Interview mit ZdK-Präsident Thomas Sternberg
"Münster wird ein fröhlicher Katholikentag"

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat für den Katholikentag vom 9. bis 13. Mai rund 1.000 Veranstaltungen geplant. Das Christentreffen sei aber nicht beliebig, sagte Präsident Thomas Sternberg.

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Herr Professor Sternberg, nach Leipzig vor zwei Jahren kommt der Katholikentag nun in Ihre Heimat Münster. Was wird anders werden?
Wie werden sicher viele Besucher aus dem Umland von Münster haben, wo es noch einen großen volkskirchlichen Katholizismus gibt. Das war in Leipzig anders; dort sind Katholiken mit 4,3 Prozent eine extreme Minderheit. Aber auch in Münster sind sie nicht mehr so dominant wie früher. Ihr Anteil ist dort seit 1988 von über zwei Dritteln auf unter die Hälfte zurückgegangen.
Immer wieder gibt es Kritik, dass der Katholikentag mit den vielen Veranstaltungen zu unübersichtlich und zu beliebig sei. Wird sich Münster von früheren Treffen unterscheiden?
Wir haben diese Frage intensiv diskutiert und die 32 großen Podien - 21 politische und 11 theologische - besonders profiliert. Im Programm sind sie gelb markiert. Damit zeigen wir, wo der Katholikentag ganz bei sich ist - auch gegen Behauptungen, katholisch geht alles und jedes. Der Katholizismus ist plural und vielfältig, aber der Katholikentag hat auch Botschaften.
Das Thema "Suche Frieden" könnte ja nicht aktueller sein. Was kann der Katholikentag zu einer friedlicheren Welt beitragen?
Wir rücken verschiedene Fragen in den Mittelpunkt: Wie sieht es mit der internationalen Verantwortung bei den Konflikten in der Welt aus? Wie ist Deutschland politisch involviert? Unter welchen Bedingungen können deutsche Soldaten im Ausland friedenssichernd tätig werden? Wie sind Rüstungsexporte ethisch zu bewerten? Wir reden aber auch über den gesellschaftlichen Frieden: über Gerechtigkeit, Sozialpolitik oder die Integration von Fremden. Wir können uns hier in Europa doch nicht in einer Wagenburg abschotten gegen die Menschen aus den Ländern, in denen unsere Waren unter teils unwürdigen Bedingungen produziert werden.
Kann Münster nach der Fahrzeugattacke noch ein unbeschwertes Fest werden?
Münster wird ein fröhlicher Katholikentag. Diese Amokfahrt bleibt natürlich im Hinterkopf, aber eine ängstliche Atmosphäre wird es deshalb nicht geben. Ich verlasse mich auf das ausgefeilte Sicherheitskonzept. Eine allerletzte Sicherheit vor Amokläufen, Unfällen oder Ähnlichem kann es aber nicht geben.
In Leipzig waren AfD-Vertreter bewusst ausgeschlossen und die Partei umso mehr Thema. Welche Rolle werden die Rechtspopulisten diesmal spielen?
Keine große. Bei einem Podium diskutieren die kirchenpolitischen Sprecher aller Bundestagsfraktionen. Den Vertreter der ins Parlament gewählten AfD auszuladen, erschien uns unangemessen. Denn das böte der Partei nur die Chance, sich als Märtyrer zu inszenieren. Aber es ist klar: Wir verurteilen deutlich jede Art von Ausgrenzung, Fremden- und Islamfeindlichkeit.
Nach langem hin und her steht die neue Bundesregierung. An welcher Stelle muss die Kirche der Koalition Beine machen?
Bei der Frage des Familiennachzugs. Zudem erwarten wir mehr Engagement für den Klimaschutz und die internationale Gerechtigkeit. Die Eine-Welt-Thematik und der gerechte Handel müssen an die Spitze der politischen Tagesordnung kommen, sonst werden wir uns auf Dauer nicht vor Flüchtlingen retten können und in einer unfriedlichen Welt leben.
