Fotos: Holger Jakobi |
„Wir danken Gott für das Geschenk der Freiheit für unser Bistum und für unser Land“, betonte Bischof Ulrich Neymeyr in seiner Predigt zur Bistumswallfahrt am 15. September in Erfurt. Daraus ergebe sich der Auftrag, diese Freiheit im Miteinander zu gestalten. Weiter betonte er im Bühnenprogramm, dass es keinerlei Grund gäbe, auf die Menschen im Osten herabzusehen. In Gesellschaft und in der Kirche sei vieles geleistet worden. „Ich bin jetzt fünf Jahre Bischof und habe erfahren, wieviel selbstständiges Leben in den Kirchorten und Pfarreien gewachsen ist. Das ermutigt mich, den Pfarrern, Gemeindereferentinnen und Diakonen zu sagen, lasst die Leute ihre Möglichkeiten entdecken, damit Kirche lebt.“
Zu Beginn seiner Predigt stellte der Erfurter Bischof bewusst die Familie als Ort des Miteinanders in den Blickpunkt. Er sagte: „Die Lebensschule, in der wir Menschen lernen, Freisein und Miteinander in Einklang zu bringen, ist die Familie. Für mich ist die Sorge um die Familien die große Zukunftsherausforderung für unsere Gesellschaft und für unsere Kirche.“ Ulrich Neymeyr dankte allen, die sich im Bistum für die Familien engagieren.
Das Leitwort der diesjährigen Bistumswallfahrt „Miteinander frei“ verweist auf den Mauerfall vor 30 Jahren und auf die zurückliegenden 25 Jahre Bistum Erfurt. Bischof Neymeyr sagte: „Die Bistümer Fulda und Würzburg entließen 1994 das ,Bischöfliche Amt Erfurt-Meinigen‘ in die Freiheit einer selbstständigen Diözese. Auch das Bistum Hildesheim darf nicht vergessen werden. Wir grüßen alle, die aus Ellrich gekommen sind, das zum Bistum Hildesheim gehörte.“
„Wir werden achtsam weiterbauen“
Bischof Ulrich Neymeyr schneidet die Geburtstagstorte auf dem Domplatz an. |
Thematisiert wurde zur Wallfahrt weiter der Prozess der Kirchen- entwicklung. Nach den Pastoraltagen im Februar und im März, bei denen konkrete Wünsche und Forderungen formuliert wurden, geht jetzt die Arbeit in die Gruppenphase. Ulrich Neymeyr: „Wir werden achtsam weiterbauen.“ Weiter sagte er: „Katholische Kirche in Thüringen ist keine Massenveranstaltung. Bei uns zählt auch die kleine Zahl. Es zählt das eine Schaf und die eine Drachme. Wir freuen uns über einen großen Wallfahrtsgottesdienst im Eichsfeld und wir freuen uns über eine kleine Gemeinde, die den Sonntag mit einer Wort-Gottes-Feier begeht. Ich freue mich über 200 Jugendliche beim Bistumsjugendtag und über zwei Messdiener an einem kleinen Kirchort. Ich sehe nicht nur das, was wir mit unseren Möglichkeiten und Kräften nicht mehr können, sondern ich sehe das, was wir können und was wir tun. Uns ist nicht verheißen, dass die ganze Welt christlich wird, aber uns ist verheißen, dass der Bau unserer Kirche ein Fundament hat: kein Lehrgebäude und keine Ideologie, sondern eine Person: Jesus Christus. Paulus schreibt an alle, die achtsam weiterbauen: ,Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus‘.“
Nach dem Gottesdienst erinnerten sich Altbischof Joachim Wanke und der damalige Leiter des Katholischen Büros, Winfried Weinrich, an die Zeit vor 25 Jahren. Beide betonten, dass sich mit der Wiedervereinigung Deutschlands das Verhältnis zwischen Staat und Kirche grundlegend änderte. Kirche wurde nicht mehr kritisch beäugt, sondern als gesellschaftlicher Partner wahrgenommen. Mit Blick auf die Zukunft zeigten sich beide zuversichtlich. Joachim Wanke wünschte sich eine Hebung des geistlichen Grundwasserspiegels als Grundlage. Weinrich rief dazu auf, in den Pfarreien und Kirchorten darauf zu achten, den anderen im Blick zu behalten, sensibel zu bleiben. Diözesancaritasdirektor Diakon Wolfgang Langer brachte das Ehrenamt zur Sprache. „Ehrenamtliche haben einen ganz anderen Blick, sie haben ein Netzwerk und erreichen viele Menschen, die wir als Verband bisher so nicht im Blick hatten.“
Bischof Ulrich Neymeyr und Landesbischof Friedrich Kramer von der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands. |
Menschen, die anderen zum Engel werden
Bischof Neymeyrs besonderer Dank galt allen Christen, die in den zurückliegenden 25 Jahren die Kirche in Thüringen mitgestaltet haben. In Zukunft wird es weiter notwendig sein, dass die Getauften und Gefirmten Verantwortung übernehmen. Ein Höhepunkt der Wallfahrt war das Dankeschön für Engagierte, die mit ihren Tun für andere zum Engel werden. Einige von ihnen wurden in den zurückliegenden Wochen auf dieser Seite vorgestellt, so Mandy Prüfer aus Weimar, die ehrenamtlich Menschen im Sterben begleitet oder Steve Steinbrecher von den Maltesern, der mit dem Herzenswunsch-Rettungswagen letzte Wünsche erfüllen hilft. Gedankt wurde auch Belai Abraham, einem Geflüchteten aus Eritrea, der seit zwei Jahren regelmäßig im Tagestreff der Caritas arbeitet.
Ein Gast der Wallfahrt war der neue Landesbischof der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland, Friedrich Kramer. Er betonte, dass es auf das gemeinsame Unterwegssein ankomme und dass sich die Christen gegenseitig brauchen.
Von Holger Jakobi