Pfarreien-Zusammenschluss im Leipziger Westen
Mutig und humorvoll voran
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Seit fast 90 Jahren prägt das Oratorium des heiligen Philipp Neri die Kirche im Leipziger Westen. Mit dem Pfarreien-Zusammenschluss am 16. Juni wird der Patron der Priestergemeinschaft zugleich Patron der neu gegründeten Pfarrei.
Mit eher zögerlichen Schritten gehen die Katholiken in Lindenau, Großzschocher, Leutzsch, Grünau, Böhlitz-Ehrenberg und Markranstädt in ihre gemeinsame Zukunft als Pfarrei St. Philipp Neri. Beinahe hätten sie ihren Pfarrei-Gründungstermin ein zweites Mal verschoben, doch nun sind sie entschlossen, den gemeinsamen Neustart für den Leipziger Westen am 16. Juni zu wagen. Begleitet wird ihr Weg durch die Oratorianer-Gemeinschaft. Drei Priester und ein Laie gehören heute zum Oratorium, das seinen Sitz seit 1930 im Pfarrhaus von Leipzig-Lindenau hat.
Manch älterer Leipziger Katholik gerät ins Schwärmen, wenn er sich an gemeinsame Erfahrungen mit den Oratorianern aus DDR-Zeiten erinnert. Aus Erzählungen der Rentner-Generation gewinnt man das Bild einer geistvollen Gemeinschaft voller Dynamik und Ausstrahlung, die unterschiedlichsten Männern und Frauen ein Zuhause bot, die soziale Nöte erkannte, Christen trotz widriger Bedingungen ermutigte, Kirche und Gesellschaft mitzugestalten und die weit über Leipzig hinaus nachhaltig belebende Impulse setzte. Namen längst verstorbener Persönlichkeiten wie Wolfgang Trilling, Josef Gülden oder Theo Gunkel bringen hier bis heute Augen zum Leuchten.
Auch Angelika und Konrad Pohler, Günther Fitzl und Andreas Pilz sind dankbar, weil die Oratorianer ihr Leben in positiver Weise geprägt haben und sehen sie weiterhin als wichtige Weggefährten. „Doch jetzt kommt es darauf an, dass wir aufhören, wehmütig zurückzublicken und die Oratorianer von heute an den großen Schuhen ihrer Vorgänger zu messen“ meint Günther Fitzl. „Wir sollten gemeinsam mit ihnen die Zeichen der heutigen Zeit erkennen und darauf reagieren“. Er hat in den 1970er und 80er Jahren die Gründung der Grünauer St. Martin-Gemeinde miterlebt. Schon als die Planungen für die Neubausiedlung begannen, sei den Oratorianern klar geworden, dass hier eine pastorale Aufgabe vor ihnen lag. Dafür hätten sie so viel ökumenische Gemeinsamkeit wie möglich gesucht. Noch bevor nahe beieinander die katholische und die evangelische Kirche gebaut wurden, ging ein ökumenischer Besuchsdienst von Haustür zu Haustür, um die neu zugezogenen Grünauer für die entstehenden Gemeinden zu gewinnen.
Dass die damalige Aufbruchstimmung der Christen im Stadtteil verflogen ist, die Katholikenzahlen schwinden und die Bereitschaft zum Engagement nachlässt, ist in seinen Augen nicht allein den Oratorianern anzulasten. Er sieht dafür vielfältige Gründe, beispielsweise sei das Leben für die Gläubigen komplizierter geworden, seit es keine klaren ideologischen Fronten mehr gibt.
Dass die damalige Aufbruchstimmung der Christen im Stadtteil verflogen ist, die Katholikenzahlen schwinden und die Bereitschaft zum Engagement nachlässt, ist in seinen Augen nicht allein den Oratorianern anzulasten. Er sieht dafür vielfältige Gründe, beispielsweise sei das Leben für die Gläubigen komplizierter geworden, seit es keine klaren ideologischen Fronten mehr gibt.
Gerade im Blick auf den Gemeindeteil Grünau hält es der 69-Jährige für eine gute Wahl, auf den Patron des Oratoriums auch als Pfarrpatron zu setzen. Der Heilige habe sein Augenmerk im ausgehenden 16. Jahrhundert gezielt auf die sozialen Brennpunkte Roms gerichtet und passe deshalb gut zu St. Martin, dem zum Teilen bereiten Patron der Grünauer Katholiken. Die große Zahl sozial schwacher Familien im Stadtteil, das spannungsreiche Nebeneinander von Menschen verschiedener kultureller Herkunft oder die überdurchschnittlich hohen Wahlerfolge der AfD bergen Herausforderungen für die Gemeinden. In christlichen Einrichtungen wie dem Kinderhaus St. Martin, der Montessori-Schule oder dem Caritas-Familienzentrum reagiere man bereits darauf. Allerdings gebe es bisher wenige Gemeindemitglieder, die in diesen sozialen Aufgaben einen Auftrag für sich selbst erkennen.
Ähnliches sagen Andreas Pilz und das Ehepaar Pohler über das Café International in Lindenau. Es seien „nur wenige und immer die gleichen“, die dort alle sechs Wochen die Bewohner einer nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft empfangen. Welche sozialen Felder die Pfarrei künftig beackern will, gelte es nun gemeinsam herauszufinden. Dass der syrisch-orthodoxen Gemeinde, die in der Region ein eigenes Zuhause sucht, kürzlich kein stärkeres Signal der Gastfreundschaft gesendet wurde, sehen sie alle als „verpasste Chance für die ganze Pfarrei“. Von Philipp Neri könnte man über die Wachsamkeit für soziale Nöte hinaus noch mehr lernen: „Er steht für eine große geistige und geistliche Freiheit, für eine Offenheit, die niemanden ausschließt und alle ermutigt, sich mit ihren Gaben einzubringen, ohne sich dabei zu überfordern“, sagt Konrad Pohler. Für die neue Pfarrei wünscht er sich „mehr vom geistlichen Funkenschlag“ des Heiligen“. Andreas Pilz fühlt sich von dessen Humor angezogen. „Humor sollte unseren Weg begleiten“, ist ihm wichtig. Nicht von ungefähr zählt zu den Gruppen, in denen gemeindeübergreifende Zusammenarbeit bereits gut funktioiert, der Elferrat. Für den 14. Juni haben die Karnevalisten einen heiteren „Polterabend“ zur Pfarreien-Hochzeit vorbereitet. Die Mitfeiernden können sich dort ein „DRK-Zertifikat“ erwerben, wobei die Abkürzung nicht für den bekannten Sozialdienst, sondern für das neue Pfarrei-Leitwort steht: „Dein Reich komme!“
Von Dorothee Wanzek