Nach der "Ehe für alle" steht mit dem Werbeverbot für Abtreibung wieder eine für die Kirche wichtige Frage mit ethischer Relevanz im Raum. Wie erleben Sie diese Debatte?
Als sehr ernsthaft. Der Versuch ist ins Leere gelaufen, im Bundestag das Werbeverbot noch vor Einsetzen des Koalitionsvertrages handstreichartig abzuschaffen. Das Thema verlangt eine sorgfältige Debatte. Das ZdK ist dafür, den Paragrafen 219a zu erhalten. Die Frage, wie betroffene Frauen informiert werden, haben Gesundheitsämter zu klären und nicht Ärzte.
Zum Katholikentag hat sich CSU-Chef Seehofer angesagt. Da bekommt seine These, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, erneut ein Forum.
Ich freue mich sehr über seine Teilnahme. Die Debatte, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht, finde ich indes völlig unangemessen. Der Innenminister geht das Thema aber viel differenzierter an, als das in der Einfachparole zum Ausdruck kommt. Es hat mich gefreut, dass er den damals von Wolfgang Schäuble berufenen Gründer der Islamkonferenz zum Staatssekretär berufen hat.
Beim Katholikentag geht es auch um viele innerkirchliche Streitthemen, etwa die Kommunion für evangelische Partner von Katholiken oder den Umgang mit dem vom ZdK mit ins Leben gerufenen Schwangerenberatungsverein donum vitae. Was kann hier der Katholikentag zum Frieden beitragen?
Zum Frieden trägt auch bei, dass man bestimmte Themen kontrovers diskutiert. Vor 50 Jahren - 1968 - fand der Essener Katholikentag statt. Damals zeigte sich, dass auch die katholische Kirche ihre 68er hatte. Damals kam es zur offenen Revolte zwischen einer aufsässigen Laienschaft und der sogenannten Amtskirche. Auch heute gehen wir Differenzen nicht aus dem Wege. Aber wir diskutieren darüber sachlich, ohne uns persönlich anzugreifen. Denn wenn die Kirche sich als zerstritten präsentiert, hat sie keine Anziehungskraft für Außenstehende.
Nach einer Studie des Bistums Essen zählen zu den am meisten genannten Austrittsgründen eine "nicht mehr zeitgemäße" Sexualmoral, das Frauenbild der Kirche, ihre Positionen zu wiederverheirateten Geschiedenen und dem Zölibat. Muss sich die Kirche - auch in lehramtlichen Positionen - mehr bewegen?
Diese Reizthemen, die Medien gerne aufgreifen, sind meist nicht die wirklichen Austrittsgründe. Vielmehr liegt hier eine größere Entfremdung vor. Da frage ich mich, ob die Kirche überhaupt noch verstanden wird? Wir werfen mit Begriffen wie "Charismenorientierung" oder "Pastoralplan" um uns, als könnte die jeder verstehen. Notwendig ist eine Perspektivänderung von der Kerngemeinde weg auf den Rand. Das hat uns Papst Franziskus sehr gründlich beigebracht.
Ein Thema auf dem Katholikentag ist die wachsende Zahl an XXL-Gemeinden, gegen die sich viel Unmut und Protest regt. Wo sehen Sie hier Ansätze für eine friedliche Entwicklung.
Diese Frage sorgt im Moment am meisten für Ärger. Fusionen wie in Trier, wo aus 884 Pfarreien 32 Großpfarreien gemacht werden, sind keine Lösung. Da die Zahl der Priester zurückgeht, werden Laien die Gemeindeleitung übernehmen müssen. Wir brauchen den mündigen Laien, der aufgrund von Taufe und Firmung die Dinge selbst in die Hand nimmt - und zwar letztverantwortlich. Kirche lebt subsidiär von unten nach oben, und da sage ich den Laien: Lieber sich zwei Mal zu oft selbst ermächtigen, als einmal zu viel fragen.
kna