Neubau eines Klosters bei Neuzelle

Neues Kloster auf Stasi-Posten

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Der Neubau eines Klosters bei Neuzelle kommt voran: Jetzt wurde ein Grundstück gekauft. Grund für den Erwerb sind die räumlichen Einschränkungen, die dem Mönchsleben nicht dienlich sind.

Die Umsetzung des Klosterneubaus auf einem etwa zehn Kilometer vom jetzigen Kloster entfernten Gelände in Treppeln verantworten Prior Pater Simeon Wester und Subprior Pater Kilian Müller. In der DDR unterhielt die Staatssicherheit hier einen geheimen Außenposten. Pater Müller: „Diese Immobilie liegt auf den historischen Stiftungsgründen des Klosters Neuzelle. Gerade da, wo eine Verletzung vorhanden ist, ist Heilung immer nötig und hilfreich. Der liebe Gott hat halt manchmal Humor. Ich glaube, eine klösterliche Nachnutzung für ein ehemaliges Stasi-Gelände, das gab es bisher noch nie“. In diesen Tagen vermeldeten Regionalmedien den verbindlichen Kauf des 75 Hektar großen Geländes für 219 000 Euro durch die Zisterzienser. Nun kann der Neubau verwirklicht werden.

Damit sich Herzen und Türen öffnen
Damit der kühne Plan im märkischen Wald Realität wird, haben die Mönche eine Botschaft: „Bitte beten Sie, oder begleiten Sie uns mit ihrem Segen, Ihren guten Gedanken, dass unser Vorhaben gelingt und die Herzen und Türen sich öffnen!“ Dafür haben sie mit den Josefsfreunden eine eigene Gebetsgemeinschaft unter dem Patronat des heiligen Josef gegründet. Natürlich kann der klösterliche Neubeginn in dieser weitgehend entchristlichten Gegend nur verwirklicht werden, wenn die Zisterzienser neben Gebeten auch Spenden und materielle Zuwendungen erhalten. „Dass wir unserem gemeinsamen Ziel näher kommen, den Menschen eine geistliche Heimat anzubieten.“ Gäste innerhalb und außerhalb der Klausur sollen aufgenommen werden. Zudem geht es darum, die Freude und die Schönheit des Glaubens authentisch vorzuleben. Wie teuer der Abriss der verwahrlosten DDR-Gebäude sowie der Neubau sein wird, darüber schweigt der Orden. Mit Sicherheit werden diese Kosten die Investitionen des Landerwerbs um ein Vielfaches übersteigen und in die Millionen gehen.
Der geplante Neubau ist nicht die einzige Veränderung in dem vor drei Jahren neu gegründeten Zisterzienserkloster Neuzelle. Von den ersten Mönchen gingen zwei schon wieder ins Mutterkloster nach Heiligenkreuz zurück. Mitte Oktober kehrte Frater Aloysius Maria in sein Mutterkloster in den Wienerwald zurück. Im Priorat Kloster Neuzelle in Brandenburg war er fast drei Jahre lang als Hausmann sowie Organisator für Küche, Herd, Wäsche und Einkauf verantwortlich. Im Kapitel „Mein Ordensleben habe ich dem Rosenkranz und der Muttergottes zu verdanken“, machte der damals mit gerade einmal 27 Jahren jüngste der vier „Wiederbesiedler-Mönche“ in Neuzelle keinen Hehl aus seiner Meinung und sprach offen und ehrlich über seine Befindlichkeiten. Irgendwie war es also abzusehen, dass der 1989 in Marktoberdorf im Allgäu als Florian Zierl geborene junge Mann keine Bestimmung auf Ewigkeit im Osten Brandenburgs finden sollte.
Schon Monate vor ihm ging der Lehrer an der katholischen Grundschule Neuzelle – Pater Philemon Ingo Dollinger – ins Mutterkloster nach Österreich zurück. Auch in dem Kapitel über den aus Baden-Württemberg stammenden Ordensmann unter dem Titel: „Vergiss bitte da Herrgott net!“ waren ihm in seinem Alltag zwischen Schule und Stundengebet berechtigte Zweifel an der Übergangslösung im katholischen Pfarrhaus aufgekommen. Er sprach von „suboptimalen Bedingungen“ unter denen er und seine Mitbrüder ihrer Mission von Ora et Labora (Bete und Arbeite) Folge leisten. Die vier ersten Neuzeller Mönche - nach der Zwangssäkularisation des Klosters vor über 200 Jahren - wussten, dass sie nicht auf Dauer in einem Pfarrhaus wohnen können. „Es darf uns auf gar keinen Fall passieren, dass wir zu einer Männer-Wohngemeinschaft (WG) werden. Wenn ich auf die Mitbrüder schaue, haben fast alle während des Studiums in WGs gelebt. Das hatte in dieser Zeit seine Berechtigung. Aber für ein Klosterleben ist das nicht geeignet. Wir brauchen gewisse Räumlichkeiten, die auch die Statuten der Zisterzienserkongregation für eine Neugründung vorsehen. Das Pfarrhaus ist für uns ein Provisorium, eine Übergangslösung. Aber es müssen sich Perspektiven auftuen“, erklärte Pater Philemon.

