Freiwillige nach Bolivien ausgesendet
Nächstenliebe mit Abenteuer
Sie sind Botschafter des Bistums im Partnerland – neun Freiwillige hat nun Bischof Heiner Wilmer nach Bolivien ausgesendet. Doch stellen sich auch Fragen nach der Zukunft des Freiwilligendienstes.
„Hoffnung heißt, an das Abenteuer der Liebe zu glauben“, sagt Bischof Heiner Wilmer. Der Mariendom ist fast auf den letzten Platz gefüllt. Unter den Gottesdienstteilnehmern: zahlreiche Engagierte aus der Bolivienpartnerschaft des Bistums, Absolventen eines Freiwilligendienstes in dem lateinamerikanischen Land – und neun Freiwillige, die sich auf dieses Abenteuer vorbereiten und nun mit bischöflichem Segen in ihre Einsatzstellen ausgesendet werden. „Hoffnung heißt, Vertrauen in die Menschen zu haben“, führt Wilmer aus. Es ist ein Sprung ins Unbekannte: „Und Sie, die nun nach Bolivien gehen, wagen diesen Sprung.“ Er sei sich sicher, dass „Sie Erfahrungen machen, die Sie nachhaltig verändern werden“.
Sieben Frauen und zwei Männer hören bei diesen Worten genauer zu. Sie sind es, die für ein Jahr nach Bolivien gehen, um sich in unterschiedlichen sozialen Projekten einzubringen – mit Kindern und Jugendlichen, mit alten oder beeinträchtigten Menschen. Auf dieses Abenteuer der Nächstenliebe lassen sich ein: Maja Hillermann (18 Jahre, Heimatgemeinde St. Raphael in Garbsen), Sophie Bittner (18 Jahre, evangelisch-lutherische Gemeinde St. Georg in Bortfeld), Jana Behme (22 Jahre, aus Stuttgart), Franziska Winkler (19 Jahre, aus der Gemeinde Guter Hirt in Winsen/Luhe), Alfrun Wiese (24 Jahre, St. Norbert in Merseburg), Franka Wüstefeld (18 Jahre, St. Laurentius in Gieboldehausen), Thea Binnewies (17 Jahre, St. Vitus in Giesen), Leander Knoop (18 Jahre, evangelische Stadtkirche Celle) und Ben Engler (18 Jahre, aus Kassel-Wehlheiden).
Die neun Freiwilligen setzen eine mittlerweile 30-jährige Geschichte im Bistum Hildesheim fort: 1989 wurde mit Martin Schwark der erste Freiwillige nach Bolivien entsandt – unter durchaus „abenteuerlichen“ Umständen. Zwei Jahre später wurde aus diesem Pionierprojekt ein regelmäßiger Einsatz – als sozialer Dienst für Frieden und Versöhnung. Mittlerweile ist der freiwillige Einsatz von jungen Menschen keine Einbahnstraße mehr. Anfang der 2000er-Jahre kamen zwei Frauen und ein Mann als erste Freiwillige aus Bolivien ins Bistum. Auch hier hat sich mit der Zeit das Engagement verstetigt. Aktuell sind mit Nicole Noriega, José Urcullo, Jorge Ruiz und Ivan Alba vier Engagierte aus dem Partnerland dabei.
Einsatz in Bolivien, aber auch in Brasilien und der Ukraine
Unterm Strich: 158 junge Menschen hat das Bistum als Freiwillige in 30 Jahren ausgesendet, überwiegend nach Bolivien, aber auch in die Ukraine, nach Südafrika und in Zusammenarbeit mit dem Kolpingwerk nach Brasilien. 37 Freiwillige, wiederum überwiegend aus Bolivien, aber auch aus Brasilien waren in Deutschland.
Bis 2008 war der Bund der Katholischen Deutschen Jugend (BDKJ) Träger des Dienstes, seitdem ist es die Diözesanstelle Weltkirche in Zusammenarbeit mit „weltwärts“, einem Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Aktuell stellen sich jedoch Fragen an die Zukunft des Dienstes, wie bei einer Diskussion deutlich wurde, die sich dem Aussendungsgottesdienst anschloss.
Natürlich geht es dabei auch um Geld, Abrechnungen und Bürokratie. Doch der BDKJ-Bundespräses Dirk Bingener sieht das Problem einer verloren gehenden Attraktivität: „Die Bewerberzahlen gehen bundesweit zurück.“ Andere, zum Teil kommerzielle Programme scheinen erfolgreicher. Eine Einschätzung, die der Vertreter des BMZ, Johannes Lauber, im Ansatz bestätigte: „Erstmals sind 2018 tatsächlich die Zahlen der Bewerber zurückgegangen.“ Zuvor waren sie stetig gewachsen. Konsequenz des Ministeriums: „Wir bereiten eine Kampagne vor, um den Wert des Dienstes aufzuzeigen.“ Das zeige zudem den durchaus großen Stellenwert, den der Freiwilligendienst im BMZ genießt: „Eine unschätzbare Erfahrung für junge Menschen, mit der anderen konkret geholfen wird.“
Dieser besondere Wert liegt für Lea Pohl zum einen in der intensiven Begleitung, den Freiwillige bei ihrem Einsatz erfahren. Sie selbst hat sich vor 2016/17 in Bolivien engagiert und ist seit diesem Jahr Mitglied der Bolivienkommission des Bistums. Zum anderen: Alternative Angebote mögen in kürzerer Zeit mehr Einsatzorte versprechen. „Aber wirklich Menschen begegnen kann nur, wer sich in ein Projekt einarbeitet.“ Allerdings müssen sich das BMZ und die Träger des Dienstes auch fragen, wie sie verstärkt andere Zielgruppen erreichen können – zum Beispiel junge Menschen, die eine Berufsausbildung machen.
Ein weiteres Problem ist nach den Worten von Präses Bingener die Unwucht zwischen ausgesendeten („outgoing“) und nach Deutschland kommenden Freiwilligen („incoming“): 800 Plätze für die Incoming-Freiwilligen gibt es bundesweit, nur 650 konnten jetzt besetzt werden – „da geht noch was“.
Ein Problem dabei: die Visa-Vergabe durch deutsche Botschaften. „Da müssen wir politisch ran“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Ottmar von Holtz. Das Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nennt ein Beispiel: Bei einem Austauschprogramm zwischen Namibia und Deutschland können Deutsche ohne Schwierigkeiten in das afrikanische Land einreisen. Umgekehrt gehe das nicht: „Das kann so nicht bleiben.“
Die KiZ wird in den kommenden Ausgaben die Freiwilligen näher vorstellen.
Rüdiger Wala