Anstoss 45/2018
Miteinander pfeifen lernen
Kannst du lesen und schreiben? Hast du ein Handwerk gelernt? Kannst du ...? Nein, ich kann nichts. Immer die gleiche Antwort.
Bis nach vielen Frageversuchen ein Strahlen über das Gesicht des sechszehnjährigen Bartolomeo Garelli huschte: Kannst du pfeifen? Ja, das kann ich! An diese Geschichte aus dem Leben von Don Bosco muss ich denken, wenn ich die Berichte und Kommentare zur Jugendsynode lese, die kürzlich zu Ende gegangen ist.
Der Waisenjunge hatte sich in der Kirche herumgedrückt und der Küster war schon im Begriff, ihn rüde zu verjagen, weil er nicht zum Ministrieren hier war, es auch nicht gekonnt hätte. Wie auch, ohne Latein. Don Bosco rief ihn zurück und als er nun wusste, dass Bartolomeo pfeifen kann, bot er ihm an, nach der Messe gemeinsam neue Pfiffe zu versuchen und ihm, wenn er möchte, mit der Zeit sogar lesen und schreiben beizubringen.
Bei der Jugendsynode haben die versammelten Bischöfe in einer neuen Weise versucht, auf die Stimme der jungen Menschen zu hören, sozusagen herauszufinden, was sie „können“. Trotzdem klingt es so, als sei es in den Abstimmungen bei einer Art von Unsicherheit geblieben, wir als Kirche müssten der Jugend weiterhin eher sagen, was wie richtig ist, als darauf zu vertrauen, was ihnen von Gott schon längst mitgegeben ist, wie sie uns bereichern mit ihrem „Pfeifen“ und wir gemeinsam Neues ausprobieren können.
„Ihr müsst lieben, was sie lieben, dann werden sie lieben, was ihr liebt“, habe ich ein Wort von Don Bosco in Erinnerung. Das fällt im Großen wie im Kleinen offenbar oft schwer. Wir fühlen uns schnell auf unsicherem Terrain, wenn wir versuchen, einen Blick in „junge Welten“ zu riskieren. Der Mehrheit der Bischöfe geht es scheinbar ähnlich. Fremd war auch Don Bosco dieses Gefühl nicht. In einem Traum hatte er sich unter den Jungen wie unter wilden Tieren gesehen.
Immerhin sind wir nicht die Ersten, die sich manchmal auf dem Glatteis fühlen, wenn sie auf junge Menschen zugehen. Aber wir könnten sicher gemeinsam neue Figuren auf dem Eis versuchen!
Angela Degenhardt, Sangerhausen