Enge, die wir nicht gewohnt sind
Von Heiligenkreuz her sind es die Ordensmänner gewohnt, in einer großflächigen Anlage zu leben. Dort gibt es Regularräume, einen Kreuzgang, einen Klostergarten und Räume, zu denen außer den Mönchen niemand Zutritt hat. Diese Klausur fehlt ihnen schmerzlich in Neuzelle. Die Mönche brauchen zudem einen Weg in das Haus Gottes, der sie innerlich auf das Gebet vorbereitet. Zum Chorgebet muss man in Heiligenkreuz nicht auf einem öffentlichen durch Wind und Wetter ungeschützten, schlecht ausgeleuchteten Weg laufen, wie das in Neuzelle vom Pfarrhaus zur St. Marienkirche der Fall ist.
 „Wir empfinden hier manches Mal eine architektonische Enge, die wir von unserer Abtei in Heiligenkreuz nicht gewohnt sind“, erklärte schon vor drei Jahren Pater Philemon, „unsere Gründungsväter wussten schon, warum sie diese Einteilung so wählten.“ Der Kreuzgang in Neuzelle ist Teil des Museums der Stiftung Neuzelle und wird von Touristen genutzt. Traditioneller Weise verbindet der Kreuzgang Schlaf- und Wohnräume der Mönche mit der Kirche. Diese geistliche und liturgische Einbindung ist für ein Klosterleben existenziell. Heute sind die historische Klosteranlage sowie die Ländereien mit etwa 11 300 Hektar Grundbesitz im Eigentum der staatlichen „Stiftung Stift Neuzelle“. Dem Zisterzienserorden oder der katholischen Kirche gehört davon nichts mehr. Um mit der für sie ungewohnten Situation zurecht zu kommen, entschieden sich die Mönche, die ersten Monate erst einmal alles so zu lassen, wie sie es vorfanden. Aber da sie mit der Stiftung Stift Neuzelle zu keiner für sie annehmbaren Einigung kamen, verkündeten sie schon am Vorabend der offiziellen Prioratsgründung im September 2018: Es wird auf Dauer keine Wiederbesiedlung mit Zisterziensern auf dem Gelände der 1268 durch Markgraf Heinrich dem Erlauchten gestifteten Klosteranlage in Neuzelle geben, sondern nur ein Neubau kommt für die Mönche in Frage, wenn sie hierbleiben. Denn die meisten Gebäude des früheren Zisterzienserklosters Neuzelle hat die Stiftung Stift Neuzelle an andere Nutzer vermietet. Im ehemaligen Wohn- und Arbeitsbereich der Klausur ist ein Gymnasium untergebracht. Im Kreuzgang gibt es ein Museum und die anliegenden Räume sind Orte für kulturelle Veranstaltungen jeglicher Art. In den früheren Räumen des Abtes befindet sich die Stiftungsverwaltung und im Kanzleigebäude eine Musikschule sowie die Forstverwaltung.
Mit der Entscheidung der Neuzeller Mönche erfüllten sich auch die Wünsche des Ideengebers und neuen Stifters Bischof Wolfgang Ipolt aus Görlitz nur bedingt, der vom „Leuchtturm Neuzelle“ sprach und hoffte, dass durch die Präsenz von Mönchen die „alten Gebäude wieder neue Strahlkraft erlangen“.
Die abrupte Wendung der Mönche, das vorhandene 750-Jahre alte Kloster mit dem Titel „Barockwunder Brandenburgs“ ungenutzt zu lassen, können bis heute viele Menschen nicht verstehen. „Es ließ auch viele Katholiken und evangelische Christen in den neuen Bundesländern ratlos zurück“, bestätigte eine Einwohnerin, die bis zuletzt auf einen Kompromiss auf dem Klosterareal hoffte.

Von Rocco Thiede